Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 302 Abs. 1 S. 1 kann auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werden.
2. Wird auf Rechtsmittel verzichtet, wird der Verzicht in das Protokoll der HV aufgenommen.
3. Der Verzicht setzt eine eindeutige, vorbehaltlose und ausdrückliche Erklärung voraus.
4. Ein Rechtsmittelverzicht kann grds. später nicht widerrufen oder angefochten werden.
5. Der wirksame Rechtsmittelverzicht erfasst nicht nur die gegen das Urteil an sich zulässigen Rechtsmittel.
6. Mit einem in der HV erklärten Rechtsmittelverzicht wird das zuvor verkündete Urteil sofort rechtskräftig.
 

Rdn 2616

 

Literaturhinweise:

Dahs, Zur Rechtswirksamkeit des nach der Urteilsverkündung "herausgefragten" Rechtsmittelverzichts, in: Festschrift für Erich Schmidt-Leichner, 1977, S. 17

Erb, Überlegungen zum Rechtsmittelverzicht des Angeklagten unmittelbar nach der Urteilsverkündung, GA 2000, 511

Jäger, Wenn Schweigen alles sagt, JA 2014, 394

Kuhli, Die Anforderungen an die Ermächtigung zu Rechtsmittelrücknahme oder -verzicht gemäß § 302 II StPO, HRRS 2009, 290

Meyer, Erstreckung eines strafrechtlichen Rechtsmittelverzichts auf verkündete Annexentscheidungen, JurBüro 1993, 706

Meyer-Goßner, Verlust der Revision durch Zurücknahme? Replik zum Beitrag von Niemöller, StV 2010, 597

StV 2011, 53

Niemöller, Führt die Zurücknahme der Revision zum Verlust des Rechtsmittels, StV 2010, 597

ders., Rechtsmittelverzicht und -zurücknahme nach Verständigung, NStZ 2013, 19

Rieß, Der vereinbarte Rechtsmittelverzicht, in: Festschrift für Lutz Meyer-Goßner/Schmitt, 2001, S. 447

Scheffler, Verständigung und Rechtsmittel – ein Verteidigerdilemma!, StV 2015, 123

Schmidt, Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts, NJW 1965, 1210

Schnabl, Rechtsmittelverzicht und Anhörungsrüge, AnwBl. 2008, 188

Staudinger, Verständigung und Rechtsmittelverzicht, HRRS 2010, 347

Weider, Rechtsmittelverzicht und Absprache, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, 2002, S. 773

Wenske, Das Verständigungsgesetz und das Rechtsmittel der Berufung, NStZ 2015, 137

s.a. die Hinw. bei → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 193, und bei → Berufung, Berufungsrücknahme, Teil B Rdn 756.

 

Rdn 2617

1.a) Nach § 302 Abs. 1 S. 1 kann auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet werden (vgl. a. Burhoff/Kotz/Kotz, RM, Teil A Rn 1732 ff.). Der Verzicht auf Rechtsmittel macht die Berufung bzw. die Revision unzulässig (zur Feststellung der Unzulässigkeit BGH NStZ 2017, 487).

 

☆ Nach § 302 Abs. 1 S. 2 ist ein Rechtsmittelverzicht einschränkungslos unzulässig /unwirksam, wenn dem Urteil eine Verständigung i.S.d. § 257c vorausgegangen ist (vgl. u. Teil R Rdn  2628  ff.). Darüber hinaus kann aber ein Rechtsmittel auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil eingelegt werden (u.a. BGH NStZ 2010, 289 m. Anm. Burhoff StRR 2009, 418; StV 2009, 680; NStZ-RR 2010, 383).unzulässig/unwirksam, wenn dem Urteil eine Verständigung i.S.d. § 257c vorausgegangen ist (vgl. u. Teil R Rdn 2628 ff.). Darüber hinaus kann aber ein Rechtsmittel auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil eingelegt werden (u.a. BGH NStZ 2010, 289 m. Anm. Burhoff StRR 2009, 418; StV 2009, 680; NStZ-RR 2010, 383).

 

Rdn 2618

Die Frage, ob auf ein Rechtsmittel verzichtet werden soll – meist handelt es sich um die Berufung oder Revision – ergibt sich in der HV i.d.R. unmittelbar im Anschluss an die → Urteilsverkündung, Teil U Rdn 3224, wenn der Vorsitzende – entgegen Nr. 142 Abs. 2 S. 1 RiStBV – den Angeklagten und/oder den Verteidiger danach fragt.

 

☆ Der Verteidiger sollte wegen der weitreichenden Folgen auf diese Anregung des Vorsitzenden hin auf jeden Fall um eine kurze →  Unterbrechung der Hauptverhandlung , Teil U Rdn  3131 , bitten, um die sich aus einem Rechtsmittelverzicht ergebenden Fragen mit dem Mandanten besprechen zu können (s. BGHSt 18, 257; BGH NStZ 1996, 297; vgl. a. OLG Köln NStZ-RR 2006, 83 [Unterbrechungsantrag liegt nahe]; OLG Köln StV 2010, 67 [Bußgeldverfahren). Dabei muss er ihn auch über die gegen das soeben verkündete Urteil möglichen Rechtsmittel belehren (→  Rechtsmittel , Allgemeines , Teil R Rdn  2582 ). Diese (Überlegungs-)Zeit wird das Gericht dem Angeklagten einräumen müssen, da anderenfalls ein erklärter Rechtsmittelverzicht unwirksam sein kann (vgl. BVerfG NStZ-RR 2008, 209).Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3131, bitten, um die sich aus einem Rechtsmittelverzicht ergebenden Fragen mit dem Mandanten besprechen zu können (s. BGHSt 18, 257; BGH NStZ 1996, 297; vgl. a. OLG Köln NStZ-RR 2006, 83 [Unterbrechungsantrag liegt nahe]; OLG Köln StV 2010, 67 [Bußgeldverfahren). Dabei muss er ihn auch über die gegen das soeben verkündete Urteil möglichen Rechtsmittel belehren (→ Rechtsmittel, Allgemeines, Teil R Rdn 2582). Diese (Überlegungs-)Zeit wird das Gericht dem Angeklagten einräumen müssen, da anderenfalls ein erklärter Rechtsmittelverzicht unwirksam sein kann (vgl. BVerfG NStZ-RR 2008, 209).

 

Rdn 2619

b) Grds. ist davon abzuraten, noch in der HV einen Rechtsmittelverzicht zu erk...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge