Rn 3a

Ist ein Versorgungsanrecht zwar in der Ehezeit erworben worden, aber bei Ehezeitende nicht mehr vorhanden, folgt schon aus dem Stichtagsprinzip, dass es im Versorgungsausgleich nicht zu berücksichtigen ist. Aber auch soweit ein Anrecht erst nach Ehezeitende – ganz oder tw – ersatzlos weggefallen ist, kann es nicht mehr in den Versorgungsausgleich einbezogen werden (Grundsatz‹Was weg ist, ist weg›). Dies folgt allerdings nicht aus § 5 II 2, sondern daraus, dass sich der Versorgungsausgleich nur auf solche Anrechte erstrecken kann, die – auch – im Zeitpunkt der Entscheidung noch für einen Ausgleich zur Verfügung stehen. Anrechte, die bis zur (letzten tatrichterlichen) Entscheidung erloschen sind, gehören nicht dazu. Eine negative Entwicklung der Versorgungslage ist unabhängig von ihren Ursachen und vom Zeitpunkt ihrer Entstehung im Versorgungsausgleich stets zu beachten. Dies gilt in gleicher Weise bei einem Teilerlöschen von Anrechten (stRspr, vgl etwa BGH FamRZ 15, 998 Rz 10; 19, 1993 Rz 24). Deshalb sind zB Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung, die durch eine nach Ehezeitende erfolgte Beitragserstattung erloschen sind, im Versorgungsausgleich außer Betracht zu lassen (BGH FamRZ 19, 1993 Rz 24), ebenso Anrechte aus betrieblicher Altersversorgung, die infolge eines wirksamen Widerrufs der Versorgungszusage durch den Arbeitgeber weggefallen (BGH FamRZ 19, 1993 Rz 24) oder gem § 3 BetrAVG zulässiger Weise vom Arbeitgeber abgefunden worden sind (BGH FamRZ 16, 697 Rz 10) oder deren Wert sich nach Ehezeitende infolge der Sanierung des Versorgungsträgers verringert haben (Oldbg FamRZ 22, 1796, 1797). Auch Anwartschaften aus einer Rentenlebensversicherung mit Kapitalwahlrecht unterliegen nicht (mehr) dem Versorgungsausgleich, wenn nach Ehezeitende von der Option Gebrauch gemacht worden ist (BGH FamRZ 11, 1931 Rz 14 ff; 14, 279 Rz 11 ff). Entsprechendes gilt für das Rentenanrecht eines Gesellschafter-Geschäftsführers, das in eine private Kapitallebensversicherung umgewandelt (BGH FamRZ 14, 104 Rz 9) oder durch eine nachehezeitliche Vereinbarung zwischen dem ausgleichspflichtigen Ehegatten und der Gesellschaft herabgesetzt worden ist (BGH FamRZ 19, 1993 Rz 24). Die Ausübung eines Kapitalwahlrechts hat indes nicht zur Folge, dass das Anrecht vollständig erlischt. Es besteht nur in anderer Form weiter. Deshalb spricht einiges dafür, in Anwendung des § 162 II BGB von einer treuwidrigen Bedingungsvereitelung auszugehen (Borth Kap 1 Rz 93). Um zu verhindern, dass ein Anrecht vermindert wird oder wegfällt, verpflichtet § 29 die Versorgungsträger, bis zum wirksamen Abschluss des Verfahrens Zahlungen an den ausgleichspflichtigen Ehegatten zu unterlassen. Dieses Verbot kann allerdings erst greifen, wenn die Versorgungsträger vom Verfahren Kenntnis erlangt haben (vgl § 29 Rn 2). Hat der Ausgleichspflichtige den Wegfall oder die Minderung eines Versorgungsanrechts bewusst in Schädigungsabsicht herbeigeführt, kann dies im Rahmen der Härteklausel (§ 27) sanktioniert werden (BGH FamRZ 17, 26 Rz 21 ff; 19, 1993 Rz 24; s § 27 Rn 12).

 

Rn 3b

Befindet sich ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung oder der privaten Altersvorsorge, dessen Bezugsgröße der Kapitalwert ist, bei Ehezeitende bereits in der Leistungsphase oder beginnen die Leistungen im Zeitraum zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich, führen die (nicht dem Leistungsverbot des § 29 unterliegenden) planmäßigen Rentenzahlungen an die ausgleichspflichtige Person nach dem Ehezeitende regelmäßig dazu, dass der versicherungsmathematische Barwert des Versorgungsanrechts bei Rechtskraft der Entscheidung geringer ist als zum Ehezeitende (sog. ›Wertverzehr‹). Nach der Rechtsprechung des BGH sind der Ehezeitanteil und der Ausgleichswert in diesen Fällen (unabhängig davon, ob es sich um ein kapitalgedecktes oder rückstellungsfinanziertes Anrecht handelt) auf Basis des noch vorhandenen (Rest-)Kapitalwerts zeitnah zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft zu ermitteln. Zwar stellen die laufenden Veränderungen des Kapitalwerts während der Leistungsphase keine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende tatsächliche Veränderung iSd § 5 II 2 dar. Das erworbene Anrecht, das in der Anwartschaftsphase durch den versicherungsmathematischen Barwert oder das gebildete Deckungskapital ausgedrückt war, realisiert sich vielmehr in der Leistungsphase mit den laufenden Rentenleistungen. Das Anrecht kann jedoch nicht mehr ungekürzt ausgeglichen werden, wenn der noch bestehende Kapitalwert unter den Wert des Anrechts bei Eintritt in die Leistungsphase abgesunken ist (vgl BGH FamRZ 18, 894 Rz 45; 18, 1816 Rz 20). Die Teilung auf der Grundlage eines nach Ehezeitende verringerten Kapitalwerts führt allerdings zu einer Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes zulasten des Ausgleichsberechtigten. Der Ausgleichspflichtige kann in diesem Zeitraum weiter seine ungekürzte Versorg...

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