Gesetzestext

 

1Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. 2Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Hat der Gläubiger erklärt, die Leistung nicht anzunehmen oder muss er an der Leistung mitwirken, ist die tatsächliche Andienung des Leistungsgegenstandes nicht erforderlich; es reicht ein wörtliches Angebot (BRHP/Lorenz § 295 Rz 1; MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 1). Das wörtliche Angebot dokumentiert die Leistungsbereitschaft des Schuldners ggü dem Gläubiger in hinreichender Art und Weise. Hinter dieser Ausnahmeregel steht der Gedanke, dass dem Schuldner ein tatsächliches Angebot nur dann zuzumuten ist, wenn er nach den Umständen davon ausgehen kann, dass seine Leistung auch angenommen wird. Dies ist aber nicht der Fall, wenn der Gläubiger die Annahme der Leistung bereits abgelehnt hat und zu ungewiss, wenn es seiner Mitwirkung bedarf (Staud/Feldmann § 295 Rz 1).

 

Rn 2

Voraussetzung ist freilich auch iRd § 295, dass der Schuldner zur Leistung bereit und im Stande ist (BGH NJW 03, 1601 [BGH 19.12.2002 - VII ZR 440/01]; BAG NJW 75, 1336 [BAG 18.12.1974 - 5 AZR 66/74]). Bei Gattungsschulden ist allerdings eine vorherige Aussonderung nicht erforderlich (BGH WM 75, 920; Grüneberg/Grüneberg § 295 Rz 3; Staud/Feldmann § 295 Rz 19). Ohne Aussonderung geht allerdings die Gefahr nicht auf den Gläubiger über (§ 300 Rn 7).

 

Rn 3

Anders als das tatsächliche Angebot (vgl § 294 Rn 2) ist das wörtliche Angebot eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Huber Leistungsstörungen I § 9 I 2), auf die die §§ 130 ff Anwendung finden (Grüneberg/Grüneberg § 295 Rz 1; Erman/Hager § 295 Rz 2; MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 2; BRHP/Lorenz § 295 Rz 6). Das Angebot bedarf keiner Form, kann daher ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Es ist auch in einem Klageantrag Zug-um-Zug enthalten (Niemeyer/König NJW 13, 3215).

 

Rn 4

Das wörtliche Angebot kann grds nur vom Schuldner selbst abgegeben werden. Ein Dritter ist dazu nur unter den Voraussetzungen der §§ 268, 1150, 1249 befugt (RGZ 83, 393; BRHP/Lorenz § 295 Rz 7; Staud/Feldmann § 295 Rz 28; Soergel/Schubel § 295 Rz 3; MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 3).

B. Voraussetzungen.

I. Ablehnung der Annahme (1 Fall 1).

 

Rn 5

Der Gläubiger muss nach § 295 1 Fall 1 deutlich machen, dass er die Leistung des Schuldners nicht als Erfüllung einer Schuld annehmen will (Staud/Feldmann § 295 Rz 3; MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 7). Auch die Erklärung des Gläubigers ist wie das wörtliche Angebot selbst eine zugangsbedürftige rechtsgeschäftsähnliche Handlung (BGH ZIP 99, 441). In der Erklärung des Gläubigers muss eindeutig und bestimmt zum Ausdruck kommen, dass er die Annahme der Leistung ablehnt (BGH ZIP 06, 904 ff). Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger (unberechtigt) den Rücktritt erklärt (RGZ 57, 112 f) oder eine Kündigung (BAG NJW 04, 316 [BAG 24.09.2003 - 5 AZR 500/02]) ausspricht. Ein bloßer Vorbehalt oder ein Schweigen auf die Anzeige der Leistungsbereitschaft reicht indes nicht aus (Braunschw OLGE 43, 28; Grüneberg/Grüneberg § 295 Rz 4; BRHP/Lorenz § 295 Rz 2; Staud/Feldmann § 295 Rz 6).

 

Rn 6

Die Ablehnung der Annahme durch den Gläubiger muss dem Angebot vorausgehen (BRHP/Lorenz § 295 Rz 3; Staud/Feldmann § 295 Rz 9; Soergel/Schubel § 295 Rz 12; MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 7). § 765 II ZPO modifiziert diesen Grundsatz in seinem Anwendungsbereich dergestalt, dass der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung bereits dann beginnen darf, wenn der Schuldner erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen.

II. Unterbliebene Mitwirkung (1 Fall 2).

 

Rn 7

Das wörtliche Angebot des Schuldners reicht auch dann aus, wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist (BAG NZA 16, 1147). Ob und ggf welche Mitwirkungspflichten des Gläubigers bestehen, ergibt sich aus dem Inhalt der Parteivereinbarungen. Zu denken ist hier insb an die Pflicht des Gläubigers zur Abholung der Sache (Holschuld, Köln ZMR 02, 423), aber auch an eine Leistungskonkretisierung nach § 315 (BGH NJW 02, 3541), die Wahl des Leistungsgegenstandes bei der Wahlschuld (§ 262), die Abnahme beim Werkvertrag (§ 640), den Kauf auf Abruf (BGH NJW 54, 385) und den Spezieskauf (§ 375 HGB). Ist nach der Parteivereinbarung erforderlich, Verpackungsmaterial zur Verfügung zu stellen, begründet auch dies eine Mitwirkungspflicht (MüKoBGB/Ernst § 295 Rz 8). Auch kann ausnahmsweise in einem Anspruch auf Rechnungslegung eine notwendige Mitwirkungshandlung bestehen, wenn der geschuldete Betrag noch nicht eindeutig beziffert ist (Celle NJW 86, 327 [OLG Celle 09.07.1985 - 16 U 216/84]). Nicht hinreichend ist trotz § 368 die Pflicht zur Erteilung einer Quittung (Staud/Feldmann § 295 Rz 17).

III. Aufforderung zur Mitwirkung (2).

 

Rn 8

Ist der Gläubiger zur Mitwirkung verpflichtet, muss ihn der Schuldner zur Vornahme der erforderlichen Handlung auffordern. Eines Leistungsangebotes bedarf es nicht (BRHP/Lorenz § 295 Rz 9). Die Auff...

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