Rn 2

Der Schuldner ist nach § 294 verpflichtet, alles zu tun, was zur Bewirkung der Leistung erforderlich ist (BGHZ 116, 244; Staud/Feldmann § 294 Rz 16). Es obliegt ihm, alle zur Erbringung der Leistung erforderlichen Handlungen einzuleiten (Soergel/Schubel § 294 Rz 4). Das tatsächliche Angebot ist dabei der Beginn der Leistungshandlung des Schuldners (BRHP/Lorenz § 294 Rz 2). Es ist seiner Rechtsnatur nach ein in der Leistungshandlung enthaltener Realakt (Huber Leistungsstörungen I 203 f; Grüneberg/Grüneberg § 294 Rz 2; Erman/Hager § 294 Rz 1; MüKoBGB/Ernst § 294 Rz 2; Soergel/Schubel § 294 Rz 2), auf den § 130 keine Anwendung findet (Staud/Feldmann § 294 Rz 15; Soergel/Schubel § 294 Rz 2; Joussen Schuldrecht I Rz 703; aA RGRK/Alff § 293 Rz 3). Der Gläubiger kommt daher auch dann in Verzug, wenn er wegen Ortsabwesenheit zunächst keine Kenntnis vom Angebot erlangt (Grüneberg/Grüneberg § 294 Rz 2, vgl aber § 299).

 

Rn 3

Der Schuldner muss zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung ernsthaft bereit sein (BAG NJW 06, 1022). Der Gläubiger soll zur Erfüllung der Schuld nichts anderes beitragen müssen, als die tatsächlich angebotene Leistung entgegenzunehmen (BGHZ 90, 359; RGZ 109, 328; RGRK/Alff § 294 Rz 1). Der Leistungswille des Schuldners kann nur im Rückblick festgestellt werden (BAG AP § 615 Nr 30). Wird beim Leistungsangebot ein Vorbehalt erklärt, wird kein Annahmeverzug begründet (BGH ZIP 94, 1840; BKR 20, 349), es sei denn, der Vorbehalt soll lediglich die Rechtsfolgen des § 814 ausschließen (BGH NJW 82, 2302 [BGH 06.05.1982 - VII ZR 208/81]; MüKoBGB/Ernst § 294 Rz 4; Erman/Hager § 294 Rz 3).

 

Rn 4

Wird eine Sache geschuldet, ist der Charakter der Schuld für die Modalitäten des tatsächlichen Angebotes maßgebend. Die Leistung muss in der richtigen Weise, am richtigen Ort (§§ 269, 270), zur richtigen Zeit (§ 271) und durch die richtige Person angeboten werden. Bei einer Bringschuld muss der Schuldner die Sache beim Gläubiger vorzeigen. Auch bei einer Schickschuld muss die Sache beim Gläubiger abgeliefert werden (BGHZ 90, 359; München NJW 97, 945; Erman/Hager § 294 Rz 3; Staud/Feldmann § 294 Rz 18; RGRK/Alff § 294 Rz 1). Nachnahmesendungen sind beim Empfänger vorzuweisen (RGZ 102, 372). Da bei der Holschuld eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich ist, reicht ein wörtliches Angebot der Leistung nach § 295 aus (anders bei einer Grundstücksübertragung, vgl BGH NJW 10, 1284 [BGH 08.12.2009 - XI ZR 181/08]).

 

Rn 5

Ist die Vornahme einer Handlung geschuldet, muss sich der Schuldner am vorgesehenen Ort befinden und bereit sein, die Handlung vorzunehmen (Staud/Feldmann § 294 Rz 19). So hat sich auch ein Arbeitnehmer an seiner Arbeitsstelle zu melden und die Weisungen seines Arbeitgebers entgegenzunehmen (BAG DB 83, 396), in Pandemiezeiten ggf auch eine Arbeitsfähigkeitsbescheinigung vorzuweisen (Steiner/Steinicke NZA 20, 1150). Besteht die auszuübende Tätigkeit in einer Dienst- oder Arbeitsleistung, muss diese, evtl durch Ausübung des Direktionsrechts nach § 106 GewO, bestimmt sein (Staud/Feldmann § 294 Rz 7). Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen, muss ihm der Arbeitgeber nach Aufforderung durch den Arbeitnehmer eine anderweitige ›leidensgerechte‹ Tätigkeit übertragen, soweit eine solche Beschäftigungsmöglichkeit besteht (Keysers NJW 19, 2072).

 

Rn 6

Bei Geldschulden liegt ein tatsächliches Angebot dann vor, wenn der Schuldner das Geld persönlich zum Gläubiger bringt und deutlich macht, dass er es aushändigen will (RGZ 85, 416). Auch wenn das Geld auf dem Konto des Gläubigers eingeht, bedeutet dies ein tatsächliches Angebot (Staud/Feldmann § 294 Rz 17). Der Gläubiger muss also die Verfügungsmöglichkeit über die Summe erlangen (Soergel/Schubel § 294 Rz 4). Die bloße Anweisung der eigenen Bank reicht indes nicht aus (RGZ 109, 328). Ist der Rundfunkbeitrag an eine Rundfunkanstalt nach ihrer Satzung nur bargeldlos zu entrichten, begründet das Angebot von Bargeldzahlung keinen Annahmeverzug (Karlsr NJW-RR 20, 1180 [OLG Karlsruhe 30.06.2020 - 6 VA 24/19]; zur Gültigkeit solcher Satzungsbestimmungen s nach Vorabentscheidungsverfahren, C-422/19; C-423/19, nun BVerwG NVwZ 22, 1293; BeckRS 22, 18257).

 

Rn 7

Die Abgabe einer Willenserklärung muss der Schuldner nach Mitteilung durch den Gläubiger bei der zur Entgegennahme vorgesehenen Stelle vornehmen (BGHZ 116, 250).

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