Leitsatz (amtlich)

Der Käufer eines Fahrzeugs, welches er kaskoversichert hat, ist nach Untergang der Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung i.S.d. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er etwas erlangt hat, was er herausgeben könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer nicht der Fall.

 

Normenkette

BGB § 346 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Beschluss vom 17.12.2013; Aktenzeichen 19 U 83/13)

LG Mannheim (Urteil vom 17.04.2013; Aktenzeichen 8 O 246/11)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 17.12.2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Mannheim vom 17.4.2013 hinsichtlich des Zug-um-Zug-Vorbehalts zurückgewiesen worden ist.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Mannheim vom 17.4.2013 dahin abgeändert, dass der Zug-um-Zug-Vorbehalt entfällt.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits fallen 9/10 der Beklagten und 1/10 dem Kläger zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen in Anspruch.

Rz. 2

Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 11.9.2009 übergeben. In der Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach, verschiedene Mängel des Fahrzeugs zu beseitigen. Nach dem letzten erfolglosen Nachbesserungsversuch erklärte der Kläger mit Schreiben vom 22.8.2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 30.8.2011 u.a. auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - insgesamt einen Betrag von 43.727,50 EUR - Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen.

Rz. 3

Am 29.8.2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor beim Kläger befand, weitgehend aus. Der Kläger trat am 6.3.2013 sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für das Fahrzeug abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrag an die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abtretungserklärung an. Der Versicherer erklärte jedoch mit Schreiben vom 10.4.2013 unter Verweis auf einen - in den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung enthaltenen - Genehmigungsvorbehalt, dass die Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei.

Rz. 4

Das LG hat der u.a. auf Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. einer Nutzungsentschädigung gerichteten Klage teilweise i.H.v. 38.217,21 EUR stattgegeben, allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der näher bezeichneten Ansprüche des Klägers gegenüber seinem Versicherer. Die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen eine vorbehaltlose Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises erstrebt hat, ist ohne Erfolg geblieben.

Rz. 5

Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger nur noch die Aufhebung des Zug-um-Zug-Vorbehalts.

 

Entscheidungsgründe

Rz. 6

Die Revision hat Erfolg.

I.

Rz. 7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Rz. 8

Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung von 38.217,21 EUR Zug um Zug gegen Abtretung der Versicherungsansprüche gegen den Kaskoversicherer zu.

Rz. 9

Er sei wegen erheblicher Sachmängel, die von der Beklagten nicht beseitigt worden seien, berechtigt gewesen, von dem Kaufvertrag zurückzutreten. Der Rücktritt sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine Rückgabe des Pkw durch den Fahrzeugbrand nicht bzw. nur in verschlechtertem Zustand möglich sei. Nachdem die Beklagte nach erklärtem Rücktritt zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Pkw aufgefordert worden sei, habe sie sich in Annahmeverzug befunden. Der Kläger habe damit bezüglich des Untergangs lediglich Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wofür hier nichts vorgetragen oder ersichtlich sei.

Rz. 10

Er habe jedoch das für die untergegangene Sache erlangte Surrogat, hier die Versicherungsleistung, an die Beklagte abzutreten. Daher stehe der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zu, und sei eine Verurteilung lediglich Zug um Zug gegen Abtretung entsprechender Ansprüche möglich. Zwar habe der Kläger bereits die Abtretung erklärt. Wie sich jedoch aus dem Schreiben des Kaskoversicherers ergebe, sei nach den Allgemeinen Bedingungen zur Kraftfahrtversicherung eine Abtretung des Anspruchs auf Entschädigung vor der endgültigen Feststellung ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Versicherer nicht möglich. Insoweit könne die Leistung bis zur Abtretung der entsprechenden Ansprüche an den Kläger verweigert werden.

Rz. 11

Die bereits erklärte Abtretung sei nichtig. Der Umstand, dass der Versicherer sich formularmäßig einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt ausbedungen habe, sei nicht zu beanstanden. Insbesondere verstoße eine solche Vereinbarung nicht gegen § 307 BGB. Dementsprechend habe der Kläger das einredeweise auf §§ 285, 326 Abs. 3 BGB gestützte Verlangen nicht erfüllt, weshalb gegen die Zug-um-Zug-Verurteilung nichts zu erinnern sei.

Rz. 12

Der Anwendungsbereich des § 285 BGB sei hier eröffnet. Dass noch keine Regulierung erfolgt sei, spiele keine Rolle. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger infolge der Leistungsstörung ein Surrogat - den Anspruch gegen seinen Kaskoversicherer - erlangt habe. Unbeachtlich sei, dass die Beklagte nach der fristgebundenen Rücktrittserklärung des Klägers bereits in Annahmeverzug gelangt sei, als das Fahrzeug zerstört worden sei. Die beim gesetzlichen Rücktrittsrecht geltende Gefahrtragungsregelung des § 346 Satz 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB ändere nämlich nichts an der Verpflichtung des Klägers, die ihm verbleibende Bereicherung - mithin den Ersatzanspruch gegen seinen Kaskoversicherer - herausgeben zu müssen (vgl. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Beklagte befinde sich mit der Annahme des Surrogats - der Versicherungsleistung - nicht in Annahmeverzug, da eine wirksame Abtretung bisher nicht erfolgt sei.

II.

Rz. 13

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Rz. 14

Das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Beklagten - jedenfalls derzeit - kein Anspruch auf Abtretung der Ansprüche des Klägers gegen seine Kaskoversicherung zusteht und deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises nicht durch einen entsprechenden Zug-um-Zug-Vorbehalt einzuschränken ist.

Rz. 15

1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Kläger ursprünglich gem. §§ 434, 437 Nr. 2, 346 Abs. 1 BGB zur Herausgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs verpflichtet war und diese Verpflichtung durch den Untergang des Fahrzeugs entfallen ist. Einen Anspruch auf Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen des Untergangs des Fahrzeugs hat die Beklagte, wie die Revisionserwiderung selbst einräumt, in den Tatsacheninstanzen nicht geltend gemacht. Einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.

Rz. 16

Gemäß § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB, der eine Rechtsfolgenverweisung auf das in §§ 812 ff. BGB geregelte Bereicherungsrecht enthält (BGH, Urt. v. 28.11.2007 - VIII ZR 16/07, BGHZ 174, 290 Rz. 16 m.w.N.), hat der Rückgewährschuldner, der nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB keinen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat, eine verbleibende Bereicherung herauszugeben. Es kann dahinstehen, ob - was das Berufungsgericht nicht geprüft hat - überhaupt ein Wertersatzanspruch entfallen ist. Denn jedenfalls fehlt es an einer herausgabefähigen Bereicherung.

Rz. 17

a) Das Berufungsgericht ist allerdings im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der Versicherung des untergegangenen Gegenstandes nicht erst die ausgezahlte Versicherungsleistung auszukehren, sondern grundsätzlich bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung an den Gläubiger abzutreten ist (§ 398 BGB).

Rz. 18

Die Abtretung des Anspruchs gegen die Kaskoversicherung hat der Kläger jedoch bereits erklärt. Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt der Umstand, dass nach den Versicherungsbedingungen eine Abtretung von der - hier ausdrücklich verweigerten - Genehmigung der Versicherung abhängt, aber nicht die Annahme, dass der Beklagten gegenwärtig ein Anspruch auf nochmalige - wirksame - Abtretung dieser Ansprüche zustünde.

Rz. 19

b) Denn das Berufungsgericht hat verkannt, dass der Kläger derzeit nichts erlangt hat, was er herausgeben könnte. Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich aufgrund des Bereicherungsvorgangs im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt (BGH, Urt. v. 7.1.1971 - VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128, 131; Palandt/Sprau, BGB, 74. Aufl., § 812 Rz. 8). Dies ist hier nicht der Fall, denn der Kläger hat weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stellt keine herausgabefähige Bereicherung i.S.d. § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar. Auf etwaige Ansprüche, die der Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, kann ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

Rz. 20

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 348 BGB nichts anderes. Insbesondere lässt sich aus dieser Vorschrift nichts dafür herleiten, dass ein Rückgewährschuldner, der (wie der Kläger) die untergegangene Kaufsache nicht herausgeben kann, die Last der Auseinandersetzung mit seiner Versicherung zu tragen habe und durch ein Zurückbehaltungsrecht dazu anzuhalten sei, die Regulierung des Schadens durch die Kaskoversicherung zu erstreiten. Denn § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB erlegt dem Rücktrittsschuldner nur die Herausgabe einer bereits herausgabefähig vorhandenen Bereicherung auf, verpflichtet ihn aber nicht dazu, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine - sodann herauszugebende - Bereicherung erst herbeizuführen.

Rz. 21

2. Auch aus §§ 346 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB, § 285 BGB oder §§ 346 Abs. 2, 285 BGB (so etwa Gaier in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 346 Rz. 47 m.w.N.) ergibt sich kein Anspruch der Beklagten, den sie dem Kläger nach §§ 320, 348 BGB entgegen halten könnte. Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob § 285 BGB überhaupt auf das Rückgewährverhältnis gem. §§ 346 ff. BGB nach dem neuen Schuldrecht Anwendung findet (dagegen mit beachtlichen Gründen Staudinger/Caspers, BGB, Neubearb. 2014, § 285 Rz. 13). Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte - ähnlich wie es der BGH für die Anwendbarkeit der Vorgängervorschrift zu § 285 BGB, nämlich § 281 BGB a.F., angenommen hatte (BGH, Urt. v. 27.10.1982 - V ZR 24/82, NJW 1983, 929 unter B) -, ergibt sich daraus kein Anspruch der Beklagten.

Rz. 22

Denn nach § 285 BGB hätte der Kläger auch nur dasjenige herauszugeben, was er infolge der Unmöglichkeit, das durch Brand zerstörte Fahrzeug zurückzugeben, erlangt hat. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger aber von der Versicherung weder eine Zahlung erhalten noch hat diese ihre Eintrittspflicht anerkannt. Dass der Kläger künftig - etwa dadurch, dass die Versicherung den Anspruch feststellt und dieser abtretbar wird - etwas erlangen könnte, dessen Herausgabe die Beklagte sodann verlangen könnte, ist, wie ausgeführt, unerheblich, da ein Zurückbehaltungsrecht nicht auf Ansprüche gestützt werden kann, die noch gar nicht entstanden sind.

III.

Rz. 23

Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Anfechtung keinen Bestand haben; es ist daher insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zum Wegfall des Zug-um-Zug-Vorbehalts.

 

Fundstellen

Haufe-Index 7752182

BB 2015, 1217

NJW 2015, 1748

NJW 2015, 6

EBE/BGH 2015, 179

EWiR 2015, 479

JurBüro 2015, 499

WM 2015, 1578

ZIP 2015, 1232

ZIP 2015, 31

DAR 2015, 264

DAR 2015, 522

JZ 2015, 246

JZ 2015, 337

JZ 2015, 369

JZ 2016, 150

JuS 2016, 351

MDR 2015, 13

MDR 2015, 646

NJ 2015, 298

NJ 2015, 3

NJ 2015, 9

VRS 2015, 249

VuR 2015, 7

ZfS 2015, 566

ASR 2015, 2

ASR 2016, 14

NJW-Spezial 2015, 361

RÜ 2015, 485

RdW 2015, 365

VRR 2015, 7

FMP 2015, 113

GreifRecht 2015, 5

LL 2015, 556

Verkehrsjurist 2015, 28

ZVertriebsR 2015, 240

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge