Rn 17

Die dogmatische Einordnung der übereinstimmenden Erledigungserklärungen (prozessuale Bewirkungshandlungen, Prozessvertrag zwischen den Parteien, Klageverzicht oder privilegierte Klagerücknahme) ist umstr (vgl bereits Habscheid JZ 63, 579), hat jedoch praktisch kaum Bedeutung. Es ist nahe liegend, die übereinstimmenden Erledigungserklärungen als Rechtsinstitut eigener Art zu begreifen (Musielak/Flockenhaus Rz 14; MüKoZPO/Schulz Rz 24). Die Erledigungserklärung ist eine Prozesshandlung, dh die einzelnen Prozesshandlungsvoraussetzungen (insb Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit) müssen vorliegen. In Anwaltsprozessen besteht auch dann kein Anwaltszwang, wenn die Erklärung in der mündlichen Verhandlung erfolgt (BGH NJW-RR 12, 688 [BGH 24.10.2011 - IX ZR 244/09] und DGVZ 19, 79). Hierfür spricht neben dem Wortlaut des § 78 III Hs 2 (›vor dem Urkundsbeamten vorgenommen werden können‹) auch der Zweck des Abs 1 S 1 (Schlesw MDR 99, 252 [OLG Schleswig 09.09.1998 - 12 U 56/95]; aA Bergerfurth NJW 92, 1655, 1657).

 

Rn 18

Die Erklärung kann in der mündlichen Verhandlung (§ 297), schriftsätzlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen. Sie kann nach § 129a abgegeben werden (Ddorf OLGR 08, 23). Die Erledigung muss nicht wörtlich oder ausdrücklich erklärt werden. Die Erklärung kann auch durch schlüssiges Handeln erfolgen. Ausreichend ist, wenn sich der hierauf gerichtete Wille der Partei konkludent im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln lässt (BGH NJW-RR 91, 1211; Frankf FA 19, 309). Von übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist auszugehen, wenn die Parteien nur noch über die Kosten des Rechtsstreits streiten (Saarbr OLGR 00, 496) oder nach ›Antragsrücknahme‹ widerstreitende Kostenanträge stellen und die Kostentragungspflicht erörtern (Köln NJW-RR 98, 143 [OLG Köln 18.02.1997 - 3 W 7/97]). Wesentlich ist, dass die Erklärungen inhaltlich übereinstimmend zum Ausdruck bringen, dass sie den Streit in der Hauptsache beenden wollen, ohne dass eine Klagerücknahme oder ein Anerkenntnis vorliegt (Pape/Notthoff JuS 95, 912, 914). Eine Erledigungserklärung des Kl liegt vor, wenn dieser sich darauf beruft, dass sein ursprüngliches Begehren wegen eines nachträglichen Ereignisses gegenstandslos geworden sei und er deshalb daran nicht mehr festhalte, dem Beklagten aber – abw vom Regelfall des § 269 I, III 2 Hs 1 – die Kosten aufzuerlegen seien. Hiervon ist bei Ermäßigung des Klageantrages unter Berufung auf eine nachträgliche Zahlung des Beklagten auszugehen (BGHZ 21, 298 = NJW 56, 1517). Von Zustimmung des Beklagten ist auszugehen, wenn dieser weder der Erledigung widerspricht, noch das erledigende Ereignis bestreitet und nur noch Kostenantrag stellt (BayObLG NJW-RR 99, 1687; Saarbr OLGR 00, 496). Von seinem Widerspruch ist demgegenüber auszugehen, wenn er durch Festhalten an seinem Klageabweisungsantrag zum Ausdruck bringt, dass er eine streitige Entscheidung wünscht. Die Erledigungserklärung des Kl ist von der Klagerücknahme und dem Klageverzicht abzugrenzen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Kl bei diesen jeweils grds die Kosten des Rechtstreits zu tragen hat (vgl Rn 1). Zur Auslegung, sofern eine privilegierte Klagerücknahme nach § 269 III 3 in Betracht kommt, vgl auch Rn 55. Zur Erklärung ›abzüglich am … gezahlter …‹ vgl Rn 44. Die Erklärung des Beklagten ist vom Anerkenntnis abzugrenzen. Erklärt der Bekl, er erkenne den Antrag auf einseitige Erledigungserklärung an und das sei keine mit der Erklärung des Kl übereinstimmende Erledigungserklärung, ist nach § 307 zu verfahren (Hamm NJW-RR 95, 1073 [OLG Hamm 03.11.1994 - 4 U 6/91]). Sofern Zweifel an der gewollten Rechtsfolge bestehen, hat das Gericht nach § 139 auf Klärung hinzuwirken.

 

Rn 19

Bloßes Schweigen des Beklagten reicht grds nicht für die Annahme, er schließe sich der Erledigungserklärung an (Stuttg MDR 10, 1078; Ddorf MDR 03, 1013 [OLG Schleswig 25.03.2003 - 2 W 45/03]). Nach § 91a I 2 wird die Zustimmung des Beklagten aber fingiert, wenn dieser einer entsprechenden Erklärung des Kl nicht binnen einer Notfrist (§ 224 I) von zwei Wochen nach Zustellung des die Erklärung enthaltenen Schriftsatzes widerspricht, sofern er zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist. Hinzuweisen ist auf die in § 91a I 1 geregelte Rechtsfolge (BGH NJW 09, 1973 [BGH 11.03.2009 - VIII ZB 70/07]). Nach Hamm NJW-RR 14, 446 [OLG Hamm 06.12.2013 - 9 W 60/13] reicht im Anwaltsprozess die konkrete Nennung des § 91a I 2 aus. Das Gericht sollte den eine Erledigungserklärung enthaltenen Schriftsatz zur Verfahrensbeschleunigung stets mit einem entsprechenden Hinweis in der Begleitverfügung zustellen, um Verzögerungen durch erforderliche Rückfragen zu vermeiden.

 

Rn 20

Die Reihenfolge der Erledigungserklärungen ist unerheblich. Die Form der Erklärung bindet den sich Anschließenden nicht. Sofern die übereinstimmenden Erklärungen schriftsätzlich abgegeben wurden, hat eine Wiederholung in der mündlichen Verhandlung nur deklaratorischen Charakter (Hamm JurBüro 96, 85...

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