Rn 17

Bei Vorliegen von Abschlussmängeln des Gesellschaftsvertrages hat die Rspr zum Schutz des Rechtsverkehrs sowie aufgrund der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung derart komplexer Rechtsbeziehungen besondere Regeln aufgestellt. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft hält entgegen den allgemeinen Grundsätzen das Fortbestehen der Gesellschaft trotz Unwirksamkeit des Vertrages aufrecht, verbunden mit der Option der Gesellschafter, diese für die Zukunft zu beenden. Dogmatisch ist die Fehlerhaftigkeit des Vertrags ein Auflösungsgrund, der analog § 723 zur Kündigung der Gesellschaft mit der Folge Auflösung und ggf Ausscheiden berechtigt. Für die Vergangenheit ist die GbR im Außenverhältnis sowie zwischen den Gesellschaftern untereinander wirksam. Rechte und Pflichten der Gesellschafter (Rn 21 ff) bleiben unberührt und richten sich nach dem Gesellschaftsvertrag der fehlerhaften Gesellschaft. Ausnahmen von diesen Grundsätzen sind dann zu machen, wenn ein weiteres Bestehen der Gesellschaft gegen höherrangige Interessen der Allgemeinheit oder Einzelner verstoßen würde. Dies wird insb bei gesetzes- bzw sittenwidrigen Gesellschaftszwecken der Fall sein, so zB bei Verstoß gegen das GWB oder RBerG, ist aber auch dann zu erwägen, wenn der Beitritt eines Gesellschafters aufgrund einer nichtigen Vollmacht erfolgt ist (Gehrlein WM 05, 1489; BGH ZIP 05, 753 und ZIP 05, 759 für den Fall der stillen Gesellschaft). Die Rückabwicklung erfolgt in diesen Fällen im Innenverhältnis nach Kondiktionsrecht. Im Außenverhältnis haften die Gesellschafter gutgläubigen Dritten nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung. Bei geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Gesellschaftern, insb Minderjährigen, findet nach hM die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft keine Anwendung, weil ihre Schutzwürdigkeit höher gewertet wird. Ihre Beitrittserklärungen sind nichtig (§ 105 I) bzw schwebend unwirksam (§ 108 I) (Soergel/Hadding/Kießling § 705 Rz 82 mwN; MüKo/Schäfer § 705 Rz 346). Es gelten die allgemeinen Regeln über die Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger. Die erbrachten Einlagen können aufgrund der Unwirksamkeit der Beitrittserklärung kondiziert werden. Eine Beteiligung am Verlustvortrag der Gesellschaft scheidet wegen des vorrangigen Minderjährigenschutzes aus. Gleiches muss auch für die Gewinnbeteiligung gelten, da Ratio der §§ 104 ff der Schutz des Minderjährigen vor nachteiligen Rechtsgeschäften in ihrer Gesamtheit ist (str, wie hier MüKo/Schäfer § 705 Rz 348). Anderes kann nur für unmittelbar mittels der Einlage des Geschäftsunfähigen erzielten Gewinn gelten, §§ 818 I, 987 ff. Eine Außenhaftung des Minderjährigen nach Rechtsscheinsgrundsätzen wegen in Anspruch genommenen Vertrauens scheitert an seiner überwiegenden Schutzwürdigkeit. Keinen Einschränkungen unterliegt die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft dagegen bei nach § 123 durch Täuschung oder Drohung erzwungenen Beitritten. Eine Gleichstellung dieser Konstellationen mit dem Beitritt Minderjähriger wurde von der Rspr erwogen (BGHZ 55, 5, 9), jedoch im Ergebnis abgelehnt. Gleiches gilt im Ergebnis sowohl bei der sittenwidrigen Ausnutzung eines Gesellschafters, bei Widerrufsansprüchen nach §§ 312, 355 sowie bei der Beteiligung eines Ehegatten mit seinem gesamten Vermögen iSd § 1365. In all diesen Fällen bestehen mit den allgemeinen Regeln bereits ausreichende Mittel, um diesen Situationen Rechnung zu tragen.

 

Rn 18

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft sind das Vorliegen eines Gesellschaftsvertrages, der in seiner Gesamtheit unwirksam ist und bereits vollzogen wurde: 1) Es müssen tatsächliche auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete (zwar ggf nichtige oder anfechtbare) Willenserklärungen abgegeben worden sein. Fehlt es an einem derartigen rechtsgeschäftlichen Willen und Handeln der Gesellschafter, liegt nur eine auf tatsächlicher Grundlage beruhende Gemeinschaft zwischen den Beteiligten vor. Diese folgt den Regeln des Gemeinschaftsrechtes. 2) Der Vertrag muss in seiner Gesamtheit nichtig sein. Eine Unwirksamkeit einzelner Teile ist nicht ausreichend. Dieser Mangel darf auch nicht nachträglich entfallen sein, etwa durch Vollzug oder Genehmigung. Auf den Gesellschaftsvertrag finden die allg Unwirksamkeitsgründe der §§ 104 ff, 119 ff, 142, 125, 155, 181 grds Anwendung. Nichtigkeit nach den §§ 134, 138 liegt nur dann vor, wenn der Gesellschaftszweck selbst verboten bzw sittenwidrig ist. Bei Fehlerhaftigkeit einzelner Vertragsbestandteile hängt die Wirksamkeit des Vertrages von der Auslegung im Einzelfall ab, § 139. Regelmäßig wird der übrige Vertrag aufgrund des überwiegenden Interesses der Gesellschafter an der Fortführung des Gesellschaft ggü dem fehlerhaften Vertragsteil wirksam sein. Gleiches wird bei Vorhandensein einer salvatorischen Klausel gelten. 3) Die Gesellschaft muss in Vollzug gesetzt worden sein. Danach ist entscheidend, ob es bereits zur Durchführung des Vertragsverhältnisses ...

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