I. Formbedürftigkeit.

 

Rn 5

Formlos möglich sind Vereinbarungen über den Familienunterhalt (§ 1360), über die scheidungsbedingte Auseinandersetzung gemeinschaftlichen Vermögens, solange nicht im Einzelfall gesetzliche Formvorschriften zu beachten sind, zB § 311b (Ddorf FamRZ 01, 765), die Erteilung der nach §§ 1365, 1369, 1423–1425 erforderlichen Zustimmung zu Verfügungen des anderen sowie solche Vereinbarungen, die auch mit Dritten formlos möglich wären (zB Rückabwicklung von Zuwendungen, gesellschaftsrechtliche, arbeitsrechtliche Regelungen).

 

Rn 6

Formbedürftig sind dagegen die Regelung der Unterhaltspflicht nach Ehescheidung, die vor der Scheidung getroffen wird (§ 1585c), der güterrechtlichen Verhältnisse (§§ 1408 I, 1410), über den Versorgungsausgleich (§§ 1408 II, 1410, 7 VersAusglG), hinsichtlich Ausschluss oder Einschränkung der Überlassung der Vermögensverwaltung (§ 1413) sowie über den Zugewinnausgleich während eines Ehescheidungsverfahrens (§ 1378 III 2, vgl dort Rn 12 ff), auch in Form eines konstitutiven oder deklaratorischen Schuldanerkenntnisses (Hamm FamFR 13, 511). Die Abänderung eines wirksamen formbedürftigen Ehevertrages ist selbst formbedürftig, auch dann, wenn der Regelungsgegenstand als solcher keinen Formvorschriften unterliegt; Nichtbeachtung führt gem § 139 zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages (Bremen FamRZ 11, 304). Als Folge der Formbedürftigkeit können außerhalb der Vertragsurkunde liegende, eine ergänzende Vertragsauslegung rechtfertigende Umstände nur berücksichtigt werden, wenn der von einem Vertragspartner behauptete rechtsgeschäftliche Wille der Beteiligten in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat, sog ›Andeutungstheorie‹ (BGH NJW-RR 02, 1513 [BGH 29.05.2002 - XII ZR 263/00]; Brandbg 19.2.21 – 13 UF36/20, juris).

II. Vertragsfreiheit und deren Einschränkung.

 

Rn 7

Auch für Eheverträge gilt der aus der Privatautonomie (Art 2 GG) abgeleitete Grundsatz der Vertragsfreiheit. Er wird jedoch durch den Grundsatz der nachehelichen Solidarität (§ 1353) eingeschränkt. Veranlasst durch die Rspr des BVerfG (FamRZ 01, 343; FamRZ 01, 985) hat der BGH Prüfkriterien zur Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle aufgestellt (BGH FamRZ 04, 531). Diese sind auch auf Scheidungsfolgenvereinbarungen (Jena FamRZ 07, 2079) und alte Eheverträge anwendbar, weshalb Anlass bestehen kann, auch diese auf ihre Wirksamkeit im Licht der Rspr zu überprüfen.

 

Rn 8

Nach dem BVerfG (aaO) ist es im Fall besonders einseitiger ehevertraglicher Lastenverteilung und einer erheblich ungleichgewichtigen Verhandlungsposition der Vertragspartner Aufgabe der Zivilgerichte, durch vertragliche Inhaltskontrolle und ggf Korrektur zu verhindern, dass sich für einen Vertragspartner die Selbstbestimmung in Fremdbestimmung verkehrt. Wird der Ehevertrag im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geschlossen, gebietet es auch Art 6 GG, die Schwangere davor zu schützen, dass sie durch ihre Situation zu Vereinbarungen gedrängt wird, die ihren Interessen massiv zuwiderlaufen.

 

Rn 9

Danach darf der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen nicht beliebig unterlaufen werden. Die Grenze ist da zu ziehen, wo die vereinbarte Lastenverteilung evident einseitig erscheint und für den belasteten Ehegatten bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar ist (BGH FamRZ 04, 601; FamRZ 05, 691). Das ist umso mehr der Fall, als die vertragliche Regelung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift, wobei ein Eingriff hierin nicht generell unzulässig ist (BGH FamRZ 06, 1359). Bei der vorzunehmenden Abstufung steht der Unterhalt wegen Kindesbetreuung an erster Stelle (BGH FamRZ 13, 269), gefolgt vom Unterhaltsanspruch wegen Krankheit/Gebrechen und wegen Alters, gleichrangig mit dem Versorgungsausgleich (Hamm FF 13, 315 [OLG Hamm 20.12.2012 - 11 UF 180/12]). Danach folgen der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573), der Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt, der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 II) und der Ausbildungsunterhalt (§ 1575). Da der Zugewinnausgleich nicht an konkrete Bedarfslagen anknüpft, ist hier am weitesten Raum für eine vertragliche Disposition gegeben (BGH FamRZ 13, 269; Karlsr FamRZ 21, 1526). In Fällen sog Funktionsäquivalenz von Versorgungs- und Zugewinnausgleich ist iRd Ausübungskontrolle ein Hinübergreifen auf das andere vermögensbezogene Ausgleichssystem zu prüfen (BGH FamRZ 18, 1188; Celle NZFam 21, 591). Angenommen werden kann dies bspw, wenn ein Ehegatte seine Altersversorgung als Selbstständiger durch Bildung eines dem (ausgeschlossenen) Zugewinnausgleich unterliegenden Vermögens betreibt (BGH aaO; Karlsr FamRZ 15, 500).

III. Wirksamkeitskontrolle.

 

Rn 10

Neben den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit (§§ 134, 8 VersAusglG) ist danach iRd Wirksamkeitskontrolle anhand des § 138 zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses iRe Gesamtschau eine Zwangslage in objektiver und subjektiver Hinsicht (konkrete subjektive Unterlegenheit in der Form einer stark ausgeprägten wirtschaftlichen und sozialen Abhängigkeit) gegeben war. Dabei kann der Zeitpunk...

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