Rn 1

§ 327 aF wurde im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung 2001 aufgehoben und war seither unbesetzt. Seit dem 1.1.22 bildet § 327 nunmehr jedoch den systematischen Ausgangspunkt des neu geregelten Rechts der Verträge über digitale Produkte (digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen, Legaldefinition in § 327 I). Die durch das Gesetz vom 25.6.21 zur Umsetzung der RL über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DIUG) neu eingefügten Vorschriften der §§ 327 ff beruhen auf der RL (EU) 2019/770, der sog Digitale-Inhalte-RL (DIRL, s dazu Spindler/Sein MMR 19, 415; dies MMR 19, 488; Schulze ZEuP 19, 695; Staudenmayer ZEuP 19, 663; Stürner, Europäisches Vertragsrecht 21, § 23; zur Umsetzung im deutschen Recht Rosenkranz ZUM 21, 195; Wendehorst NJW 21, 2913; Gansmeier/Kochendörfer ZfPW 22, 1; Bittner VuR 22, 9). Diese steht nach ihrem ErwGr 20 in wechselseitiger Ergänzung zur Warenkauf-RL (WKRL, RL [EU] 2019/771). Auch die §§ 327 ff unterliegen mithin dem Erfordernis der richtlinienkonformen Rechtsanwendung (s Vor §§ 312 ff Rn 5).

 

Rn 2

Erstmals Einzug in das BGB hielten Vorschriften für Verträge über digitale Inhalte durch das Gesetz zur Umsetzung der VerbraucherrechteRL (RL 2011/83/EU), welches am 13.6.14 in Kraft getreten ist. Dabei wurden digitale Inhalte in § 312f III aF im Einklang mit Art 2 Nr 11 VRRL definiert (dazu Janal/Jung VuR 17, 332). Durch das DIUG vom 25.6.21 (BGBl I, 2123) wurde in Umsetzung der Vorgaben der DIRL ein eigener, deutlich ausdifferenzierterer Regelungskomplex für Verträge über digitale Produkte in den §§ 327 ff geschaffen. Zu beachten ist die Übergangsvorschrift in Art 229 § 57 EGBGB.

 

Rn 3

Der DIRL liegt nach ihrem Art 4 der Ansatz der Vollharmonisierung zugrunde, sodass es den MS grds verwehrt ist, in ihrem Recht insoweit verbraucherfreundlichere Regelungen vorzusehen. Ausn bestehen hinsichtlich der Verlängerung der Gewährleistungsfrist über die Mindestfrist von zwei Jahren hinaus sowie im Bereich des allgemeinen Vertragsrechts, das nicht von der RL erfasst ist. Ziel der DIRL ist es, durch die Herstellung eines einheitlichen Verbraucherschutzniveaus die Entwicklung eines digitalen Binnenmarkts zu fördern (Art 1, ErwGr 1, 3 DIRL; zur Harmonisierung durch RL Stürner Europäisches Vertragsrecht 21, § 2 Rz 31 ff). Allerdings enthält die DIRL in Art 20 auch eine Sondervorschrift für Verträge zwischen Unternehmern in Bezug auf Rückgriffsansprüche. Dementsprechend ist der neu eingefügte Titel 2a ›Verträge über digitale Produkte‹ in Untertitel 1 ›Verbraucherverträge über digitale Produkte‹ und Untertitel 2 ›Besondere Bestimmungen für Verträge über digitale Produkte zwischen Unternehmern‹ unterteilt. Die Vorschriften des ersten Untertitels finden (zwingend, § 327s) Anwendung auf Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen (Legaldefinition: digitale Produkte) durch den Unternehmer gegen Zahlung eines Preises zum Gegenstand haben, was auch eine digitale Darstellung eines Werts erfasst (§ 327 I).

 

Rn 4

Nach ihrem Art 3 I sowie ErwGr 12 gilt die DIRL vertragsformübergreifend und unabhängig von der vereinbarten Art der Leistung, die in der Eigentumsverschaffung, der Nutzungsgewährung oder der Leistung von Diensten liegen kann. Für ihre Anwendbarkeit kommt es auf die Art des Leistungsgegenstandes an – digitale Inhalte und Dienstleistungen – und nicht auf die vertragsprägenden Leistungspflichten, wie das sonst im BGB der Fall ist. Auch in der (deutschen) Rspr ist keine eindeutige typologische Zuordnung von Verträgen über digitale Produkte auszumachen. Vielmehr erfolgt je nach konkretem Leistungsgegenstand eine direkte oder analoge Anwendung von verschiedenen Vorschriften des Besonderen Teils des Schuldrechts, insb des Kauf- (BGH NJW 00, 1415 [BGH 22.12.1999 - VIII ZR 299/98]), Miet- (BGH NJW 07, 2394 [BGH 15.11.2006 - XII ZR 120/04]) und Werkvertragsrechts (BGH NJW 10, 1449 [BGH 04.03.2010 - III ZR 79/09]). Vor diesem Hintergrund erscheint die Verortung der Umsetzungsvorschriften im Allgemeinen Teil des Schuldrechts systematisch konsequent (so auch Faust, Gutachten A für den 71. DJT, S. 15; Kramme RDi 21, 20; Spindler MMR 21, 451; aA Metzger JZ 19, 577 [585 f]; zu den diskutierten Standortalternativen BTDrs 19/27653, 26 ff).

 

Rn 5

Dabei widerspricht es nicht dem Wesen des Schuldrechts AT, dass die §§ 327 ff spezielle Regeln für Verträge über digitale Produkte enthalten. Die Vorschriften beziehen sich nicht auf eine bestimmte Leistungspflicht, wie es dem Besonderen Teil des Schuldrechts wesenseigen ist, sondern auf eine bestimmte Produktgattung, welche den Gegenstand unterschiedlicher Leistungspflichten bilden kann (bspw Eigentumsverschaffung, Nutzungsgewährung, Leistung von Diensten, s BTDrs 19/27653, 26). Die Regelungstechnik des BGB wird somit durch die Umsetzung der EU-Vorgaben nicht konterkariert, aber insofern fortentwickelt, als sich im Allgemeinen Schuldrecht nun Regelungen für Vertr...

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