Rn 1

§ 285 begründet einen Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe des sog stellvertretenden commodum. Die Vorschrift enthält eine eigene Anspruchsgrundlage. Sie beruht darauf, dass die Möglichkeit des Schuldners, eine Verurteilung zur Naturalerfüllung unter Berufung auf § 275 I, II oder III abzuwehren, ihn von seiner Verpflichtung nicht insgesamt frei werden lässt (s § 275 Rn 14). § 285 ist – neben Schadensersatz und Rücktritt – eine der wichtigsten Konsequenzen davon und entspricht zudem dem mutmaßlichen Parteiwillen (BGHZ 99, 385, 388; 135, 284, 289): Der Schuldner muss leisten, was in seinem Vermögen an die Stelle des nicht (mehr) Leistbaren getreten ist (s BGH NJW-RR 88, 903 [BGH 10.02.1988 - IVa ZR 249/86]); man spricht insoweit von einer schuldrechtlichen Surrogation (s Jauernig/Stadler § 285 Rz 2 mwN). Ziel der Vorschrift ist es, die unrichtige Zuordnung von Vermögenswerten auszugleichen (BGH NJW-RR 06, 736, 738 [BGH 17.02.2006 - V ZR 236/03]). Ggf kann sich aus einer ergänzenden Auslegung des Vertrags ergeben, dass auch solche Surrogate herauszugeben sind, die nicht von § 285 erfasst werden (s BGHZ 25, 1, 10).

 

Rn 2

Die Vorschrift gilt grds für alle Schuldverhältnisse auf Leistung bestimmter Gegenstände. Diese Gegenstände sind nicht auf Sachleistungen oder übertragbare Vermögenswerte beschränkt, sondern erfassen auch Dienstleistungen (Löwisch NJW 03, 2049 f; Staud/Löwisch/Caspers § 285 Rz 24; offen gelassen bei BAG NZA 13, 207 Rz 30) und ferner einen Leistungsannex (s BGHZ 135, 284, 288 f [aufgegebene Milchreferenzmenge bei der Landpacht]). Damit kann die Vorschrift bei sämtlichen vertraglichen Leistungen zur Anwendung gelangen. Sie gilt auch für Fälle der unmöglichen oder unzumutbaren Nacherfüllung zur Mängelbeseitigung und richtigerweise auch bei den Verweigerungsrechten nach §§ 439 IV, 635, soweit beide Arten der Nacherfüllung ausgeschlossen sind (Jauernig/Stadler § 285 Rz 6), soweit diese wie beim Verbrauchsgüterkauf (s § 275 Rn 3) nicht lediglich das Verhältnis zwischen den Formen der Nacherfüllung steuern. Dasselbe gilt für die Haftung für Rechtsmängel nach § 536 III (BGH NJW-RR 86, 234 [BGH 19.11.1984 - II ZR 6/84] [entspr Anwendung]). Sofern der Schenker den versprochenen Gegenstand unter dem Schutz von § 519 verkauft, ist § 285 ebenfalls einschlägig. Darüber hinaus zählt § 285 zu den allgemeinen Regeln iSv §§ 818 IV, 819 (BGHZ 75, 203, 207 [Leistungen aus nicht zustande gekommenem Vertrag]; Naumbg ZIP 06, 716, 718 [Insolvenzanfechtung]). Richtigerweise muss die Vorschrift jedoch im Normalfalle der Bereicherungshaftung außer Anwendung bleiben; § 818 II, III sind lex specialis (hM; anders noch RGZ 138, 45, 47 f). Ebenso gestattet § 285 keinen Übergang zur Gewinnherausgabe bei Unmöglichkeit der Naturalrestitution; § 251 ist insoweit abschließend (Weiss JuS 12, 965, 966); generell ausgeschlossen ist der Anspruch bei deliktischen Ansprüchen aber nicht (vgl Schlesw BeckRS 14, 12057). Hingegen findet § 285 neben dem Regime von § 346 II–IV Anwendung (s zum alten Recht BGH NJW 83, 929, 930 [BGH 27.10.1982 - V ZR 24/82]; aA mit beachtlichen Gründen Staud/Löwisch/Caspers [2009] § 285 Rz 13; offen BGH NJW 15, 1748 [BGH 25.03.2015 - VIII ZR 38/14] Rz 21). Die Vorschrift gilt auch beim Vermächtnis (s KG ZEV 99, 494 [KG Berlin 04.09.1998 - 17 U 3053/97]) jedoch nicht bei erloschenen Ansprüchen aus § 985 (s RGZ 115, 31, 33 f; BGH NJW 62, 587, 588; MüKo/Emmerich § 285 Rz 15 [Lösung nach § 816 I]). Sondervorschriften enthalten §§ 667, 681, 687 II, 816 I, § 384 II HGB.

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