Gesetzestext

 

1Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. 2Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

A. Grundsätzliches.

 

Rn 1

Der Versorgungsausgleich folgt – wie der Zugewinnausgleich – dem formalen Prinzip der Halbteilung (s § 1 Rn 2). Die rein schematische Umsetzung dieses Grundsatzes kann jedoch bei besonderen Fallgestaltungen zu groben Ungerechtigkeiten führen. Für diese Fälle bietet § 27 eine Härteregelung, mit der besonders ungerechte oder gar verfassungswidrige Auswirkungen vermieden werden können (BVerfG FamRZ 80, 326; 03, 1173). Die Vorschrift ermöglicht jedoch keine generelle Korrektur systembedingter Nachteile des Versorgungsausgleichs für die ausgleichsberechtigte Person (BGH FamRZ 15, 1004 Rz 10; 15, 1101 Rz 16). In Fällen mit Auslandsbezug ist zwar die Billigkeitsklausel des Art 17 IV S 2 EGBGB vorrangig zu prüfen. Steht diese Regelung der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegen, schließt dies jedoch die Anwendung der allgemeinen Härteklausel des § 27 nicht aus (BGH FamRZ 07, 996 Rz 27; 14, 105, Rz 22). Auch schuldrechtliche Ausgleichsansprüche können nach § 27 gekürzt oder ausgeschlossen werden (s Rn 13 ff). In Abänderungsverfahren findet § 27 ebenfalls Anwendung (s Rn 14). In welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben, ist für die Anwendung der Härteklausel grds unerheblich. Die Vereinbarung der Gütertrennung bildet daher für sich allein keinen Grund dafür, (auch) den Versorgungsausgleich auszuschließen (BGH FamRZ 05, 1238, 1239). Verfügt der Ehegatte, der im Versorgungsausgleich (ganz überwiegend) ausgleichsberechtigt wäre aber über weder dem Versorgungs- noch einem Zugewinnausgleich unterliegende Vermögenswerte, die zu einer angemessenen Alterssicherung geeignet sind, kann der andere Ehegatte durch einen Versorgungsausgleich grob benachteiligt werden, sodass eine Korrektur aufgrund der Härteklausel gerechtfertigt ist.

 

Rn 2

§ 27 ermöglicht sowohl einen vollständigen als auch einen tw Ausschluss (eine Herabsetzung) des Versorgungsausgleichs. Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes ›soweit‹ in S 1. Das Gericht kann den Ausgleich sowohl auf einzelne ehezeitlich erworbene Anrechte beschränken als auch Teile von Ausgleichswerten vom Ausgleich ausschließen. Eine befristete Herabsetzung kommt insb bei schuldrechtlichen Ausgleichsansprüchen in Betracht, aber auch im Wertausgleich bei der Scheidung, wenn eine dem ausgleichspflichtigen Ehegatten zustehende Versorgung erst von einem späteren Zeitpunkt an fällig ist, sich dadurch für einen vorübergehenden Zeitraum eine erhebliche Differenz zwischen den Nettoeinkommen beider Ehegatten ergibt und der Unterhalt des ausgleichspflichtigen Ehegatten gefährdet ist (BGH FamRZ 99, 497, 498; 05, 696, 698). § 27 bietet jedoch keine Handhabe, um ein Anrecht statt im Wertausgleich bei der Scheidung schuldrechtlich auszugleichen (BGH FamRZ 14, 461 Rz 11).

B. Grobe Unbilligkeit.

I. Allgemeines.

 

Rn 3

Gem § 27 S 1 findet ein Versorgungsausgleich ausnw nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei § 27 um einen Ausnahmetatbestand handelt, an den strengere Maßstäbe anzulegen sind als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (BGH FamRZ 93, 176, 178; 07, 996 Rz 26). Das Erfordernis der groben Unbilligkeit beschränkt die Anwendung der Härteklausel zudem auf Fälle, in denen die starre Durchführung des Ausgleichs nach den gesetzlichen Bestimmungen dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH FamRZ 88, 822, 825; 08, 1836 Rz 11). Diese Feststellung kann nur unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls getroffen werden (§ 27 S 2).

 

Rn 4

Das Gericht hat insb die gegenwärtige und zukünftige wirtschaftliche Situation der Eheleute zu berücksichtigen und alle bereits bekannten oder vorhersehbaren Lebensumstände in Betracht zu ziehen, die ihre Versorgungslage beeinflussen (BGH FamRZ 13, 690 Rz 14; 16, 35 Rz 20). Insoweit kann die Aufstellung einer ›Vorsorgevermögensbilanz‹ auf Basis der Kapitalwerte bzw korrespondierenden Kapitalwerte aller ehezeitlichen Anrechte der Ehegatten Grundlage für die weitere Betrachtung sein (BTDrs 16/10144, 68), in die dann auch etwaige Vermögensverschiebungen über den Zugewinnausgleich und eine bereits getroffene (wenn auch nicht notwendig schon rechtskräftige) Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt einzubeziehen sind. Darüber hinaus können auch persönliche Umstände oder objektive Gegebenheiten im Einzelfall von Bedeutung sein (BGH FamRZ 12, 845 Rz 16 ff).

 

Rn 5

[nicht besetzt]

II. Fallgruppen.

 

Rn 6

Der tatbestandliche Regelungsbereich des § 27 wurde bewusst offen formuliert, um mehr Spielraum zu lassen (BTDrs 16/10144, 67). Die in der bisherigen Rspr im Interesse der Rechtssicherheit zu den früher geltenden §§ 1587c und 1587h BGB aF und §§ 3a VI und 10a III VAHRG aF entwickelten Fallgruppen von Härtefällen bilden aber auch nach neuem Recht die Grundlage für die Anwendung der H...

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