Rn 1

Die Sachaufklärung hat in den letzten Jahrzehnten praktisch an Bedeutung gewonnen; Gläubiger sind insb aufgrund des Rückgangs der Mobiliarvollstreckung mehr und mehr auf die Beschaffung von Informationen über das Vermögen des Schuldners angewiesen (Brunner DGVZ 22, 1). Durch Art 1 Nr 7 des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung vom 29.7.09 (BGBl I 2009, 2258) wurden die §§ 802a bis 802l mit Wirkung zum 1.1.13 neu in das Achte Buch der ZPO eingefügt. Ein gewisses Vorbild findet § 802a I in § 806b aF, wobei das Prinzip der Effektivität der Zwangsvollstreckung ohnehin schon eine – auch verfassungsrechtlich abgesicherte (Würdinger JZ 11, 177, 178) – Vorgabe war und ist, so dass die einfachgesetzliche Festschreibung eher programmatische Bedeutung hat. Die Besonderheit der sonstigen Regelungen zur Sachaufklärung – und insofern sind sie ohne Vorbild – ist die Verbesserung der Informationsbeschaffung und deren Vorverlagerung an den Vollstreckungsbeginn (BTDrs 16/13432, 1 ff). Vorher waren die eidesstattliche Versicherung und damit die Vorlage eines Verzeichnisses des gesamten Vermögens erst nach einer fehlgeschlagenen oder aussichtslosen (Fahrnis-)Vollstreckung möglich. Bestandteile der Informationsbeschaffung sind eine Vermögensauskunft durch den Schuldner (s § 802c), Drittauskünfte (s § 802l) und eine Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher (s § 755, Goebel FoVo 12, 101). Die Reform ist dabei im Kontext der schon durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle erfolgten Verlagerung der Zuständigkeit für das Offenbarungsverfahren auf den Gerichtsvollzieher zu sehen (Schilken Rpfleger 06, 629, 634). Außerdem wird durch das Gesetz die Möglichkeit gütlicher Erledigung des Vollstreckungsverfahrens durch den Gerichtsvollzieher gestärkt (s § 802b). Zudem führte das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung zu einer Neukonzeption des Schuldnerverzeichnisses (s §§ 882b ff). Schließlich ging es um die modernere, zentralisierte und elektronische Verwaltung des Vermögens- und Schuldnerverzeichnisses (s §§ 802k, 882h). Gleichgeblieben ist die funktionale Aufgabenverteilung zwischen Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgericht, so dass – trotz andersgearteter Wünsche (etwa Gietmann DGVZ 09, 157, 158; Würdinger JZ 11, 177, 185; Fischer DGVZ 10, 113, 122; Seip DGVZ 06, 1, 8) – die Kompetenz der Gerichtsvollzieher nicht auf die Forderungspfändung erweitert wurde (zust etwa Bruns DGVZ 10, 24).

 

Rn 2

Die Neuregelungen aufgrund der Europäischen Kontenpfändungsverordnung (Rn 3) gelten seit dem 26.11.16 (Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG). Die Neuregelungen betreffend Drittauskünfte (Arbeitgeberdaten) gelten seit dem 1.1.21 (Rn 3).

 

Rn 3

Der Ablauf der Vollstreckung gestaltet sich im Überblick wie folgt (vgl Übersichten Seip DGVZ 06, 1, 2; Jäger RBeistand 08, 43, 44; HK-ZV/Sternal vor §§ 802a–802l, Rz 17): Nach Vollstreckungsauftrag (weitgehender Formularzwang ab 22.12.22 gem ZVFV, vorher GVFV, s Rn 4) und ggf Aufenthaltsermittlung durch den Gerichtsvollzieher (§§ 754, 755) fordert dieser den Schuldner zur Leistung auf. Kommt es danach zur Gläubigerbefriedigung oder zum Abschluss einer Ratenvereinbarung (§ 802b II) ist das Verfahren zunächst erledigt – es sei denn, der Gläubiger widerspricht der Vereinbarung oder der Schuldner gerät in Zahlungsverzug (dann endet der Vollstreckungsaufschub, § 802b III). Bleibt die Leistung nach der Leistungsaufforderung durch den Gerichtsvollzieher hingegen aus, ist der Schuldner auf Verlangen des Gerichtsvollziehers bereits jetzt zur Vermögensauskunft verpflichtet (§§ 802c, 802f). Verweigert der Schuldner diese oder bleibt er fern, kommt es zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis (§ 882c I 1 Nr 1), Erzwingungshaft (§ 802g) und es sind – bei dauernder Verweigerung – Drittauskünfte möglich (§ 802l). Wird die Vermögensauskunft abgegeben und ihre Richtigkeit an Eides Statt versichert, ergibt sich aber kein verwertbares Vermögen, kommen ebenfalls Drittauskünfte in Betracht (§ 802l). Ergibt sich aus der an Vermögensauskunft verwertbares Vermögen, kommt neben der Vollstreckung in das verwertbare Vermögen wiederum eine Ratenvereinbarung in Betracht. Die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgt schließlich auch, wenn weder die Drittauskünfte noch eine stattgefundene Vollstreckung zu hinreichendem verwertbaren Vermögen und hinreichender Befriedigung führen (§ 882c I 1 Nrn 1, 2 u 3). Auch die – freilich vAw erfolgende – Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ist gem. § 882c I 2 Teil des Vollstreckungsverfahrens und kausale und zwingende Folge des Vollstreckungsauftrags (KG DGVZ 17, 78).

Die Reform hat – trotz einiger Detailkritik – großteils Zustimmung in Wissenschaft und Praxis gefunden und sich inzwischen bewährt, da sie zu einer Effektivierung der Vollstreckung sowohl gegenüber dem zahlungsunwilligen als auch dem (zeitweilig) nicht (voll) zahlungsfähigen Schuldner beitragen kann (s etwa Schilken Rpfleger 06, 629, 639; Würdinger JZ 11, 177; krit etwa Seip DGVZ 06, 1, 5 ff; Gottwald FS Schilken, 663, 677). Mit A...

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