Gesetzestext

 

(1) Das Eigentum an einem Grundstück kann dadurch aufgegeben werden, dass der Eigentümer den Verzicht dem Grundbuchamt gegenüber erklärt und der Verzicht in das Grundbuch eingetragen wird.

(2) 1Das Recht zur Aneignung des aufgegebenen Grundstücks steht dem Fiskus des Landes zu, in dem das Grundstück liegt. 2Der Fiskus erwirbt das Eigentum dadurch, dass er sich als Eigentümer in das Grundbuch eintragen lässt.

A. Eigentum.

 

Rn 1

Die Eigentumsaufgabe (Dereliktion) ist möglich bei Eigentum an Grundstücken im Rechtssinne oder an realen Grundstücksteilen (Grüneberg/Herrler Rz 1) sowie bei Gesamthandseigentum, nicht aber bei einzelnen Miteigentumsanteilen (hM BGH ZNotP 07, 341; BGHZ 115, 1; Soergel/Stürner Rz 1; aA Ddorf RNotZ 07, 102; MüKo/Ruhwinkel Rz 2), Wohnungs- und Teileigentum (BGH ZNotP 07, 341; BayObLG NJW 91, 1962; aA MüKo/Ruhwinkel Rz 4) und beim Erbbaurecht (§§ 11 I 1, 26 ErbbauRG) sowie Gebäudeeigentum (Art 233 § 4 I 1 EGBGB). Sondervorschriften gelten für Grundstücke im Zusammenhang mit der Abwicklung der Bodenreform nach Art 233 § 15 EGBGB. Bei Bruchteils- oder Gesamthandseigentum ist ein Verzicht aller Eigentümer erforderlich.

B. Eigentumsaufgabe.

 

Rn 2

Die Aufgabe erfordert Verzichtserklärung und Eintragung in das Grundbuch.

I. Verzicht.

 

Rn 3

Die Verzichtserklärung ist eine bedingungs- und befristungsfeindliche (vgl § 925 II), einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Grundbuchamt wirksam wird (BGHZ 115, 1). Sie ist materiell-rechtlich formfrei, bedarf für den Grundbuchvollzug der Form des § 29 GBO (Bay-ObLG Rpfleger 83, 308). Der Verzicht ist mit Eingang beim Grundbuchamt nach § 130 I, III unwiderruflich (RGZ 82, 74), aber der Eintragungsantrag kann bis zur Eintragung zurückgenommen werden (KGJ 48, 256; MüKo/Ruhwinkel Rz 6). § 878 gilt entspr (Erman/Lorenz Rz 3). Die Verzichtserklärung muss von allen im Grundbuch als Eigentümer Eingetragenen abgegeben werden. Eine Aufgabe ist auch möglich, wenn der Eigentümer sich lediglich von öffentlich-rechtlichen Pflichten (Altlastensanierung, Abgaben und Steuern) befreien will (BayObLG Rpfleger 83, 308; Soergel/Stürner Rz 1), die jedoch fortbestehen können (Staud/Pfeifer Rz 33). Der Verzicht einer Gemeinde kann nach § 134 unwirksam sein (BayObLG Rpfleger 83, 308).

II. Eintragung.

 

Rn 4

Die Dereliktion wird erst wirksam mit Eintragung in das Grundbuch. Neben dem formlosen Eintragungsantrag (§ 13 GBO) ist auch eine Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) des Eigentümers erforderlich (str), die idR in der Verzichtserklärung in der Form des § 29 GBO enthalten ist (BayObLG Rpfleger 83, 308).

III. Wirkung.

 

Rn 5

Mit der Aufgabe wird das Grundstück herrenlos und der alte Eigentümer verliert sein Besitzrecht. Zubehör wird nur nach § 959 herrenlos. Sämtliche Grundstücksrechte bleiben bestehen, auch soweit sie dem alten Eigentümer zustehen (RGZ 82, 74; Staud/Pfeifer Rz 27). Eine Grundschuld kann ohne Zustimmung des alten Eigentümers gelöscht werden, da mangels Eigentümers kein Eigentümergrundpfandrecht besteht (BGH ZNotP 13, 181; aA MüKo/Ruhwinkel Rz 11, str). Dingliche Belastungen können gegen den alten Eigentümer nicht mehr geltend gemacht werden (RGZ 89, 367) und es erlischt auch die persönliche Haftung aus § 1108 (MüKo/Ruhwinkel Rz 11). Davon unberührt bleiben übernommene persönliche Verpflichtungen, wie zB die Haftung für eine Hypothekenforderung. Bei der Zahlung auf eine Hypothekenforderung durch den alten Eigentümer als persönlicher Schuldner gilt § 1164 und bei der Zahlung durch den neuen Eigentümer gilt § 1163, nicht jedoch § 1143 (Staud/Pfeifer Rz 28; Soergel/Stürner Rz 2; aA MüKo/Ruhwinkel Rz 11). Zur Durchsetzung von Belastungen gegen den – nicht existenten – Eigentümer, muss gem §§ 58, 787 ZPO ein gesetzlicher Vertreter (nicht Partei kraft Amtes, München MDR 72, 155 [OLG München 07.10.1971 - 11 W 1536/71], str) des künftigen Eigentümers bestellt werden. § 1882 ist unanwendbar (KGJ 50, 53, str).

C. Aneignung.

 

Rn 6

Das Bundesland, in dem das Grundstück liegt, hat ein Aneignungsrecht (vgl aber Art 129, 190 EGBGB). Das Recht ist in der Form des § 925 abtretbar (Staud/Pfeifer Rz 20), ein sonstiges Recht iSd § 823 I (Schlesw NJW 94, 949) und wird durch Beschädigung des herrenlosen Grundstücks verletzt (Grüneberg/Herrler Rz 4). Die §§ 987 ff gelten jedoch nicht (Schlesw NJW 94, 949 [OLG Schleswig 25.08.1993 - 4 U 157/92]; aA MüKo/Ruhwinkel Rz 13). Verzichtet das Bundesland auf das Aneignungsrecht, kann sich jeder Dritte das Grundstück ohne weiteres aneignen (BGHZ 108, 278). Der Verzicht ist eintragungsfähig, muss zur Wirksamkeit aber nicht eingetragen werden (LG Hamburg NJW 66, 1715; Erman/Lorenz Rz 11, str). Die Erklärung bedarf wie die Verzichtserklärung nur zum Grundbuchvollzug der Form des § 29 GBO (Staud/Pfeifer Rz 22). Der Aneignungsberechtigte erwirbt das Eigentum erst mit Eintragung in das Grundbuch, und zwar originär, so dass §§ 892 f nicht anwendbar sind (RGZ 82, 74). § 566 gilt entspr (RGZ 103, 168).

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