Gesetzestext

 

(1) Ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt, darf der Gerichtsvollzieher auf Grund des Vollstreckungsauftrags und der Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners bei der Meldebehörde die gegenwärtigen Anschriften sowie Angaben zur Haupt- und Nebenwohnung des Schuldners erheben. Der Gerichtsvollzieher darf auch beauftragt werden, die gegenwärtigen Anschriften, den Ort der Hauptniederlassung oder den Sitz des Schuldners zu erheben

1. durch Einsicht in das Handels-, Genossenschafts-, Partnerschafts-, Unternehmens- oder Vereinsregister oder
2. durch Einholung einer Auskunft bei den nach Landesrecht für die Durchführung der Aufgaben nach § 14 Absatz 1 der Gewerbeordnung zuständigen Behörden.

(2) Soweit der Aufenthaltsort des Schuldners nach Absatz 1 nicht zu ermitteln ist, darf der Gerichtsvollzieher

1. zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug oder Fortzug des Schuldners und anschließend bei der gemäß der Auskunft aus dem Ausländerzentralregister aktenführenden Ausländerbehörde den Aufenthaltsort des Schuldners,
2. bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch die dort bekannte derzeitige Anschrift, den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort des Schuldners sowie
3. bei dem Kraftfahrt-Bundesamt die Halterdaten nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes

erheben. Ist der Schuldner Unionsbürger, darf der Gerichtsvollzieher die Daten nach Satz 1 Nummer 1 nur erheben, wenn ihm tatsächliche Anhaltspunkte für die Vermutung der Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts vorliegen. Eine Übermittlung der Daten nach Satz 1 Nummer 1 an den Gerichtsvollzieher ist ausgeschlossen, wenn der Schuldner Unionsbürger ist, für den eine Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nicht vorliegt. Die Erhebung nach Satz 1 Nummer 2 bei einer berufsständischen Versorgungseinrichtung darf der Gerichtsvollzieher nur durchführen, wenn der Gläubiger die berufsständische Versorgungseinrichtung bezeichnet und tatsächliche Anhaltspunkte nennt, die nahelegen, dass der Schuldner Mitglied dieser berufsständischen Versorgungseinrichtung ist.

(3) Nach Absatz 1 oder Absatz 2 erhobene Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei dem Gerichtsvollzieher eingegangen sind, darf dieser auch in einem Zwangsvollstreckungsverfahren eines weiteren Gläubigers gegen denselben Schuldner verarbeiten, wenn die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen.

A. Ratio und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die Vorschrift ist durch das ZwVollStrÄndG v 29.7.09 (BGBl I S 2258) in das Gesetz eingefügt worden und zum 1.1.13 in Kraft getreten. Weitere Änderung hat sie durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr 655/2014 zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) v 21.11.16 (BGBl I, 1591) erhalten. Indem sie dem GV den Zugriff auf Informationen Dritter ermöglicht, verwirklicht sie ein wichtiges Anliegen des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (BGBl I, 2258; vgl vor §§ 704 ff Rn 23). Während sich das alte Recht nahezu ausschließlich mit Eigenangaben des Schuldners begnügte, wird nun mit den Auskünften dritter Personen neben den Selbstauskünften eine zweite Informationsquelle erschlossen. In § 755 geht es um die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Schuldners zur Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsauftrags nach § 754 (Ehmann NJW 13, 1862; Schmidt JurBüro 13, 453; Erfahrungsbericht bei R. Schmidt JurBüro 14, 6). Wie in § 802l ist die Ermittlung auch in § 755 ggü der Selbstauskunft des Schuldners subsidiär ausgestaltet (BTDrs 16/10069 v 30.7.08, 23). Schließlich steht sie in Teilen unter dem Vorbehalt der sog Bagatellklausel nach Abs 2 S 2 (s Rn 5). Die Aufenthaltsermittlung dient ausschließlich den Zwecken der ZV. Eine sog isolierte Ermittlung des Aufenthaltes ist unzulässig (Büttner DGVZ 14, 188). Zur weiteren Änderung durch das Gerichtsvollzieherschutzgesetz (GVSchuG) v 7.5.21 (BGBl I, 850) s Rn 4 aE.

B. Tatbestand.

I. Unbekannter Wohnsitz oder Aufenthaltsort sowie Zuständigkeit des GV.

 

Rn 2

Grund für die Ermittlung des GV nach § 755 ist, dass der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt ist. Das ist in den folgenden drei Fällen denkbar: der Wohn- und Aufenthaltsort des Schuldners ist schon vor der Beauftragung des GV unbekannt, der GV trifft den Schuldner bei dem Sachpfändungsversuch nicht an und stellt fest, dass er unbekannt verzogen ist. Schließlich kann es auch vorkommen, dass dem GV aufgrund anderer Vollstreckungsaufträge bereits bekannt ist, dass der Schuldner unbekannt verzogen ist. Zuständig für die Aufenthaltsermittlung ist der GV am letzten bekannten Wohnsitz des Schuldners. Die Sache muss a...

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