Gesetzestext

 

Wer für den Verlust einer Sache oder eines Rechts Schadensersatz zu leisten hat, ist zum Ersatz nur gegen Abtretung der Ansprüche verpflichtet, die dem Ersatzberechtigten auf Grund des Eigentums an der Sache oder auf Grund des Rechts gegen Dritte zustehen.

A. Funktion.

 

Rn 1

Die Vorschrift geht davon aus, dass Schadensersatz für den Verlust einer Sache oder eines Rechts auch verlangen kann, wer möglicherweise (BGHZ 6, 55, 61) auch Ansprüche aus dem Sacheigentum (insb aus § 985, der im Ergebnis eine Übertragung des Eigentums an den Schädiger bedeutet, s.u. Rn 5) oder aufgrund des Rechts gegen einen Dritten hat. Dabei soll § 255 einen Verstoß gegen das schadensrechtliche Bereicherungsverbot (vgl BGHZ 60, 353, 357) verhindern: Der Geschädigte soll nicht zugleich Schadensersatz erhalten und Ansprüche aus Sachen oder Recht behalten können, BGH NJW 10, 1961 [BGH 15.04.2010 - IX ZR 223/07]. Vgl dazu Herb. Roth FS Medicus [99], 495 ff. Erhält der Geschädigte daher die Sache zurück, nachdem er Ersatz erlangt hat, darf er erneut nicht beides behalten; streitig ist indes, ob er die Sache oder die Ersatzleistung herausgeben muss. Die besseren Gründe sprechen für eine Herausgabe der erhaltenen Ersatzleistung; an der Sache selbst hat der Ersatzpflichtige regelmäßig kein Interesse, und § 255 regelt ›nur‹ eine Vorteilsausgleichung zu Lasten des Geschädigten, ohne vorrangig die Eigentumslage ändern zu wollen (aA mwN Staudinger/Bittner Rz 22).

B. Anwendungsbereich.

I. Konkurrenzen.

 

Rn 2

§ 255 soll einen Regress des Schädigers (= Ersatzpflichtigen) gegen einen Dritten ermöglichen. Er steht daher neben den Regressvorschriften, die mit einer Legalzession arbeiten (zB §§ 86 VVG, 116 SGB X) und insb neben der Gesamtschuld, die einen doppelten Regress über § 426 vermittelt (vgl § 426 Rn 16 ff). Diese Regeln sollen dem § 255 vorgehen (BGHZ 52, 39, 43, 45, str), der dann bei fehlender Gleichstufigkeit (sonst: Gesamtschuld und § 426) eingreift. Dadurch wird der Anwendungsbereich von § 255 stark eingeengt. Das gilt umso mehr, je stärker der Anwendungsbereich der Gesamtschuldregeln auf verschiedenartige Leistungen (wie Schadensersatz und Erlösherausgabe nach § 816 I 1) ausgeweitet wird (vgl § 421 Rn 5). Die Tendenz zu einer Ausschaltung des § 255 bringt Vorteile, weil § 426 im Gegensatz zu § 255 keine eigene Abtretung verlangt und iVm § 254 (vgl § 254 Rn 3) elastische Lösungen ermöglicht. Andererseits hat der BGH § 255 analog angewandt auf die Abtretung von Ansprüchen des Leasinggebers wegen Verletzung des Eigentums an den Leasingnehmer (BGH NJW 04, 1041) und auf die Abtretung von Ansprüchen des Anlegers gegen Prospektverantwortliche an die den Beitritt zum Immobilienfond finanzierende Bank (BGH NJW 04, 2731 [BGH 14.06.2004 - II ZR 395/01]).

II. Voraussetzungen.

 

Rn 3

Abgesehen von der Konkurrenzfrage (o Rn 2) betrifft § 255 beim Verlust einer Sache va den Herausgabeanspruch des Geschädigten aus § 985 und ggf auch Ansprüche aus den §§ 987 ff, 823 I, soweit sie nach der Schadensersatzleistung an den Eigentümer fortbestehen. BGHZ 52, 39, 42 nennt weiter den Anspruch auf Erlösherausgabe aus § 816 I 1, räumt aber ein, dass dessen Abtretung an den Dieb keinen Sinn hat, weil dessen redlicher Abnehmer ihm entgegenhalten kann, er habe die Sache durch Kaufvertrag vom Dieb erworben sowie bezahlt und sei von Ansprüchen Dritter freizuhalten. Die weiteren nicht selten genannten Ansprüche aus den §§ 1007, 861 sind dagegen keine Ansprüche aus dem Eigentum. Dass der Dritte (als Regressschuldner) dem Schaden näher stehen müsse als der Ersatzschuldner, wie vielfach behauptet wird, ist nicht richtig: Der Schaden des Alteigentümers wird ja durch den Ersatzberechtigten voll ersetzt; der Regress gegen den Dritten betrifft nur Ansprüche, die nach dem Wegfall dieses Schadens noch übrig bleiben (das ist eben in ersten Linie § 985, wenn die Sache noch existiert).

 

Rn 4

Der Verlust eines Rechts ist selten. Angewendet worden ist die Vorschrift auf den Verlust einer Wechselurkunde (RG JW 1906, 109) und analog auf die verspätete Vorlegung eines Schecks (BGHZ 6, 55). Weiter in Betracht kommen die Verjährung oder eine andere Entwertung des Rechts. Ein vorläufiges Wertloswerden der Forderung genügt, der endgültige Verlust ist nicht erforderlich (BGHZ 6, 55, 61).

C. Rechtsfolgen.

 

Rn 5

Der Ersatzschuldner braucht den Ersatz nur Zug um Zug (§§ 273, 274) gegen Abtretung der Ansprüche zu leisten. Ob diese wirklich durchsetzbar sind, spielt keine Rolle (BGHZ 6, 55, 61; BGHZ 10, 961: Verjährung). Die Ansprüche müssen nicht unmittelbar ›aufgrund‹ des Eigentums entstanden sein, § 255 wird analog angewandt, wenn die Ansprüche lediglich damit in Zusammenhang stehen (BGH NJW 10, 1961; Zugewinnausgleich, BGH FamRZ 09, 2075: Unterhalt). Hat der Ersatzschuldner den Ersatz ohne die Berufung auf § 255 geleistet, kann er über den Wortlaut der Vorschrift hinaus die Abtretung noch nachträglich fordern (RGZ 117, 335, 338; BGHZ 52, 39, 42); § 255 wird dann also zur Anspruchsgrundlage. Die Abtretung des § 985 meint die Übereignung der Sache nach §§ 929, 931 (§ 985 kann ja nicht vom Eige...

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