Gesetzestext

 

(1) Ist die Bestimmung der Leistung einem Dritten überlassen, so ist im Zweifel anzunehmen, dass sie nach billigem Ermessen zu treffen ist.

(2) Soll die Bestimmung durch mehrere Dritte erfolgen, so ist im Zweifel Übereinstimmung aller erforderlich; soll eine Summe bestimmt werden, so ist, wenn verschiedene Summen bestimmt werden, im Zweifel die Durchschnittssumme maßgebend.

A. Abgrenzung.

 

Rn 1

Der zur Bestimmung der Leistung berechtige Dritte ist in zweifacher Hinsicht abzugrenzen.

I. Schiedsrichter.

 

Rn 2

Der durch förmliche (§ 1031 ZPO) Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO) bestellte Schiedsrichter soll einen Streit zwischen zwei Parteien anstelle des staatlichen Gerichts durch Schiedsspruch (§ 1054 ZPO) entscheiden. Dieser hat die Wirkung eines rechtkräftigen Urt (§ 1055 ZPO). Nur aus eng begrenzten Gründen kann dessen gerichtliche Aufhebung verlangt werden (§ 1059 ZPO); sonst wird er für vollstreckbar erklärt (§ 1060 ZPO).

II. Schiedsgutachter.

 

Rn 3

Auch der Schiedsgutachter wird privatrechtlich aufgrund einer Parteivereinbarung tätig (ausf Maus, Das Schiedsgutachten im Allgemeinen bürgerlichen Recht 21). Er soll aber nicht einen Rechtsstreit entscheiden, sondern kraft seiner Sachkunde einzelne Tatbestandselemente einer Rechtsnorm feststellen (zB die Größe eines Grundstücks oder den Verkehrswert eines Kfz). Diese Feststellung kann oft den Streit zwischen den Parteien erledigen, weil dann die Rechtsfolge klar ist. Auf einen solchen Schiedsgutachtenvertrag im engeren Sinne sind die §§ 317319 analog anzuwenden (BGH NJW 90, 1231, 1232; WM 13, 1452 Tz 27; BGHZ 207, 316 Rz 39; ausf Kleinschmidt Delegation von Privatautonomie auf Dritte 14). Zur Vollstreckung bedarf es aber noch eines Gerichtsverfahrens mit Urt (zum Urkundsprozess Stieglmeier SchiedsVZ 21, 155). In diesem Verfahren wird regelmäßig die Feststellung des Schiedsgutachters zugrunde gelegt. Doch ist sie analog § 319 I ausnahmsweise unverbindlich, wenn sie ›offenbar unrichtig‹ ist (BGHZ 43, 374, 376; Lembcke ZGS 10, 261). Die Unrichtigkeit muss sich einem sachkundigen Beobachter ggf nach gründlicher Prüfung sofort aufdrängen (BGH NJW 79, 1885; NJW 13, 1296 Rz 16; Stuttg ZIP 17, 868 Rz 211). Haften soll der Gutachter aber nur bei groben Verstößen gegen anerkannte fachwissenschaftliche Regeln (BGHZ 43, 374, 377; RG JW 33, 217); § 839 II ist nicht anwendbar (BGH NJW 13, 1296 Tz 18). Zur Anwendung des § 839a näher § 839a Rn 1. Eine trotz Vereinbarung eines vorrangigen Schiedsgutachen vor dessen Einholung eingereichte Klage ist ›als zurzeit unbegründet‹ abzuweisen, sofern nicht das Gericht nach seinem Ermessen für die Beibringung eine Frist entspr §§ 356, 431 ZPO setzt (BGH NJW 21, 1593 [BGH 11.03.2021 - VII ZR 196/18] Rz 33).

III. Der Dritte nach § 317.

 

Rn 4

Der Dritte nach § 317 hat weder wie ein Schiedsrichter die Rechtslage zu erkennen, noch wie ein Schiedsgutachter eine Tatsache festzustellen. Vielmehr soll er die Rechtslage durch die Bestimmung einer Leistung gestalten, und zwar durch Erklärung ggü einem Vertragsschließenden, § 318 I. Häufig begegnet das bei einer Neufestsetzung des Erbauzinses, vgl § 9a ErbbauRG. Zu Adjudikationsvereinbarungen als Leistungsbestimmungen Voit ZKM 22, 4.

B. Das Bestimmungsrecht des Dritten.

I. Entstehung.

 

Rn 5

Das Bestimmungsrecht des Dritten ergibt sich aus einer vertraglichen Ermächtigung durch die Parteien, in deren Verhältnis die Leistung bestimmt werden soll. Doch scheidet das zuständige Gericht als Dritter aus, weil sein gesetzlicher Aufgabenbereich nicht der Parteidisposition unterliegt (BGH NJW 95, 1360 [BGH 03.02.1995 - V ZR 222/93], auch schon RGZ 139, 232, 237). Möglich ist aber eine Anpassungsklausel, der zufolge die Anpassung (eines Erbbauzinses) entspr §§ 315 III, 319 I 2 durch Urt erfolgen soll (BGHZ 71, 276, 284; NJW aaO).

 

Rn 6

Die Person des oder der (vgl § 317 II) Dritten muss bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein. Die Benennung kann auch einer Behörde übertragen werden (etwa dem Präsidenten des OLG); dies aber nur, wenn die ihr zugeteilte Aufgabe außerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit liegt (BGHZ 207, 316 Rz 37: Preisüberwachungsstelle). Dagegen soll nicht mehr § 317 anwendbar sein, sondern der strengere § 315, wenn der Dritte einer Partei erkennbar nahe steht, zB im Arbeitsrecht einem Arbeitgeberverband (BAG DB 88, 1273 [BAG 02.02.1988 - 3 AZR 115/86]). Das ist richtig, weil sich das BGB den Dritten als neutral vorstellt (vgl § 319 II).

II. Ausübung.

 

Rn 7

Nach I ist die Bestimmung durch den Dritten im Zweifel nach billigem Ermessen zu treffen. Da dieses uU mehrere ›richtige‹ Entscheidungen zulässt (vgl § 315 Rn 11), können mehrere Bestimmungsberechtigte verschieden entscheiden. Dann soll nach II Hs 1 im Zweifel Übereinstimmung nötig sein, also nicht Stimmenmehrheit genügen. Gelingt keine Einigung, entscheidet nach § 319 I 2 das Gericht.

 

Rn 8

Bei verschieden bestimmten Summen soll nach II Hs 2 im Zweifel der Durchschnitt gelten. BGH NJW 64, 2401 nimmt jedoch den Fall aus, dass die bestimmten Summen so stark voneinander abweichen, dass entweder eine oder alle beide offenbar unbillig sein müssen: Dann ist die Bestimmung misslungen, so dass nach § 319 I 1...

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