Rn 19

III beschäftigt sich mit Zielrechtsordnungen, die Mehrrechtsstaaten sind. Staaten wie die USA (insb dazu Schröder, Die Verweisung auf Mehrrechtsstaaten im deutschen IPR, 2007), das Vereinigte Königreich, Kanada, Australien oder Spanien haben insgesamt oder auf bestimmte Rechtsgebiete bezogen mehrere örtlich gegeneinander abgegrenzte Zivilrechte. Indien, Pakistan, Israel sowie einige arabische und afrikanische Staaten kennen interpersonale Rechtsspaltung, bei der auf bestimmte Personengruppen je nach Religions- oder Stammeszugehörigkeit unterschiedliches Recht angewandt wird. Zum deutschen Interlokalen Privatrecht vor der Wiedervereinigung s Art 3 EGBGB Rn 9.

I. Bei Vorhandensein eines Interlokalen oder Interpersonalen Rechts.

1. Anknüpfung an einen Ort.

 

Rn 20

Welche Teilrechtsordnung des Zielrechts anzuwenden ist, regelt für das Internationale Vertragsrecht der den Art 4 III f Altfälle verdrängende ex Art 35 II und aktuell Art 22 I ROM I. Danach sind die örtlichen Verweisungsnormen des deutschen bzw europäischen Internationalen Vertragsrechts doppelfunktional idS, dass sie nicht nur den Staat bezeichnen, dessen Recht anzuwenden ist, sondern zugleich auch bei räumlicher Rechtsspaltung die anwendbare Teilrechtsordnung festlegen. Entsprechendes gilt nach Art 25 I ROM II für das von dieser VO erfasste IPR der außervertraglichen Schuldverhältnisse und nach der differenzierenden Regelung des Art 14 ROM III für das Scheidungs-IPR.

 

Rn 21

Nach einer Ansicht soll Art 4 III ebenso zu verstehen sein. Dem Wortlaut lässt sich das nicht ohne weiteres entnehmen. Doch wird die Passage ›ohne die maßgebende zu bezeichnen‹ dahingehend ausgelegt, dass mit der Anknüpfung an einen örtlichen Anknüpfungspunkt bei interlokaler Rechtsspaltung die maßgebende Teilrechtsordnung in der Zielrechtsordnung gleich mit festgelegt, also iSd III ›bezeichnet‹ ist (BTDrs 10/504, 40; Erman/Hohloch Rz 22; Kegel/Schurig § 11 II; Looschelders Rz 33; Kropholler § 29 II 2). Das fremde Interlokale Privatrecht würde damit bei örtlichen Anknüpfungen prinzipiell übergangen. Da dies ohne Not dem Prinzip der authentischen Anwendung ausl Rechts (s.o. Art 3 EGBGB Rn 57) widerspricht, den deutschen örtlichen Anknüpfungspunkten ohne sachlichen Grund eine größere Bedeutung gibt als den (dazu s.u. Rn 23) personenbezogenen (die sich bei personaler Rechtsspaltung entspr durchsetzen müssten) und nicht vom Wortlaut des 4 III erzwungen wird, ist dieses Vorgehen trotz des subjektiven Gesetzgeberwillens und seiner größeren Praktikabilität abzulehnen (MüKo/Sonnenberger Rz 99; v Bar/Mankowski IPR I, § 4 Rz 154; Spickhoff JZ 93, 337; Staud/Hausmann Rz 324; Rauscher Rz 407 u IPRax 87, 209), solange ein Staat über ein nationales Interlokales Privatrecht verfügt und dieses nicht, wie in den USA mit ihren 50 verschiedenen Interlokalen Privatrechten, selbst gespalten ist (dazu s.u. Rn 24).

 

Rn 22

Für den Fall einer Gesamtverweisung auf das Recht eines Mehrrechtsstaates ist der Meinungsstreit entschärft, weil über die Gesamtverweisung des I 1 fremdes Kollisionsrecht jeglicher Art berufen sein soll, sei es internationales, interlokales oder interpersonales usw (Kegel/Schurig § 11 II; Looschelders Rz 34).

2. Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit.

 

Rn 23

Knüpft das deutsche Kollisionsrecht an die Staatsangehörigkeit an, so ist die vorrangige Heranziehung des ausl Interlokalen bzw Interpersonalen Privatrechts allgM.

II. Bei Fehlen Interlokalen oder Interpersonalen Rechts.

 

Rn 24

Fehlt der Zielrechtsordnung, wie etwa den USA, ein einheitliches Interlokales oder Interpersonales Kollisionsrecht, was auch anhand der ausl Gerichtspraxis und ggf ergänzender Auslegung zu ermitteln ist (MüKo/Sonnenberger Rz 100; zur Ableitung eines US-amerikanischen interlokalen Kollisionsrechts aus den Zuständigkeitsregelungen Staud/Hausmann Rz 326), so ist stattdessen nach III 2 die engste Verbindung maßgeblich. Diese bestimmt sich nach den Wertungen des deutschen Kollisionsrechts (MüKo/Sonnenberger Rz 100; Palandt/Heldrich 67. Aufl Rz 14, Erman/Hohloch Rz 24; aA v Hoffmann/Thorn § 6 Rz 10: wegen internationalen Entscheidungseinklangs primär Anknüpfungsgrundsätze des ausl Rechtskreises). Bei Rechtsspaltung nach Religionszugehörigkeit oder ethnischer Zugehörigkeit kann der entspr deutschen Kollisionsnorm immerhin entnommen werden, auf welche Anknüpfungsperson dafür abzustellen ist (MüKo/Sonnenberger Rz 110). Soweit sich dem deutschen IPR keine Wertung entnehmen lässt, muss hilfsweise auf die Kriterien des fremden Rechts zurückgegriffen werden (Looschelders Rz 37). Mit Hilfe der engsten Verbindung ist das anw Recht analog Art 3 II auch bei Verweisung des Art 15 I auf die Rechtsordnung eines nachträglich in mehrere Einzelstaaten zerfallenen Staates (sukzessive Rechtsspaltung) zu bestimmen (Nürnbg FamRZ 17, 698 Tz 36 – Tschechoslowakei).

III. Vorrangige staatsvertragliche Regelung.

 

Rn 25

Für die Form letztwilliger Verfügungen wird Art 4 III durch die vorrangige staatsvertragliche Regelung in Art 1 II Haager Üb über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.61 verdrängt, die nicht auf die engste Verbindung des Sachverhalts, sondern des Erblassers zu einer der Teilrechtsordnungen abstellt. Das MSA enthält mit Art 14, das KSÜ...

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