Rn 5

Die Vorschrift räumt dem Darlehensnehmer eines Verbraucherdarlehensvertrags (§ 491) ein rücktrittsähnliches (BGHZ 189, 196 Rz 28) Widerrufsrecht nach § 355 (Gestaltungsrecht) ein. Danach kann der Darlehensnehmer, bei mehreren dem Schutzzweck entsprechend jeder einzeln (BGH WM 16, 2295 Rz 13; ZIP 20, 1455 Rz 9 [zum Schuldbeitritt]; Hamm WM 16, 116, 122; Bülow/Artz § 491 Rz 28; Knops/Martens WM 15, 2025 f; aA Karlsr WM 16, 1036 f; Staud/Kaiser § 355 Rz 43), seine Darlehensvertragserklärung binnen einer Frist von 14 Tagen widerrufen (§ 355 I 1, II; Rn 14) o durch einen Bevollmächtigten widerrufen lassen. Nichtigkeit sowie vorherige Kündigung o Aufhebung des Darlehensvertrages lässt das Widerrufsrecht nicht entfallen (BGH BKR 17, 373 Rz 13; WM 16, 2295 Rz 28; NJW 13, 3776 Rz 24 für Versicherungsvertrag; OLG Hamm ZIP 15, 1113 f; 117; Rehmke/Tiffe VuR 14, 135, 140; aA Ddorf BKR 12, 240 m abl Anm Schewe; Ddorf WM 15, 718, 721 m abl Anm Knops/Martens WuB 15, 307, 309 f; LG Siegen ZIP 15, 116, 117). Das Widerrufsrecht als vertragsbezogenes Gestaltungsrecht kann vom Darlehensnehmer wirksam nur zugleich mit den aufschiebend bedingten Rückgewähransprüchen übertragen werden (BGH WM 18, 2128 Rz 26 ff; Bülow/Artz § 491 Rz 71a; Nobbe/Maihold, § 355 BGB Rz 20 f).

 

Rn 6

Bei einer bloßen Konditionenanpassung nach Auslaufen der Zinsbindungsfrist bei unechter Abschnittsfinanzierung besteht – anders als bei echter Abschnittsfinanzierung – mangels eines neuen Kapitalnutzungsrechts kein Widerrufsrecht (BGH WM 20, 80 Rz 17; 19, 2346, Rz 19; 19, 251 Rz 2; 18, 664 Rz 19 f; 16, 1727; NJOZ 2014, 493 Rz 19 ff; WM 13, 1314 Rz 21 f, 30; KG ZIP 15, 2067); es besteht auch kein Widerrufsrecht nach § 312g I, wenn die Konditionenanpassung unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln erfolgt (BGH WM 19, 251 Rz 2 f [zu § 312b IV 1 idF bis 22.2.11]; dazu Riesner WM 19, 1433; jetzt auch EuGH C-639/18 – Sparkasse Südholstein, ZIP 20, 1296 = ECLI:EU:C:2020:477 für den Fall, dass nur der Zinssatz geändert wird und der Vertrag eine solche Änderungsvereinbarung oder – falls eine solche nicht zustande kommt – die Anwendung eines variablen Zinssatzes vorsieht; ausf dazu Schultheiß BKR 20, 404 ff). Der Widerruf einer Prolongationsvereinbarung vernichtet nur diese, nicht den gesamten Darlehensvertrag (BGH WM 13, 1314 Rz 25 ff; LG Nürnbg-Fürth BKR 15, 422, 424; vgl auch BGH WM 21, 1315 zum Widerruf bei verbundenem Vertrag). Eine erteilte Vollmacht kann nicht nach I, sondern nur nach § 168 widerrufen werden.

 

Rn 7

Die Widerrufsfrist beginnt mit Vertragsschluss (§ 355 II 2), jedoch nicht bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers o eine Abschrift der Vertragsurkunde o seines Antrags zur Verfügung gestellt hat (§ 356b I; Rn 2). Aushändigung einer nicht unterzeichneten Abschrift an einen Beauftragten genügt (Frankf BKR 13, 243, 244). Der Beginn der Widerrufsfrist ist nach § 356b II 1 (Rn 5) außerdem davon abhängig, dass die Schriftform des Vertrages nach § 492 I gewahrt ist u die vorgenannten Urkunden alle Pflichtangaben nach § 492 II (Rn 10 ff), insbesondere die erforderliche Widerrufsinformation, enthalten. Fehlt es daran, ist der Vertrag nach § 494 I nichtig, wird aber gem § 494 II–VI geheilt. Das bedeutet indes nicht, dass die Widerrufsfrist mit der Heilung zu laufen beginnt. Das ist erst der Fall, wenn alle nach § 492 II erforderlichen Pflichtangaben – ab 13.6.14 auf einem dauerhaften Datenträger, vorher in Textform (§ 492 V) – nachgeholt werden (§ 492 VI). Im Falle der Nachholung beträgt die Widerrufsfrist nicht 14 Tage, sondern einen Monat (§ 356b II 3). Führt die Heilung nach § 494 II–VI zu einer Änderung des Vertragsinhalts, beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn der Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrages erhalten hat, in der die Vertragsänderungen berücksichtigt sind (§ 356b III, § 494 VII; München NJW 12, 3584, 3586 [OLG München 04.06.2012 - 19 U 771/12]).

 

Rn 8

Bei Rahmenkredit- u bei Krediteröffnungsverträgen hat die Widerrufsinformation bei Abschluss des Grundgeschäfts zu erfolgen; denn allein dieses kann vom Verbraucher widerrufen werden. Auf die nachfolgenden Ausführungsgeschäfte bzw die jeweiligen konkreten Kreditschöpfungen erstreckt sich das Widerrufsrecht nicht (aA Metz NJW 91, 2804, 2812).

 

Rn 9

Gibt der Unternehmer (nachträglich) eine Widerrufsinformation, obwohl dies vom Gesetz nicht verlangt wird, kann die Zubilligung eines vertraglichen Widerrufsrechts vorliegen (BGH NJW 82, 2313; Schlesw MDR 14, 451, 451). Dies ist Auslegungsfrage (BGH WM 16, 968 Rz 37; 13, 1314 Rz 33; 12, 1620 Rz 14; NJW 12, 1066 Rz 20 ff; Schlesw 17, 2094, 2095), kommt bei einer Widerrufsbelehrung an einen Drittsicherungsgeber in Betracht (Nürnbg WM 12, 650, 651), nicht aber bei (nachträglicher) Erteilung einer Widerrufsinformation aus Unsicherheit (Nürnbg WM 11, 114, 115; München WM 03, 1324, 1326) o im Zusammenhang mit der Aufstockung des Darlehens (BGH WM...

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