1. Gesetzliche Vermutung.

 

Rn 5

Ist deutsches Recht Vertragsstatut (und insoweit nicht durch fremdes Prozessrecht verdrängt, vgl oben Rn 1), können zB die folgenden Rechtszustandsvermutungen greifen: (1) die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung für die vollständige und richtige Wiedergabe der getroffenen Vereinbarung in der Vertragsurkunde (s § 133 BGB Rn 50); (2) die Vermutung der Begründetheit eines Garantieanspruchs bei Sachmängeln, die während einer vertraglich übernommenen Haltbarkeitsgarantie auftreten (§ 443 II BGB); (3) die Vermutung der Mangelhaftigkeit der Sache bei Gefahrübergang, wenn ein Sachmangel binnen sechs Monaten ab Gefahrübergang auftritt (§ 476 BGB); (4) bei Teilnichtigkeit eines Vertrages, der keine salvatorische Klausel enthält, die Vermutung der Gesamtnichtigkeit (str, s § 139 BGB Rn 1, Rn 4).

 

Rn 6

Wegen ihrer funktionalen Nähe zur Rechtszustandsvermutung und zur Beweislast sind auch Anscheinsbeweissätze zu typischen Geschehensabläufen als ›gesetzliche‹ Vermutung iSv I – oder als Beweislastregel (s.o. Rn 2) – zu werten (s das Vor §§ 249–255 BGB Rn 6 gegebene Beispiel für einen Transportschaden von Schaltkästen beim Sturz der Kiste, in der sie verpackt sind), vertiefend MüKoIPR/Spellenberg Art 18 Rz 25 f. Für den zur Parallelnorm in ex Art 32 III 1 EGBGB (s www.pww-oe.de) geführten Streit über die Einordnung des Anscheinsbeweises dürfte aufgrund der nunmehr gebotenen weiten Begriffsbildung (s.o. Rn 3) kein Raum mehr bleiben. Das Vertragsstatut bestimmt ferner, ob gesetzliche Fiktionen (zB § 212 III BGB) greifen (Staud/Magnus Art 18 Rz 19).

2. Beweislast.

 

Rn 7

Bei deutschem Vertragsstatut sind – jedenfalls bei einem Verfahren in der EU – deutsche Regeln zur Beweislast und zur Beweislastumkehr (s zB § 280 BGB Rn 2526) anzuwenden. Zur Beweislast gehört auch ihr Ausmaß: die Entscheidung darüber, ob (1) Schadensersatz nach billigem oder freiem Ermessen gewährt werden kann, oder (2) Pauschalierungen die Beweislast abmildern (vgl MüKoIPR/Spellenberg Art 12 Rz 95) in Abgrenzung zur Schadensermittlung nach §§ 286, 287 ZPO: s.u. Rn 9). Sind Schadenspauschalierungen deutlich zu hoch, greift der ordre public-Vorbehalt aus Art 6 EGBGB (s Vor ROM I Rn 18; Art 6 EGBGB Rn 20).

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