Rn 12

Die Obliegenheitsverletzung muss regelmäßig verschuldet sein. Hierfür gelten § 276 und ebenso die §§ 827 (weshalb etwa der Einwand des Beifahrers, man habe aufgrund seiner eigenen starken Alkoholisierung die absolute Fahruntüchtigkeit des Fahrers nicht mehr erkennen können, nicht verfängt, weil der Mitverschuldensvorwurf gem §§ 254, 827 S 2 bereits daran anknüpft, dass man sich zumindest fahrlässig durch Konsum alkoholischer Getränke in einen Zustand versetzt hat, in dem man nicht mehr über die zum Selbstschutz erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügt, Schlesw NJW-RR 21, 893 [OLG Dresden 21.04.2021 - 4 W 201/21]), 828. Kinder bis zum 7. Lebensjahr können also wegen eigenen Verschuldens nicht unter § 254 fallen; zwischen dem 7. und dem 18. Lebensjahr kommt es darauf an, ob der Verletzte die zur Erkenntnis seiner Mitverantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat. Die Sonderregelung für den Straßenverkehr in § 828 II hat sogar den hauptsächlichen Zweck, Kinder bis zum vollendeten 10. Lebensjahr vor einer Kürzung ihrer Ersatzansprüche zu bewahren, auch wenn die Formulierung (›Schaden … zufügt‹) nur das Kind in der Rolle als Schädiger zu erfassen scheint (BGH NJW 05, 354 [BGH 30.11.2004 - VI ZR 335/03]). Ob das Mitverschulden eines 10 Jahre alten und damit ›eben gerade‹ mitverschuldensfähigen Kindes geringer zu bewerten ist als das vergleichbare Fehlverhalten Erwachsener, ist unklar (dafür: BGH NJW 04, 772 [BGH 18.11.2003 - VI ZR 31/02]; Karlsr NJW 12, 3042 [OLG Karlsruhe 20.06.2012 - 13 U 42/12]; Celle NJW 21, 2124 [OLG Celle 19.05.2021 - 14 U 129/20]: ›altersgemäße Maßstäbe‹; dagegen etwa Hamm NZV 10, 464 [OLG Hamm 13.07.2009 - I-13 U 179/08]); dafür spricht aber, dass das Erreichen der starren Altersgrenze des § 828 II das Kind nun nicht per se ›verkehrstauglich‹ macht, sondern die Verkehrserziehung und -befähigung ein stetig sich entwickelnder Prozess der Erziehung ist. Stets muss das Verschulden unstreitig oder bewiesen sein, auch bei einem Verweis auf eine Mitverursachung des Verkehrsunfalls durch einen Fußgänger (§§ 9 StVG, 254) kann nur ein schuldhaftes Verhalten des Fußgängers berücksichtigt werden, wobei der motorisierte Unfallgegner die Beweislast trägt, BGH NJW 14, 217 [BGH 24.09.2013 - VI ZR 255/12]. Ein bloß vermutetes Verschulden zB nach der Beweislastregel des § 832 kann nicht schadensmindernd berücksichtigt werden, schon weil es an Anhaltspunkten für eine Bewertung fehlt (BGH NJW 12, 2425 [BGH 20.03.2012 - VI ZR 3/11] und Rn 48).

 

Rn 13

Die hM hält § 829 für anwendbar (etwa BGHZ 37, 102, 105 ff mN). Doch soll der Anspruch des Minderjährigen nicht schon bei einer wesentlichen Mitbeteiligung an der Verletzung gemindert werden. Vielmehr soll § 829 ein entspr Verhältnis der finanziellen Leistungsfähigkeit beider Teile verlangen (BGH NJW 69, 1762 [BGH 24.06.1969 - VI ZR 15/68]: Die Billigkeit müsse eine Beteiligung des Minderjährigen ›fordern‹). Hieran wird § 829 bei § 254 für Minderjährige idR scheitern.

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