Gesetzestext

 

(1) Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf:

1. die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, sowie für den beruflichen Aufstieg,
2. die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen, insbesondere in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie beim beruflichen Aufstieg,
3. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowie der praktischen Berufserfahrung,
4. die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Beschäftigten- oder Arbeitgebervereinigung oder einer Vereinigung, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Vereinigungen,
5. den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6. die sozialen Vergünstigungen,
7. die Bildung,
8. den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum.

(2) 1Für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch gelten § 33c des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und § 19a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. 2Für die betriebliche Altersvorsorge gilt das Betriebsrentengesetz.

(3) 1Die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung wird durch dieses Gesetz nicht berührt. 2Dies gilt auch für öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz bestimmter Personengruppen dienen.

(4) Für Kündigungen gelten ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz.

A. Einordnung und Zweck.

 

Rn 1

Zur Regelung des Anwendungsbereiches gibt I in Nr 1–4 weitgehend Art 3 I lit a-d RL 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG (vgl Einl AGG Rn 1) wieder und in Nr 5–8 wörtlich Art 3 I lit e–h RL 2000/43/EG. II, III u IV enthalten Vorbehalte hinsichtlich anderer Gesetze.

 

Rn 2

I regelt mögliche Benachteiligungsgegenstände nach AGG abschließend, soweit nicht das AGG selbst, (§ 3 III, IV) weitergehende Regelungen enthält. II enthält die Bereichseinschränkung für Leistungen nach dem SGB und betriebliche Altersversorgung, IV für Kündigungen. III regelt klarstellend einen Vorbehalt für andere gesetzliche Benachteiligungsverbote.

B. Benachteiligungsgegenstände, Abs 1.

 

Rn 3

Nach Nr 1 ist geschützt Zugang und Aufstieg, nach Nr 2 Durchführung und Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Nr 2 gilt nicht für selbstständige Erwerbstätigkeit oder Organmitglieder (§ 6 III; § 6 Rn 6). Das Verbot gilt jeweils von Anbahnung bis Beendigung des Vertragsverhältnisses (Grüneberg/Ellenberger § 2 Rz 11).

 

Rn 4

Nr 1 schützt Zugang zur und Aufstieg innerhalb selbstständiger wie unselbstständiger Erwerbstätigkeit. Selbstständige Erwerbstätigkeit zielt auf freie Mitarbeiter, nicht auf selbstständige Berater im Einzelfall (Budde BB 07, 733) oder gesellschaftsrechtliche Rechtsverhältnisse, sofern nicht die gesellschaftsrechtliche Beteiligung die einzigmögliche Form der Erwerbstätigkeit ist (BKG § 2 Rz 16; Schroeder/Diller NZG 06, 728 f; aA HK/Däubler § 2 Rz 6, 31); es muss kein eigenständiger Beruf sein (BVerwG NZA-RR 11, 233 [BVerwG 26.01.2011 - BVerwG 8 C 46.09]). Erfasst sind auch Bewerbungsverfahren, -kriterien und -auswahl, Einstellung und Beförderung. Neutral ggü Merkmalen des § 1 müssen auch Personalfragebögen (§ 94 BetrVG) und Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) sowie Stellenanzeigen oder -ausschreibungen (§ 11) sein. Bewerber ist nicht mehr nur, wer objektiv für die Position geeignet ist und sich subjektiv ernsthaft bewirbt, vielmehr reicht die Einreichung der Bewerbung aus (›formaler Bewerberbegriff‹) (§ 3 Rn 8; BAG NZA 17, 310, 43 [BAG 11.08.2016 - 8 AZR 4/15]; 16, 1394 [BAG 19.05.2016 - 8 AZR 470/14]; Schlewing RdA 19, 257). Die Bewerbung kann aber missbräuchlich sein (BAG aaO).

 

Rn 5

Übertragung von Personalmaßnahmen auf Externe befreit den ArbG nicht von seiner Haftung (BVerfG NJW 07, 137 [BVerfG 21.09.2006 - 1 BvR 308/03]; BAG NZA 18, 22; BB 14, 1534 [BAG 23.01.2014 - 8 AZR 118/13]). Im Bewerbungsverfahren sollten möglichst keine Fragen nach Merkmalen gem § 1 gestellt werden, im Auswahlverfahren sollte die Entscheidung unabhängig von diesen getroffen sowie zeitnah dokumentiert werden (Einzelheiten und Formulierungsvorschläge bei BLDH/Lingemann Kap 1 Rz 3 ff M 1.3.1 ff). Ggü aufgedrängter Offenlegung von Merkmalen nach § 1 (›Outing‹) kann der ArbG nur die Unerheblichkeit der Tatsache erklären.

 

Rn 6

Sofern keine Rechtfertigung nach §§ 5, 8–10 greift, gilt für die Praxis zur Vermeidung von Indizien für Benachteiligung (§ 22, insb Rn 5) aufgrund (1.) Rasse/ethnischer Herkunft: keine Anforderung von Lichtbildern, muttersprachlichen Deutschkenntnissen (BAG NZA 18, 22); (2.) Geschlech...

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