Gesetzestext

 

Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, dass nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die §§ 262265 enthalten Regeln für gesetzlich oder rechtsgeschäftlich begründete Wahlschulden. § 262 definiert die Wahlschuld (Rn 2) und bestimmt, dass das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zusteht. Die §§ 262 ff werden allg als praxisferne (MüKoBGB/Krüger § 262 Rz 1), wenig überzeugende Regeln (Coester-Waltjen Jura 11, 100) angesehen, mitunter auch als ›in Gesetzesform gegossene schlechte Begriffsjurisprudenz‹ bezeichnet (Ziegler AcP 171, 207; aA Stamm JZ 15, 922). Kritisiert wird zum einen, dass die hier geregelten Wahlschulden keine praktische Bedeutung haben, bedeutsame verwandte Rechtsfiguren (Ersetzungsbefugnis Rn 7, elektive Konkurrenz Rn 8) hingegen keine Regelung erfahren haben, was mit Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden ist. Zum anderen wird moniert, dass die § 262 ff inhaltlich den Interessen der Beteiligten regelmäßig nicht entsprechen (hierzu Pöschke JZ 10, 349). Da die §§ 262 ff nur ›im Zweifel‹ anzuwenden, also dispositiv sind (AnwK/Arnold § 262 Rz 1), ergibt die (ergänzende) Vertragsauslegung häufig das Gegenteil der gesetzlichen Anordnung.

B. Wahlschuld.

 

Rn 2

Eine Wahlschuld liegt vor, wenn mehrere verschiedene Einzelleistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach der Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist (Grüneberg/Grüneberg § 262 Rz 1). Die Wahlschuld kann also auf die eine oder andere Art erfüllt werden (Alternativobligation), die Verbindlichkeit ist auf die eine oder andere Leistung gerichtet, von denen aber nur eine zu bewirken ist: ›duae (res) sunt in obligatione, sed una est in solutione‹. Das Wahlschuldverhältnis ist ein einheitliches Schuldverhältnis, es besteht nur ein einheitlicher Anspruch, der bis zur Wahl relativ unbestimmt, aber bestimmbar ist (MüKoBGB/Krüger § 262 Rz 2; BRHP/Lorenz § 262 Rz 2). Durch die Wahl konkretisiert sich das Schuldverhältnis rückwirkend (§ 263 II) auf den gewählten Leistungsgegenstand, weshalb sie als Gestaltungsrecht zu begreifen ist. Das Wahlrecht kann sich auf verschiedene Leistungsgegenstände (es wird wahlweise ein Schimmel oder ein Rappen gekauft) oder verschiedene Leistungsmodalitäten (Lieferzeitpunkt, Transportart) beziehen. Auch die Möglichkeit des Anspruchsberechtigten, iRd Drittschadensliquidation Leistung an den Geschädigten zu verlangen, ist eine Wahlschuld (BGH RdTW 19, 416; krit Koller RdTW 19, 441). Keine Wahlschuld liegt vor, wenn es um die Wahl verschiedener Berechnungsmethoden einer Leistung geht (BGH NJW 66, 826). Dies gilt auch für die Abrechnung eines Rechtsanwaltes (Hamm FamRZ 07, 1187), sofern nicht der Mandant entspr dem von ihm verfolgten Ziel wählen kann, ob die Vergütung durch eine Pauschale oder eine Abrechnung auf Stundenbasis erfolgt (KG NJ 19, 351 [KG Berlin 07.05.2019 - 13 U 26/18]).

 

Rn 3

Eine Wahlschuld entsteht durch Vertrag, zB Wahlrecht zwischen verschiedenen Währungen (RGZ 168, 247), Wahlrecht zwischen Geld- und Naturalpacht (BGHZ 81, 137), Wahlrecht des Sicherungsnehmers, welche von verschiedenen Sicherheiten er bei Übersicherung freigeben will (BGH NJW-RR 03, 45; WM 02, 1643; Grüneberg/Grüneberg § 262 Rz 3; MüKoBGB/Krüger § 262 Rz 13), gesetzlicher Anordnung (zB §§ 546a I; 1192 I iVm §§ 1157, 1169; § 61 I HGB) oder einer Verfügung von Todes wegen (›Wahlvermächtnis‹ § 2154; hierzu Roth/Maulbetsch NJW-Spezial 11, 615).

C. Wahlrecht.

 

Rn 4

Das Wahlrecht steht im Zweifel dem Schuldner zu. Die Zweifelsregel greift ein, wenn sich weder aus der (ausdrücklichen oder konkludenten) Parteienvereinbarung noch aus dem Zweck der Regelung das Wahlrecht des Gläubigers ableiten lässt. Dass entgegen der Zweifelsregel das Wahlrecht dem Gläubiger zusteht, hat dieser zu beweisen (MüKoBGB/Krüger § 262 Rz 15; Staud/Bittner/Kolbe § 262 Rz 20). Die Parteien können das Wahlrecht auch einem Dritten überlassen, es gelten die §§ 317–319 entspr (Staud/Bittner/Kolbe § 262 Rz 21; MüKoBGB/Krüger § 262 Rz 4; aA Gernhuber Erfüllung § 11 2c).

D. Abgrenzung zu verwandten Rechtsfiguren.

 

Rn 5

Wie bei der Wahlschuld ist auch bei der Gattungsschuld der Leistungsgegenstand zunächst relativ unbestimmt, doch wählt der Schuldner bei der Gattungsschuld aus einer Menge gleichartiger Gegenstände, bei der Wahlschuld hingegen aus einer Menge verschiedener, individuell bestimmter Gegenstände aus (Grüneberg/Grüneberg § 262 Rz 4; Staud/Bittner/Kolbe § 262 Rz 4; ausf Wiese 7 ff). Entscheidend für die Abgrenzung ist der Parteiwille. Hat zumindest eine der Parteien an der endgültigen Entscheidung über den konkreten Leistungsgegenstand noch ein besonderes Interesse, ist also der Bestimmungsakt für eine der Parteien bedeutsam, liegt Wahlschuld vor. Kommt es den Parteien hingegen nicht auf die Auswahl und damit auch nicht auf die individuelle Beschaffenheit der Stücke, sondern nur auf die Gattungseigenschaft an, liegt Gattungsschuld vor (Rabl Gefahrtragung 345 f). Indizien für das Vorliegen einer Wahlschuld sind daher kleine Mengen, individuell bezeichnete Gegenstände und unvertre...

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