Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachschaden an ordnungsgemäß geparktem Pkw durch Kickboard eines Neunjährigen. Kfz im fließenden Verkehr. Verantwortlichkeit des minderjährigen Schädigers. Haftungsprivileg für Minderjährige: Typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs. Nicht motoriserter Straßenverkehr. Mitverschulden. Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit. Fahrlässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl. I, 2674) greift nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur ein, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 828 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Trier (Urteil vom 28.10.2003; Aktenzeichen 1 S 104/03)

AG Saarburg

 

Tenor

Die Revision des Beklagten zu 1) gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Trier v. 28.10.2003 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Am 12.9.2002 veranstalteten der damals neun Jahre alte Beklagte zu 1) (nachfolgend: Beklagter), sein Zwillingsbruder und ein Klassenkamerad auf der Fahrbahn der M.-straße in K. ein Wettrennen mit Kickboards. Obgleich der Beklagte im Umgang mit einem Kickboard geübt war, stürzte er aus Unachtsamkeit. Sein Kickboard prallte gegen den ordnungsgemäß am rechten Straßenrand geparkten Pkw des Klägers. Es entstand ein Sachschaden, für den der Kläger nebst weiteren Folgeschäden vom Beklagten und - wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht - auch von dessen Eltern Ersatz begehrt hat.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das LG den Beklagten zu einem Schadensersatz i.H.v. 1.904,16 EUR verurteilt und seine weiter gehende Berufung sowie die gegen seine Eltern gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in r+s 2004, 172 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, der Beklagte sei gem. § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger die aus der Beschädigung seines Fahrzeugs entstandenen Schäden zu ersetzen.

Ein Schadensersatzanspruch sei nicht nach § 828 Abs. 2 S. 1 BGB (n.F.) ausgeschlossen. Zwar könne nach dessen Wortlaut ein Sachverhalt wie der vorliegende ohne weiteres der Haftungsprivilegierung unterfallen. Der Gesetzeswortlaut reiche aber offensichtlich zu weit, weshalb er einschränkend auszulegen sei. Ausweislich der Gesetzesbegründung sei es ein wichtiges Ziel des Gesetzgebers gewesen, die haftungsrechtliche Situation von Kindern im motorisierten Verkehr nachhaltig zu verbessern und den Mitverschuldenseinwand gem. §§ 9 StVG, 4 HPflG und 254 BGB im Verhältnis zu Kindern auszuschließen. Deshalb sei der Anwendungsbereich des § 828 Abs. 2 BGB dahin teleologisch zu reduzieren, dass ein "Unfall mit einem Kraftfahrzeug" nur vorliege, wenn sich die von einem in Bewegung befindlichen Kraftfahrzeug ausgehende typische Gefahr realisiert habe. Voraussetzung der Haftungsprivilegierung sei deshalb, dass sich das Kraftfahrzeug in Bewegung, also im sog. "fließenden" Verkehr befinde. Die von einem parkenden Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren würden sich nicht von denen eines ordnungsgemäß abgestellten Fahrrads, eines Baumes oder einer Mauer unterscheiden. Eine weiter gehende Haftungsprivilegierung führte zudem zu unbilligen Ergebnissen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Der Beklagte ist gem. § 823 Abs. 1 BGB verpflichtet, dem Kläger den auf Grund des Zusammenpralls seines Kickboards mit dessen Pkw entstandenen Schaden zu ersetzen.

1. Unter den Umständen des Streitfalls hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass die Verantwortung des Beklagten nicht gem. § 828 Abs. 2 S. 1 BGB ausgeschlossen ist. Da das schädigende Ereignis nach dem 31.7.2002 eingetreten ist, richtet sich die Verantwortlichkeit des minderjährigen Schädigers gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nach § 828 BGB i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensrechtlicher Vorschriften v. 19.7.2002 (BGBl. I, 2674). Danach ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wer das Siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat.

a) Wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen, könnte der hier zu beurteilende Sachverhalt nach dem Wortlaut des neugefassten § 828 Abs. 2 S. 1 BGB ohne weiteres unter das Haftungsprivileg für Minderjährige fallen. Aus seinem Wortlaut geht nicht hervor, dass das Haftungsprivileg davon abhängen soll, ob sich das an dem Unfall beteiligte Kraftfahrzeug im fließenden oder - wie der hier geschädigte parkende Pkw - im ruhenden Verkehr befindet. Auch aus der systematischen Stellung der Vorschrift ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber einen bestimmten Betriebszustand des Kraftfahrzeugs zu Grunde legen wollte, zumal er bewusst nicht das Straßenverkehrsgesetz, sondern das allgemeine Deliktsrecht als Standort für die Regelung gewählt hat (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 26). Allein diese Auslegungsmethoden führten daher nicht zu dem Ergebnis, dass § 828 Abs. 2 BGB auf Fälle des fließenden Verkehrs von Kraftfahrzeugen begrenzt ist. Andererseits ist dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass sie sich ohne Ausnahme auf sämtliche Unfälle beziehen soll, an denen ein Kraftfahrzeug beteiligt ist, wie schon die seit ihrem In-Kraft-Treten dazu veröffentlichten kontroversen Meinungen im Schrifttum zeigen (vgl. für eine weite Auslegung: Cahn, Einführung in das neue Schadensrecht, 2003, Rz. 232 ff.; Elsner, DAR 2004, 130 [132]; Jaklin/Middendorf, VersR 2004, 1104 ff.; Wagner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 828 Rz. 6; Pardey, DAR 2004, 499 [501 ff.]; für eine einschränkende Auslegung: Ady, ZGS 2002, 237 [238]; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 828 Rz. 2a; Heß/Buller, ZfS 2003, 218 [220]; Huber, Das neue Schadensersatzrecht, 2003, § 3 Rz. 48 ff.; Kilian, ZGS 2003, 168 [170]; Lemcke, ZfS 2002, 318 [324]; Ternig, VD 2004, 155 [157]). Im Hinblick darauf würde bei einer einschränkenden Auslegung oder bei einer im Schrifttum und in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung (vgl. neben dem Berufungsurteil auch LG Koblenz v. 30.10.2003 - 14 S 153/03, NJW 2004, 858; AG Sinsheim v. 30.10.2003 - 4 C 196/03, NJW 2004, 453) in Bezug auf parkende Fahrzeuge befürworteten teleologischen Reduktion der Vorschrift jedenfalls keine einschränkende Anwendung vorliegen, die einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz einen entgegengesetzten Sinn verliehe oder den normativen Gehalt der auszulegenden Norm grundlegend neu bestimmte und deshalb nicht zulässig wäre (vgl. BVerfG v. 7.4.1997 - 1 BvL 11/96, NJW 1997, 2230).

b) Da der Wortlaut des § 828 Abs. 2 BGB nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist der in der Vorschrift zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers mithilfe der weiteren Auslegungskriterien zu ermitteln, wobei im vorliegenden Fall insb. die Gesetzesmaterialien von Bedeutung sind. Aus ihnen ergibt sich mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass das Haftungsprivileg des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur eingreift, wenn sich bei der gegebenen Fallkonstellation eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs realisiert hat.

Mit der Einführung der Ausnahmevorschrift in § 828 Abs. 2 BGB wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass Kinder regelmäßig frühestens ab Vollendung des zehnten Lebensjahres imstande sind, die besonderen Gefahren des motorisierten Straßenverkehrs zu erkennen, insb. Entfernungen und Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen, und sich den Gefahren entsprechend zu verhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 16, 26). Allerdings wollte er die Deliktsfähigkeit nicht generell (vgl. dazu Wille/Bettge, VersR 1971, 878 [882]; Kuhlen, JZ 1990, 273 [276]; Scheffen, 29. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1991, Referat Nr. II/3, S. 97; dieselbe in FS Steffen, 1995, S. 387, 388 ff.) und nicht bei sämtlichen Verkehrsunfällen (vgl. Empfehlungen des Deutschen Verkehrsgerichtstages 1991, S. 9; Antrag von Abgeordneten und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen v. 18.7.1996, BT-Drucks. 13/5302, 1 ff.; Antrag von Abgeordneten und der SPD-Fraktion v. 11.12.1996, BT-Drucks. 13/6535, 1, 5 ff.) erst mit Vollendung des zehnten Lebensjahres beginnen lassen. Er wollte die Heraufsetzung der Deliktsfähigkeit vielmehr auf im motorisierten Straßen- oder Bahnverkehr plötzlich eintretende Schadensereignisse begrenzen, bei denen die altersbedingten Defizite eines Kindes, wie z.B. Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht richtig einschätzen zu können, regelmäßig zum Tragen kommen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 26). Für eine solche Begrenzung sprach, dass sich Kinder im motorisierten Verkehr durch die Schnelligkeit, die Komplexität und die Unübersichtlichkeit der Abläufe in einer besonderen Überforderungssituation befinden. Gerade in diesem Umfeld wirken sich die Entwicklungsdefizite von Kindern besonderes gravierend aus. Demgegenüber weisen der nicht motorisierte Straßenverkehr und das allgemeine Umfeld von Kindern gewöhnlich keine vergleichbare Gefahrenlage auf (vgl. Bollweg/Hellmann, Das neue Schadensersatzrecht, 2002, Teil 3, § 828 BGB, Rz. 11; BT-Drucks. 14/7752, 16 f., 26f.). Diese Erwägungen zeigen, dass Kinder nach dem Willen des Gesetzgebers auch in dem hier maßgeblichen Alter von sieben bis neun Jahren für einen Schaden haften sollen, wenn sich bei dem Schadensereignis nicht ein typischer Fall der Überforderung des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat und das Kind deshalb von der Haftung freigestellt werden soll.

Dem Wortlaut des § 828 Abs. 2 S. 1 BGB ist nicht zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei diesem Haftungsprivileg zwischen dem fließenden und dem ruhenden Verkehr unterscheiden wollte, wenn es auch im fließenden Verkehr häufiger als im sog. ruhenden Verkehr eingreifen mag. Das schließt jedoch nicht aus, dass sich in besonders gelagerten Fällen - zu denen der Streitfall aber nicht gehört - auch im ruhenden Verkehr eine spezifische Gefahr des motorisierten Verkehrs verwirklichen kann (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 29, 163 [166 f.]; BGH v. 25.10.1994 - VI ZR 107/94, MDR 1995, 42 = VersR 1995, 90 [92]). Der Gesetzgeber wollte vielmehr lediglich den Fällen einer typischen Überforderung der betroffenen Kinder durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs Rechnung tragen. Zwar wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, der neue § 828 Abs. 2 BGB lehne sich an die Terminologie der Haftungsnormen des Straßenverkehrsgesetzes an (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 26). Die danach folgende Erläuterung, im motorisierten Straßenverkehr sei das deliktsfähige Alter heraufzusetzen, weil bei dort plötzlich eintretenden Schadensereignissen i.d.R. die altersbedingten Defizite eines Kindes beim Einschätzen von Geschwindigkeiten und Entfernungen zum Tragen kämen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 26 f.), zeigt aber deutlich, dass für den Gesetzgeber bei diesem Aspekt nicht das bloße Vorhandensein eines Motors im Fahrzeug ausschlaggebend war, sondern vielmehr der Umstand, dass die Motorkraft zu Geschwindigkeiten führt, die zusammen mit der Entfernung eines Kraftfahrzeugs von einem Kind vor Vollendung des zehnten Lebensjahres nur sehr schwer einzuschätzen sind (vgl. Bollweg/Hellmann, Das Neue Schadensersatzrecht, § 828 Teil 3 Rz. 5).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur dann, wenn sich bei einem Schadensfall eine typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs verwirklicht hat, eine Ausnahme von der Deliktsfähigkeit bei Kindern vor Vollendung des zehnten Lebensjahres schaffen wollte. Andere Schwierigkeiten für ein Kind, sich im Straßenverkehr verkehrsgerecht zu verhalten, sollten diese Ausnahme nicht rechtfertigen. Insoweit ging der Gesetzgeber davon aus, dass Kinder in dem hier maßgeblichen Alter mit solchen Situationen nicht generell überfordert sind und die Deliktsfähigkeit daher grundsätzlich anzunehmen ist. Das wird auch deutlich bei der Begründung, weshalb das Haftungsprivileg in Fällen vorsätzlicher Schädigung nicht gilt. Hierzu heißt es, dass in diesen Fällen die Überforderungssituation als schadensursächlich auszuschließen sei und sich jedenfalls nicht ausgewirkt habe (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 16, 27; Hentschel, NZV 2002, 433 [442]). Allerdings kam es dem Gesetzgeber darauf an, die Rechtsstellung von Kindern im Straßenverkehr umfassend zu verbessern. Sie sollte insb. nicht davon abhängen, ob das betroffene Kind im Einzelfall "Täter" oder "Opfer" eines Unfalls ist, denn welche dieser beiden Möglichkeiten sich verwirklicht, hängt oft vom Zufall ab (vgl. Medicus, Deutscher Verkehrsgerichtstag 2000, Referat Nr. III/4, S. 121; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 828 Rz. 4). Die Haftungsprivilegierung Minderjähriger erfasst deshalb nicht nur die Schäden, die Kinder einem anderen zufügen. Da § 828 BGB auch für die Frage des Mitverschuldens nach § 254 BGB maßgeblich ist (vgl. BGH BGHZ 34, 355 [366]), hat die Haftungsfreistellung Minderjähriger auch zur Folge, dass Kinder dieses Alters sich ihren eigenen Ansprüchen, gleichviel ob sie aus allgemeinem Deliktsrecht oder aus den Gefährdungshaftungstatbeständen des Straßenverkehrsgesetzes oder des Haftpflichtgesetzes hergeleitet werden, ein Mitverschulden bei der Schadensverursachung nicht entgegenhalten lassen müssen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, 16; Bollweg/Hellmann, Das Neue Schadensersatzrecht, § 828 Teil 3 Rz. 5; Heß/Buller, ZfS 2003, 218 [219]). § 828 Abs. 2 BGB gilt deshalb unabhängig davon, ob das an einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug beteiligte Kind Schädiger oder Geschädigter ist.

Diese Grundsätze können im Streitfall jedoch nicht eingreifen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unter den Umständen des vorliegenden Falles das Schadensereignis nicht auf einer typischen Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs beruht, sodass das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Freistellung des Beklagten von der Haftung verneint hat.

2. Entgegen der Auffassung der Revision steht auch § 828 Abs. 3 BGB einer haftungsrechtlichen Verantwortung des Beklagten nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats besitzt derjenige die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht i.S.v. § 828 Abs. 3 BGB, der nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein. Auf die individuelle Fähigkeit, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten, kommt es insoweit nicht an (vgl. BGH, Urt. v. 28.2.1984 - VI ZR 132/82, MDR 1985, 40 = VersR 1984, 641 [642]; v. 29.4.1997 - VI ZR 110/96, MDR 1997, 739 = VersR 1997, 834 [835] m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt der in Anspruch genommene Minderjährige; ab dem Alter von 7 Jahren wird deren Vorliegen vom Gesetz widerlegbar vermutet (vgl. BGH, v. 29.4.1997 - VI ZR 110/96, MDR 1997, 739 = VersR 1997, 834 [835]; Baumgärtel/Strieder, 2. Aufl., § 828 BGB Rz. 2, m.w.N.).

Der Beklagte hat zu einem Mangel, das Gefährliche seines Tuns erkennen und sich der Verantwortung seines Tuns bewusst sein zu können, nichts vorgetragen. Der von der Revision herangezogene Vortrag, der Beklagte habe mit dem Kickboard zunächst die Fahrbahn einer Spielstraße befahren und habe deren Ende im Eifer des veranstalteten Wettrennens übersehen, bevor es zu dem Unfall mit dem Pkw des Klägers gekommen sei, betrifft nicht die Einsichtsfähigkeit des Beklagten i.S.v. § 828 Abs. 3 BGB.

3. Mit Recht hat das Berufungsgericht auch ein fahrlässiges Verhalten (§ 276 BGB) des Beklagten bejaht.

a) Ein solches Verhalten setzt voraus, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen (§ 276 Abs. 2 BGB) und dabei die Möglichkeit eines Schadenseintritts erkannt oder sorgfaltswidrig verkannt wurde sowie ein die Gefahr vermeidendes Verhalten möglich und zumutbar war (vgl. BGHZ 58, 48 [56]; BGH v. 10.11.1992 - VI ZR 45/92, MDR 1993, 320 = VersR 1993, 230 [231]; Urt. v. 23.10.1952 - III ZR 273/51, LM Nr. 1 zu § 828 BGB). Dabei ist dem Alter des Schädigers Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urt. v. 23.10.1952 - III ZR 273/51, LM Nr. 1 zu § 828 BGB). Bei einem Minderjährigen kommt es darauf an, ob Kinder bzw. Jugendliche seines Alters und seiner Entwicklungsstufe den Eintritt eines Schadens hätten voraussehen können und müssen und es ihnen bei Erkenntnis der Gefährlichkeit ihres Handelns in der konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten (vgl. BGH, Urt. v. 27.1.1970 - VI ZR 157/68, VersR 1970, 374 [375]; v. 29.4.1997 - VI ZR 110/96, MDR 1997, 739 = VersR 1997, 834 [835]).

b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Kinder in der Altersgruppe des Beklagten wissen, dass sie sich so zu verhalten haben, dass ihr Kickboard nicht gegen einen parkenden Pkw prallt und diesen beschädigt. Es ist ihnen auch möglich und zumutbar, dieses Spielgerät so zu benutzen, dass eine solche Schädigung vermieden wird. Die danach gebotene Sorgfalt hat der Beklagte missachtet, indem er im Wettrennen mit seinem Bruder und einem Freund so schnell fuhr, dass er stürzte und sein Kickboard führungslos mit dem Pkw des Klägers zusammenstieß. Insoweit ist ohne Bedeutung, ob der Beklagte das Ende der Spielstraße im Eifer des Wettrennens übersah, da er die vorgenannten Sorgfaltspflichten auf allen Verkehrsflächen hätte beachten müssen.

4. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich unter den vom Berufungsgericht festgestellten Umständen die Betriebsgefahr des parkenden Fahrzeugs ausgewirkt haben könnte, sodass auch nicht eine Mithaftung des Klägers nach den Grundsätzen des § 254 BGB in Betracht kommt.

III.

Die Revision ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1297230

BGHZ 2005, 180

NJW 2005, 354

NWB 2005, 16

BGHR 2005, 357

EBE/BGH 2005, 30

EBE/BGH 2005, 5

FamRZ 2005, 338

JR 2005, 420

ZAP 2005, 443

DAR 2005, 146

JA 2005, 323

MDR 2005, 506

NZV 2005, 137

VersR 2005, 376

VuR 2005, 59

ZfS 2005, 174

RdW 2005, 31

VRA 2005, 42

VRR 2005, 31

VRR 2005, 42

ZFE 2005, 2

r+s 2005, 80

JT 2005, 164

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