Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Teilspruch. Schulung. Arbeitsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Einigungsstellenspruch, der einen Arbeitgeber zu Gefährdungsschulungen nach § 12 ArbSchG verpflichtet, bevor konkrete Gefährdungen für den jeweils zu schulenden Arbeitnehmer festgestellt wurden (Gefährdungsbeurteilungen) ist ermessensfehlerhaft, denn er führt zu unnötigen vermeidbaren Kosten durch Mehrfachschulungen und überflüssigen Schulungen. Dies folgt aus der Entscheidung BAG 12.08.2008, 9 AZR 1117/06.

Ein Einigungsstellenspruch, der einerseits Schulungen vor Gefährdungsbeurteilungen anordnet, andererseits Schulungsinhalte nach Gefährdungsgruppen aufteilt, ohne zu regeln, wer welcher Gefährdungsgruppe angehört, ist nicht umsetzbar.

 

Normenkette

ArbSchG §§ 12, 6; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 02.10.2009; Aktenzeichen 5 BV 424/08)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 02.10.2009 – 5 BV 424/08 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Antragstellerin wendet sich gegen die Wirksamkeit eines Teilspruchs der Einigungsstelle vom 17.10.2008.

Die Antragstellerin befasst sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen. Sie hat insgesamt 39 Niederlassungen einschließlich ihrer Zentrale in B. und beschäftigt bundesweit ca. 2800 Arbeitnehmer.

Für die Niederlassung K. ist ein Betriebsrat gebildet, der Beteiligte zu 2). Für den K. Betrieb war eine Einigungsstelle eingerichtet worden mit den Themen „Unterweisung nach § 12 ArbSchG, Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, Organisationsregeln nach § 3 ArbSchG”. Am 17.10.2008 erfolgte ein Teilspruch der Einigungsstelle zum Thema „Unterweisung nach § 12 ArbSchG”. Gegen diesen Spruch richtet sich der Antrag der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin ist zunächst der Ansicht, für Fragen der Arbeitssicherheit und des Arbeitsschutzes sei nicht der örtliche Betriebsrat, sondern der Gesamtbetriebsrat zuständig. Durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde in einem vor dem Landesarbeitsgericht Berlin/Brandenburg geführten betriebsverfassungsrechtlichen Verfahren ist zwischenzeitlich die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates für nicht gegeben erachtet worden.

Die Arbeitgeberin greift den Einigungsstellenspruch weiterhin mit der Begründung an, eine Unterweisung nach § 12 ArbSchG setze zunächst die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG voraus. Eine Teilregelung, die einerseits zwingend Unterweisungen nach § 12 ArbSchG vorsehe, andererseits Gefährdungsbeurteilung für einen Zeitpunkt erstmals nach der Unterweisung ermögliche, sei keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung. Die durch diese doppelte Unterweisung erforderlich werdenden Kosten überstiegen das Ermessen der Einigungsstelle und führen damit zur Unwirksamkeit des Spruchs. Ein entsprechender Beschluss des LAG Berlin/Brandenburg vom 19.02.2009 liegt derzeit dem BAG bereits vor.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass der Teilspruch der Einigungsstelle vom 17.10.2008 unwirksam ist. Es ist der arbeitgeberseitigen Argumentation und dem LAG Berlin/Brandenburg in der oben zitierten Entscheidung gefolgt.

Zwischenzeitlich werden im K. Betrieb Unterweisungen im Sinne des § 12 ArbSchG durchgeführt. Die Arbeitgeberin trägt dabei vor, dass diese Unterweisungen sich aus einer mit dem Gesamtbetriebsrat getroffenen Regelung ergäben. Sie orientierten sich inhaltlich nicht an dem Teilspruch der Einigungsstelle sondern an den mit dem GBR festgelegten deutschlandweiten Regelungen. Nur eine solche deutschlandweit einheitliche Handhabung sei angesichts der Unternehmensstruktur, bei der die Referenten für die Arbeitssicherheit im Mutterhaus in B. angesiedelt sind und die gleichartige Sicherheitsstandards für alle Arbeitsplätze umsetzen wolle, zielführend. Der K. Betriebsrat vertritt dem gegenüber die Ansicht, die derzeit durchgeführten Unterweisungen stellten die Umsetzung des Einigungsstellenspruchs dar. Eine Erledigungserklärung kam für beide Parteien nicht in Frage, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass aufgrund des hier streitigen Einigungsstellenspruchs zukünftig noch erweiterte Handlungspflichten der Arbeitgeberin über die mit dem Gesamtbetriebsrat hinaus erzielte Einigung entstehen können. Im Übrigen haben alle Beteiligten ihre in erster Instanz geäußerten Rechtsansichten zur Frage der Vorgreiflichkeit der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG vertieft.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,

unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Köln vom 02.10.2009 – 5 BV 424/08 – den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Wortlauts des angegriffenen Beschlusses wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die gemäß §§ 8 Abs. 1, 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht einge...

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