Rn 2

Der ›Erbfall‹ ist als äußeres Merkmal für die Beerbung in aller Regel der Tod des Erblassers, seltener die bloße Todesvermutung. Die Feststellung des exakten Todeszeitpunktes kann wegen der Möglichkeit der Reanimation und Intensivtherapie im Einzelfall schwierig sein. Maßgebend ist der sog Gesamthirntod (hM BayObLG NJW-RR 99, 1309), dh wenn alle Funktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm vollständig und irreversibel ausgefallen sind (Frankf NJW 97, 3099 mwN), dauerhaft keine Gehirnkurven mehr geschrieben werden und eine Reanimation ausgeschlossen ist (Köln NJW-RR 92, 1480). Eine genaue Feststellung des Todeszeitpunkts ist indes nur dann erforderlich, wenn geringe Zeitdifferenzen über die Erbfolge entscheiden. Bei einem Verschollenen wird widerlegbar vermutet, dass der Tod zu dem im Beschl genannten Zeitpunkt eingetreten ist, §§ 9 I, 44 II VerschG (§ 1923 Rn 6). Wird die Todeserklärung später wieder aufgehoben, kann der fälschlich für tot Erklärte nach § 2031 vorgehen.

 

Rn 3

Nach § 11 VerschG ist von einem gleichzeitigen Todeszeitpunkt auszugehen, wenn die Sterbezeiten mehrerer Personen in einem gemeinsamen Zeitraum liegen (BayObLG NJW-RR 99, 1309 [KG Berlin 22.09.1998 - 1 W 583/98]; aA Hamm NJW-RR 96, 70 [OLG Hamm 12.06.1995 - 15 W 120/95]). Der genaue Todeszeitpunkt kann Bedeutung erlangen, wenn in dem für den Tod maßgebenden Zeitpunkt weitere Personen verstorben sind, die als Erben in Betracht kommen, wie insb bei Ehegatten, die zB aufgrund eines Flugzeugabsturzes versterben. Haben sie diesen Fall testamentarisch (sog Katastrophenklausel als bedingte Erbeinsetzung) nicht geregelt, wird jeder Ehegatte von seinen gesetzlichen Erben beerbt, da eine gegenseitige Erbeinsetzung gegenstandslos geworden ist (RGZ 149, 200). Die Beweislast für den Tod des Erblassers und den Zeitpunkt des Eintritts des Todes liegt bei demjenigen der ein Erbrecht geltend macht (BaumgLP/Schmitz § 1922 Rz 1). Der Beweis für den Eintritt des Todesfalls ist idR durch Sterbeurkunde zu erbringen.

 

Rn 4

Zu Lebzeiten des Erblassers haben die als künftige Erben Berufenen keine gesicherte Rechtsposition iS eines Anwartschaftsrechts. Etwas anderes gilt für die Rechtsstellung des Nacherben nach dem Tod des Erblassers und des aufschiebend bedingt eingesetzten Erben nach dem Tod des Erblassers (§ 161). Die Position des Schlusserben eines Berliner Testaments nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten schafft lediglich eine (negative) Rechtsposition im Hinblick auf die Bindung des Überlebenden (BSG ZEV 10, 585; § 2271 Rn 7). Die Stellung des (zukünftigen) Erben gewährt keinen Anspruch gegen den Erblasser oder eine rechtliche Befugnis iS einer Rechtsmacht und begründet auch keine vermögensrechtlichen (BSG ZEV 10, 585; offengelassen in BGHZ 37, 31 und BGH NJW 98, 543), übertragbaren oder vererblichen Rechtspositionen (BGHZ 23, 259), weshalb sie weder ge- noch verpfändet (BGHZ 12, 118) werden können.

 

Rn 5

Eine Vormerkung (BGHZ 12, 115) zur Sicherung der Aussicht auf den künftigen Nachlass oder auch auf Absicherung eines Vermächtnisanspruchs (vgl Zimmer DNotZ 2006, 724; § 883 Rn 6) ist nicht möglich.

 

Rn 6

In gleicher Weise unzulässig ist die Feststellungsklage des Erbanwärters über sein künftiges Erbrecht zu Lebzeiten des Erblassers, da es an einem Rechtsverhältnis iSd § 256 ZPO fehlt (RGZ 169, 98; Zöller/Greger ZPO § 256 Rz 3a). Entspr gilt für alle Klagen, durch die nur einzelne Voraussetzungen des künftigen erbrechtlichen Erwerbs festgestellt werden sollen, wie zB die Klage auf Feststellung, dass ein bestimmter Gegenstand noch im Vermögen des künftigen Erblassers ist (Karlsr FamRZ 89, 1351) oder auf Feststellung der Gültigkeit des Testaments eines noch Lebenden (BGH NJW 62, 1913). Dagegen soll ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nach Eintritt des Erbfalls gegeben sein, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Betreffenden eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit drohe und das erstrebte Urt geeignet sei, diese Gefahr zu beseitigen; deshalb könne auch das Bestehen oder Nichtbestehen eines (Mit-)Erbrechts Gegenstand einer Feststellungsklage sein (BGH ZEV 10, 468 [BGH 14.04.2010 - IV ZR 135/08]). Der Zulässigkeit einer Feststellungsklage soll daher auch nicht entgegen stehen, dass die Parteien über die Wirksamkeit bestimmter Testamente streiten und dieses Urt im streitigen Verfahren nur zwischen diesen Parteien wirkt, ohne Bindungswirkung für das Erbscheinsverfahren mit weiteren Beteiligten zu entfalten (BGH aaO). Dieser ›Feststellungsaktionismus‹ (Muscheler Erbrecht Rz 701) ist jedenfalls für den Zeitraum vor Eintritt des Erbfalls abzulehnen. Abgesehen von der Zulässigkeit von Feststellungsklagen bei Erbverzichtsverträgen (§ 2346) und Verträgen nach § 311b V als lebzeitige Rechtsgeschäfte, fehlt es idR bereits an einem festzustellenden Rechtsverhältnis. Selbst bei Eintritt der Vertragsmäßigkeit beim Erbvertrag oder der Bindung beim gemeinschaftlichen Testament fehlt ...

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