Gesetzestext

 

Bis zum wirksamen Abschluss eines Verfahrens über den Versorgungsausgleich ist der Versorgungsträger verpflichtet, Zahlungen an die ausgleichspflichtige Person zu unterlassen, die sich auf die Höhe des Ausgleichswerts auswirken können.

A. Zweck der Vorschrift.

 

Rn 1

Versorgungsanrechte können ganz oder tw erlöschen, wenn die zur Begründung der Anrechte geleisteten Beträge erstattet werden. Hauptanwendungsfall ist die – unter bestimmten Voraussetzungen mögliche – Beitragserstattung in der gesetzlichen Rentenversicherung, die zur Auflösung des Versicherungsverhältnisses und infolge dessen zum Erlöschen der erworbenen Anrechte führt (§ 210 VI SGB VI). Damit stehen die Anrechte auch nicht mehr für einen Versorgungsausgleich zur Verfügung (BGH FamRZ 12, 1039 Rz 11; 16, 775 Rz 43). § 29 soll verhindern, dass ein Ehegatte unter Mitwirkung des Versorgungsträgers während der Dauer eines Verfahrens ein an sich auszugleichendes Anrecht dem Versorgungsausgleich (ganz oder tw) entzieht, indem er sich Beiträge oder Aufwendungen nach den für das Anrecht geltenden Regelungen auszahlen lässt. Dieses Ziel soll durch ein an den Versorgungsträger adressiertes, zeitlich begrenztes Zahlungsverbot erreicht werden. Andere Formen der Beeinflussung (zB eine ohne Zustimmung des Versorgungsträgers mögliche Rentenkapitalisierung; vgl dazu § 2 Rn 4b) erfasst § 29 nicht. Die Vorschrift ist auch nicht auf bei Ehezeitende bereits laufende Rentenleistungen anwendbar (BGH FamRZ 11, 1785 Rz 25; vgl § 5 Rn 3b).

B. Bedeutung des Zahlungsverbots.

 

Rn 2

Das Zahlungsverbot richtet sich an alle (auch privatrechtlichen) Versorgungsträger, bei denen für einen der Ehegatten ein Versorgungsanrecht besteht, dessen für den Versorgungsausgleich maßgebliche Höhe durch eine Auszahlung beeinflusst werden kann. Sobald die Versorgungsträger von einem Versorgungsausgleichsverfahren Kenntnis erhalten, dürfen sie grds keine Zahlung mehr vornehmen, die den Ausgleichswert des Anrechts mindert. Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus darf der Versorgungsträger auch keine sonstige, das Erlöschen des Anrechts vorbereitende Handlung durchführen, zB keinen Erstattungsbescheid erlassen (BTDrs 10/6369, 23). Da das Zahlungsverbot praktisch erst in dem Zeitpunkt Wirkungen entfalten kann, in dem der Versorgungsträger Kenntnis von dem Verfahren erlangt, hat das Familiengericht die Versorgungsträger, bei denen ein Anspruch auf Beitragserstattung bestehen kann (ausgeschlossen ist dies bei der Beamtenversorgung), zum Schutz des jew ausgleichsberechtigten Ehegatten, spätestens nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, unverzüglich über die Einleitung des Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Üblicherweise geschieht dies durch die Übersendung des Auskunftsersuchens nach § 220 FamFG.

 

Rn 3

Da der Ausgleichswert die Hälfte des Ehezeitanteils ausmacht (§ 1 I 2), sind die Versorgungsträger nicht gehindert, während des Verfahrens den Gegenwert von vorehezeitlich erworbenen Anrechten und selbst den Gegenwert der dem ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verbleibenden Hälfte des Ehezeitanteils auszuzahlen. Auch nach wirksamem Abschluss des Verfahrens können Zahlungen und/oder sonstige das Erlöschen des Versorgungsanrechts bewirkende Handlungen erfolgen. Ein auf den nachträglichen Wegfall des Anrechts gestütztes Abänderungsbegehren kann gem § 225 I und II FamFG oder § 51 I zulässig sein, eine Abänderung wird jedoch bei einem bewussten Einwirken des verpflichteten Ehegatten auf den Bestand des Anrechts als grob unbillig anzusehen und deshalb gem § 27 abzulehnen sein.

C. Rechtsfolgen einer Verletzung des Zahlungsverbots.

 

Rn 4

Hat ein Versorgungsträger trotz Kenntnis des Verfahrens eine Auszahlung vorgenommen, die zur Folge hat, dass das auszugleichende Anrecht nicht oder jedenfalls nicht mehr iHd Ausgleichswerts vorhanden ist, so kann dies zwar eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Ausgleichsberechtigten auslösen. Das Erlöschen des Anrechts ist ihm gegenüber jedoch wirksam (BGH FamRZ 95, 31, 32). Nur wenn die erstatteten Beiträge vom Versorgungsträger wieder eingezogen werden und das erloschen gewesene Anrecht damit wieder aufgelebt ist, kann es in den Versorgungsausgleich einbezogen werden. Hat der Ausgleichspflichtige den Wegfall eines Versorgungsanrechts bewusst in Schädigungsabsicht herbeigeführt, so kann dies iRd Härteklausel (§ 27) berücksichtigt werden (BGH FamRZ 13, 1362 Rz 8; 17, 26 Rz 24; vgl § 27 Rn 12). Im Versorgungsausgleich nicht mehr zu berücksichtigen ist eine bei Ehezeitende noch gezahlte befristete Invaliditätsrente, deren Zahlung nach Fristablauf eingestellt worden ist (BGH FamRZ 09, 950 Rz 10).

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