Gesetzestext

 

(1) Gesetzliche Ansprüche aus der Besorgung eines fremden Geschäfts unterliegen dem Recht des Staates, in dem das Geschäft vorgenommen worden ist.

(2) Ansprüche aus der Tilgung einer fremden Verbindlichkeit unterliegen dem Recht, das auf die Verbindlichkeit anzuwenden ist.

A. Überblick.

I. Anknüpfung an den Vornahmeort.

 

Rn 1

Für Ansprüche, die nach dem 11.1.09 entstehen, gilt im Anwendungsbereich der ROM II (864/2007, Abl L 199/40) Art 11 der VO zur Bestimmung des anwendbaren Rechts bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag (Art 3 Nr 1 EGBGB). Im Grundsatz wird darin eine akzessorische Anknüpfung an ein bestehendes Rechtsverhältnis ausgesprochen, soweit keine Rechtswahl vorgenommen wird (Art 14 der VO). Für Fälle, die vom Anwendungsbereich der VO nicht umfasst sind (Art 1 II VO), verbleibt es bei der Maßgabe des Art 39 EGBGB. Aufgrund der universellen Anwendung der ROM II (Art 3 der VO) hat Art 39 EGBGB für neu entstehende Fälle keine (praktische) Bedeutung mehr. Art 39 I regelt die Grundanknüpfung für Ansprüche des Geschäftsherrn gegen den Geschäftsführer, aber auch für Ansprüche des Geschäftsführers gegen den Geschäftsherrn aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA). Maßgebend für die Bestimmung des anzuwendenden Rechts ist danach der Ort der Vornahme des Geschäfts (lex loci gestionis), zu dem regelmäßig die engste Beziehung des Sachverhalts besteht (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 1). Ferner stellt der Vornahmeort im Gegensatz zu personenbezogenen Kriterien ein neutrales Anknüpfungsmerkmal für die wechselseitigen Ansprüche dar und trägt auf diese Weise dem Ausgleich der Interessen der Beteiligten angemessen Rechnung (Kreuzer RabelsZ 65 (01), 383, 411; ähnl Fischer IPRax 02, 1, 11). Darüber hinaus wird der Vornahmeort häufig dem Eingriffsort (Art 38 II) und dem Tatort (Art 40 I) entspr, sodass das Statut der GoA und das der Eingriffskondiktion sowie das Deliktsstatut vielfach übereinstimmen.

II. Ausnahme.

 

Rn 2

In Art 39 II ist für die Fallgruppe der Tilgung fremder Verbindlichkeiten eine Ausnahme vorgesehen. Die Anknüpfung erfolgt insoweit akzessorisch an das Recht, das auf die getilgte Verbindlichkeit anzuwenden ist (Schuldstatut). Der Regressanspruch des Geschäftsführers und die mit der Tilgungswirkung verbundene Befreiung des Geschäftsherrn von der ursprünglichen Verbindlichkeit stehen in einem inneren Zusammenhang. Die Anknüpfung an das räumliche Kriterium des Vornahmeortes würde dagegen zu unangemessenen Ergebnissen führen, weil der Geschäftsführer das anwendbare Recht über die Bestimmung des Leistungs- bzw Zahlungsortes wählen könnte.

III. Vorrangige Regelungen.

 

Rn 3

Die Regelung in Art 39 wird durch eine nachträgliche Rechtswahl (Art 42) verdrängt. Die Wahl kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, auch iRe Prozesses (Kobl NJW 92, 2367 [OLG Koblenz 20.06.1991 - 5 U 75/91]). Mangels Rechtswahl kann die (Grund-)Anknüpfung ferner auf der Grundlage der Ausweichklausel in Art 41 korrigiert werden. Danach werden außervertragliche Ansprüche an das Recht der ›engsten Verbindung‹ angeknüpft. Eine solche engere Verbindung kann sich insb aus einer bereits bestehenden rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten (Art 41 II Nr 1) oder aus einem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in demselben Staat im Zeitpunkt der Besorgung des fremden Geschäfts (Art 41 II Nr 2) ergeben. Verdrängt wird Art 39 darüber hinaus durch staatsvertragliche Regelungen (Art 3 II). Für eine GoA, gerichtet auf Hilfeleistungen bei der Bergung in See- und Binnengewässern, ist das Internationale Übereinkommen über Bergung (IÜB) vorrangig. Danach wird eine Vergütung für die Bergung bei Erfolg oder der Abwendung bzw Begrenzung drohender Umweltschäden gewährt. Auf hoher See ist regelmäßig das Heimatrecht des hilfsbedürftigen Schiffes berufen (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 18; Bestimmung durch den Heimathafen, ersatzweise durch die Flagge). Für den Erstattungsanspruch gegen einen Unterhaltsschuldner ist die ggü Art 39 II vorrangige Anknüpfung in Art 18 VI Nr 3 zu beachten.

B. Geschäftsführung ohne Auftrag.

 

Rn 4

Das IPR der GoA spielt in der Rechtspraxis nur eine untergeordnete Rolle. Rspr ist verglichen mit anderen gesetzlichen Ausgleichsregeln in weit geringerem Umfang vorhanden. Die kollisionsrechtliche Qualifikation der GoA iSd Art 39 erfolgt im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen nach der lex fori (MüKo/Junker Art 39 EGBGB Rz 2). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der kollisionsrechtliche und der materiell-rechtliche Begriff der GoA nicht identisch sind. Zwingende Voraussetzung für das kollisionsrechtliche Verständnis der GoA ist neben der Kenntnis von der Fremdheit des Geschäfts der Wille zur Fremdgeschäftsführung. Daher fallen die irrtümliche oder vermeintliche GoA (§ 687 I BGB) sowie die Geschäftsanmaßung (§ 687 II BGB) nicht in den Anwendungsbereich des Art 39, sondern des Art 40. Nicht zum Regelungsbereich des Art 39 zählen auch die Fallgruppen der öffentlich-rechtlichen GoA (dazu § 677 BGB Rn 26 ff).

I. Grundregel.

 

Rn 5

Falls keine nachträgliche Rechtswahl getroffen wurde (Art 42) und andere vorrangige Regelungen ebenfalls nicht eingreifen (Rn 3), un...

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