Rn 1

Die Einrede der Vorausklage aus § 771 ist – wie auch § 770 II – Ausdruck der Subsidiarität der Bürgschaftsverbindlichkeit (Vor § 765 Rn 12). Die ergänzenden Regelungen in §§ 772 und 773 beschränken die Anforderungen an die vorrangige Inanspruchnahme des Hauptschuldners.

 

Rn 2

Der Begriff der ›Einrede der Vorausklage‹ ist irreführend, da die Klage gegen den Hauptschuldner weder erforderlich noch ausreichend ist (so treffend Staud/Stürner § 771 Rz 7; MüKoBGB/Habersack § 771 Rz 1). Notwendig ist ein erfolgloser Vollstreckungsversuch gegen den Hauptschuldner (§ 772). Die Erhebung einer (Voraus-)Klage kann in diesem Zusammenhang notwendig sein, um einen Titel als Grundlage für die Vollstreckung zu erwirken. Die erst 2002 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführte Regelung in § 771 2 soll die Verjährung der Bürgschaftsforderung während des Zwangsvollstreckungsversuches vermeiden (BTDrs 14/7052, 206).

 

Rn 3

Die Regelung wird in der wirtschaftsrechtlichen Praxis meist abbedungen (auch durch AGB zulässig, Köln WM 19, 1637 f): Das BGB sieht die selbstschuldnerische Bürgschaft in § 773 I Nr 1 ausdrücklich vor, s Vor § 765 Rn 30 u § 773 Rn 4. Häufig ordnet das Gesetz selbst die selbstschuldnerische Bürgschaft an (s § 773 Rn 2 f zur Tragweite solcher Regelungen); so in: (1.) §§ 232 II, 239 II für die Sicherheitsleistung durch Bürgen, (2.) §§ 566 II 1, 578 für die Haftung des Wohnraum oder ein Grundstück veräußernden Vermieters als Bürge, (3.) § 773 I Nr 2–4 für Vollstreckungsschwierigkeiten ggü dem Hauptschuldner (inkl Insolvenz), (4.) § 1251 II für die Haftung des Pfandgläubigers als Bürge beim Pfandrechtsübergangs, (5.) § 349 HGB für den kaufmännischen Verkehr, (6.) § 2 II 3 MaBV für Bauträgerbürgschaften (s § 765 Rn 87), (7.) § 257 II InsO für bestimmte Verpflichtungen eines Dritten für die Erfüllung eines Insolvenzplans, (8.) § 28e II 1 SGB IV für die Haftung des Entleihers von Arbeitnehmern für Sozialversicherungsbeiträge, dazu BGH NJW 05, 884, 886 [BGH 02.12.2004 - IX ZR 200/03], (9.) § 36 II 2 VerlG für die Haftung der Insolvenzmasse eines Verlegers bei der Übertragung von Verlagsrechten. In diesen Fällen ist eine Einschränkung der selbstschuldnerischen Verpflichtung jedenfalls durch AGB unzulässig (BGHZ 169, 1, 15 f zum Erfordernis eines vorherigen Urteils gegen oder Vergleichs mit dem Hauptschuldner).

 

Rn 4

§ 771 ist nicht entspr anwendbar auf die Wechselverpflichtung (BGHZ 45, 210, 212), den Garantievertrag (MüKoBGB/Habersack § 771 Rz 2) sowie den Schuldbeitritt (Staud/Stürner Vorbem zu § 765 Rz 396).

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