Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Verbraucherdarlehensvertrag wahrt die Unterschrift des Darlehensneh-mers auf einem elektronischen Schreibtablett nicht die Schriftform nach §§ 492 Abs. 1 S. 1, 126 BGB.

2. Angesichts des eindeutigen Willens des Gesetzgebers bei der Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie und der Änderung des § 492 im Jahr 2009 ist in einem solchen Fall auch eine entsprechende Anwendung der §§ 126, 126a BGB ausgeschlossen.

3. Bei einer Heilung der Formnichtigkeit nach § 494 Abs. 2 S. 1 BGB durch Empfang des Darlehens beginnt die Widerrufsfrist für den Darlehensnehmer erst zu laufen, wenn er eine Abschrift des Darlehensvertrages mit den geänderten Bedingungen (§ 494 Abs. 2 bis 6 BGB) erhalten hat.

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.01.2012; Aktenzeichen 22 O 14798/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG München I vom 13.1.2012 aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 11.3.2011 geschlossene Verbraucherdarlehensvertrag, Vertragsnr. xxx, durch die Erklärung des Klägers vom 28.3.2011 wirksam widerrufen wurde.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger (eine Privatperson) begehrt die Feststellung, dass ein von ihm mit der Beklagten (einer Bank) geschlossener Verbraucherdarlehensvertrag mangels Einhaltung der Schriftform nichtig ist, hilfsweise, dass er diesen wirksam widerrufen hat.

Der Kläger erwarb am 11.3.2011 ein Fernsehgerät im Wert von 5.095 EUR, zu dessen Finanzierung er ein Darlehen bei der Beklagten aufnahm. Hierzu unterzeichnete er am selben Tag auf einem elektronischen Schreibtablett ein ihm auf diesem vorgelegtes und in seinem gesamten Inhalt sichtbares Darlehensvertragsformular der Beklagten, welches eine den Vorgaben der §§ 355, 358 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung enthält. Im Anschluss daran wurde das Vertragsformular mit der Unterschrift des Klägers ausgedruckt und dem Kläger eine Ausfertigung hiervon überlassen (Anlage K 1). Eine Unterschrift von Verantwortlichen der Beklagten ist auf dem Ausdruck nicht enthalten. Das Fernsehgerät wurde an den Kläger ausgeliefert.

Mit einer der Beklagten am gleichen Tag zugegangenen Erklärung vom 28.03. 2011 widerrief der Kläger den Kreditvertrag (Anlage K 2).

Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils wird im Übrigen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der streitgegenständliche Vertrag der Schriftform für Verbraucherdarlehensverträge genüge. Wie etwa auch eine Schiefertafel sei das Schreibtablett grundsätzlich geeignet, die darauf enthaltenen Schriftzeichen dauerhaft festzuhalten. Auf diesem habe der Kläger auch eigenhändig unterschrieben. Der Verbraucher werde ebenso aufgeklärt und gewarnt wie es bei der Papierform der Fall sei. Der Widerruf sei verspätet erfolgt, da die 14-tägige Frist bereits mit Aushändigung der Ausfertigung am 11.3.2011 zu laufen begonnen habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der seine erstinstanzlichen Anträge weiter verfolgt. Er ist weiterhin der Auffassung, dass der Vertrag formnichtig ist, weil seine Erklärung und seine Unterschrift (anders als bei einer Schiefertafel) nicht hinreichend verkörpert seien und er den Ausdruck nicht unterschrieben habe. Sollte wegen der Auszahlung des Darlehens eine Heilung dieses Mangels eingetreten sein, sei der Widerruf jedenfalls rechtzeitig erfolgt, weil die Frist wegen § 494 Abs. 7 BGB nicht zu laufen begonnen habe.

Der Kläger beantragt daher, das Urteil des LG München I vom 13.1.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 11.3.2011 geschlossene Verbraucherdarlehensvertrag, Vertragsnr. xxx, mangels Einhaltung der Schriftform nichtig ist, hilfsweise dass er durch Erklä- rung des Klägers vom 28.3.2011 wirksam widerrufen wurde.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie meint weiterhin, dass der Vertrag der gesetzlichen Form des § 126 BGB entspricht, zumindest sei eine Analogie zu § 126a BGB geboten, weil den Formzwecken in beiden Fällen gleichermaßen genügt sei.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4.6.2012 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Berufung des Klägers ist weitgehend begründet. Zwar war die ursprüngliche Formnichtigkeit des Darlehensvertrages nach Darlehensauszahlung geheilt, so dass das LG den Hauptantrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Allerdings ist der Widerruf des Klägers rechtzeitig erfolgt, so dass das landgerichtliche Urteil aufzuheben und der Klage unter Abweisung im Übrigen im Hilfsantrag stattzugeben war.

1. Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet, weil die ursprüngliche Formnichtigkeit geheilt worden ist.

a) Die Unterzeichnung des Verbraucherdarlehensvertrages a...

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