Leitsatz (amtlich)

§ 36 I Nr. 6 ZPO ist im Einzelvollstreckungsverfahren anwendbar. Örtlich zuständig ist das Vollstreckungsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages seinen Wohnsitz hatte (§ 802e ZPO). Das gilt auch dann, wenn der Gläubiger den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls erst nachträglich gestellt hat und der Schuldner zwischenzeitlich verzogen ist, weil das Vollstreckungsverfahren ein einheitliches Verfahren ist und der Haftbefehl gem. § 802g ZPO der Durchsetzung der Verpflichtungen gem. § 802c ZPO dient, die dem Auftrag an dem Gerichtsvollzieher zugrunde lagen.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 802c, 802e, 802g

 

Verfahrensgang

AG I

 

Tenor

Zuständig ist das AG I.

 

Gründe

I. Die Sache liegt dem Senat zur Zuständigkeitsbestimmung im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gemäß § 802g ZPO vor.

Die Gläubigerin hat zur Vollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid zunächst mit Schreiben vom 09.01.2015 den Gerichtsvollzieher bei dem AG I mit der Abnahme der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung beauftragt. Bei Erteilung des Auftrags wohnte die Schuldnerin in I. Der Antrag ist ihr unter dem 24.01.2015 dort zugestellt worden. Ausweislich einer Auskunft aus dem Meldeportal verzog die Schuldnerin zum 01.02.2015 nach Iserlohn.

Nachdem die Vollstreckungsschuldnerin zu dem anberaumten Termin zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und Abnahme der eidesstattlichen Versicherung am 17.02.2015 nicht erschienen war, hat die Gläubigerin mit Schreiben vom 09.07.2015 den Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gem. § 802g ZPO zunächst vor dem AG I2 gestellt. Nach dessen Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit des AG I2 und die Zuständigkeit des AG I hat die Antragstellerin um Weiterleitung an das AG I gebeten.

Das AG I2 hat die Sache daraufhin an das AG I verwiesen. Das AG I hat die Übernahme des Verfahrens unter Hinweis auf die Zuständigkeit des AG Iserlohn mit Verfügung vom 15.09.2015 abgelehnt und die Akte zurückübersandt. Das AG I hat seine Auffassung, das AG Iserlohn sei zuständig, auch nach erneuter Übersendung durch das AG I2 durch Verfügung vom 05.10.2015 aufrechterhalten.

Durch Beschluss vom 05.11.2015 hat das AG I2 das Oberlandesgericht I gemäß § 36 ZPO ersucht, das zuständige Gericht zu bestimmen.

II.1. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

§ 36 Abs. 1 ZPO ist auch im Einzelvollstreckungsverfahren anwendbar (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 36 ZPO Rn. 23 m.w.N.). Im Hinblick auf die Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens sind der Verweisungsbeschluss des AG I2 und die verbindliche Kompetenzleugnung durch das AG I in den Verfügungen vom 15.09.2015 und vom 05.10.2015 ausreichend, eine beiderseitige rechtskräftige Unzuständigerklärung zu begründen.

Das Oberlandesgericht I ist das nächsthöhere Gericht.

2. Zuständig ist das AG I.

a) Das folgt schon aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses gemäß § 281 Abs. 2 S. 2 und S. 4 ZPO. § 281 Abs. 2 ZPO ist auch im Vollstreckungsverfahren entsprechend anwendbar (Greger in Zöller, a.a.O., § 281 ZPO Rn. 2). Anhaltspunkte für eine fehlende Bindungswirkung, insbesondere eine objektive Willkür, sind nicht ersichtlich. Die Rechtsauffassung des verweisenden AG I2, zuständig sei im Fall des § 802g ZPO das Gericht, in dessen Bezirk der Schuldner im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags nach § 802e ZPO seinen Wohnsitz hatte, entspricht - soweit ersichtlich - allgemeiner Ansicht (vergleiche Stöber in Zöller, a.a.O., § 802g ZPO Rn. 6; Voit in: Musielak, ZPO, § 802g ZPO Rn. 6, beck-online; Utermark/Fleck in: BeckOK ZPO, 18. Edition, Stand: 01.09.2015, § 802g ZPO Rn. 8 m.w.N.).

Diese Auffassung ist aus den Gründen des Vorlagebeschlusses auch richtig. Die Anknüpfung der Zuständigkeit an den Zeitpunkt des Auftrags gem. § 802e ZPO hat ferner auch dann zu gelten, wenn - wie vorliegend - der Gläubiger den Antrag auf Erlass des Haftbefehls erst nachträglich gestellt hat und der Schuldner zwischenzeitlich verzogen ist. Denn es handelt sich um ein einheitliches Vollstreckungsverfahren und der Haftbefehl dient allein und unselbständig der Durchsetzung der Verpflichtungen nach § 802c ZPO, die dem Auftrag an den Gerichtsvollzieher zugrundelagen. Für diesen legt § 802e ZPO die fortdauernde Zuständigkeit bei dem AG der Auftragserteilung fest.

b) Den Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung hat die Gläubigerin im Januar 2015 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Schuldnerin noch in I.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI9216263

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