Gesetzestext

 

(1) Auf Antrag des Gläubigers erlässt das Gericht gegen den Schuldner, der dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder die Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ohne Grund verweigert, zur Erzwingung der Abgabe einen Haftbefehl. In dem Haftbefehl sind der Gläubiger, der Schuldner und der Grund der Verhaftung zu bezeichnen. Einer Zustellung des Haftbefehls vor seiner Vollziehung bedarf es nicht.

(2) Die Verhaftung des Schuldners erfolgt durch einen Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher händigt dem Schuldner von Amts wegen bei der Verhaftung eine beglaubigte Abschrift des Haftbefehls aus.

A. Bedeutung und Normzweck.

 

Rn 1

Die Erzwingungshaft wird auf Antrag des Gläubigers gerichtlich angeordnet, wenn der Schuldner dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft unentschuldigt fernbleibt oder diese ohne Grund verweigert. Die Norm fasst inhaltlich die Vorgaben der bisherigen §§ 901 aF und 909 I aF zusammen. Die der Verweigerung der Vermögensauskunft nachfolgende Haft kann aber nunmehr befohlen werden, ohne dass überhaupt ein Vollstreckungsversuch stattgefunden hat (§ 802a Rn 1). Die Haft ist ein Beugemittel zur Erzwingung der Vermögensauskunft mitsamt eidesstattlicher Versicherung (vgl § 888 Rn 1). Sie ist kein Mittel zur Erzwingung der Zahlung durch den Schuldner (Schilken Rpfleger 06, 629, 636).

B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.

I. Antrag des Gläubigers.

 

Rn 2

Ein Haftbefehl wird nicht ohne Antrag des Gläubigers erlassen (kritisch Schilken Rpfleger 06, 629, 636). Der Antrag ist beim Vollstreckungsgericht zu stellen. Zuständig ist nicht das zentrale Vollstreckungsgericht des § 802k, sondern das Amtsgericht des Wohn- bzw Aufenthaltsorts des Schuldners im Sinne von §§ 802e, 764, und zwar zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an den Gerichtsvollzieher (Hamm v 20.11.15 – I-32 SA 63/15 – nv; LG Potsdam DGVZ 18, 72; HK-ZV/Sternal § 802g Rz 11). Der Antrag kann formlos, dh mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich gestellt werden. Die elektronische Antragstellung ist zwar möglich und iRd § 130d verpflichtend, wegen der Grundrechtsrelevanz von Freiheitsentziehungsmaßnahmen kann das Vollstreckungsgericht aber stets die Vorlage des Originaltitels verlangen – das gilt auch bei der Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, da die Verfahrenserleichterung des § 754a I ausschließlich an den Gerichtsvollzieher gerichtete Vollstreckungsaufträge erfasst, nicht jedoch einen an das Vollstreckungsgericht gerichteten Antrag auf Erlass eines Erzwingungshaftbefehls (BGH MDR 22, 123 [BGH 23.09.2021 - I ZB 9/21]). Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 III). Es gibt keine gesetzliche Frist, binnen derer der Antrag auf Erlass des Haftbefehls zu stellen ist. In Betracht kommt aber der Verlust des Antragsrechts infolge der Grundsätze der Verwirkung (LG Osnabrück BeckRS 22, 20979; AG Kamenz BeckRS 22, 23874; MüKoZPO/Forbriger § 802g Rz 4; aA Musielak/Voit/Voit § 802g Rz 5). Der Vollstreckungsauftrag ist an keine besondere Form gebunden. Eine Mussvorgabe für eine Unterschrift gibt es ebenfalls nicht, so dass der Antrag zwar unterschrieben sein sollte, aber auch ohne Unterschrift infolge freier Würdigung der Echtheit und Herkunft wirksam sein kann (Zö/Seibel § 802g Rz 2; Unterschrift gefordert nur bei Vollstreckungsauftrag für die Beitreibung von Gerichtskosten: BGH DGVZ 2015, 147; Generelle Unterschrift fordern: AG Günzburg DGVZ 2010, 235; LG Kassel v 17.4.14 – 3 T 22/14 – nv; Anders/Gehle/Nober ZPO § 802g Rz 6). Der Antrag kann mit demjenigen auf Abgabe der Vermögensauskunft beim Gerichtsvollzieher verbunden werden, in diesem Fall besteht dann Formularpflicht (Modul I Formular nach Anl 1 zu § 1 I ZVFV, s § 802a Rn 4); der Gerichtsvollzieher gibt den Antrag dann an das Vollstreckungsgericht weiter (BTDrs 16/10069, 28). Antragsbefugt ist nur der Titelgläubiger. Vertretungsbefugt für den Gläubiger sind im Rahmen und unter den näheren Voraussetzungen von § 79 II 2 bspw Beschäftigte des Gläubigers oder Inkassobüros. Wird der Antrag durch einen Bevollmächtigten gestellt, so statuiert § 753a keinen umfassenden Zwang zum Nachweis der Vollmacht, vielmehr gelten die allgemeinen Regeln nach §§ 80, 88 (AG Kiel v 16.9.21 – 21 M 1194/21; BeckOKZPO/Ulrici § 753a Rz 2). Der Antrag kann zurückgenommen werden (BTDrs 16/10069, 28), was zur Aufhebung des Haftbefehls und Haftentlassung führt.

II. Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und der Abgabe der Vermögensauskunft.

 

Rn 3

Die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung müssen vorliegen und Vollstreckungshindernisse dürfen nicht bestehen (vgl § 802c Rn 4). Eine Verhaftung ist also wegen § 89 InsO nicht möglich, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde; der verhaftete Insolvenzschuldner ist aus der Haft zu entlassen (Uhlenbruck/Mock § 89 InsO Rz 31). Das gilt auch für ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union eröffnetes Insolvenzverfahren (Art 16 EuInsVO). Im Rahmen der Auskunftspflichten nach §§ 97, 98 InsO ist freilich eine Verhaftung möglich.

Außerdem müssen die Voraussetzungen für die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c gegeben sein, also insbesondere eine...

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