Gesetzestext

 

(1) Bis zum Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den Feststellungszielen abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden.

(2) 1Die Anmeldung ist nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und folgende Angaben enthält:

1. Name und Anschrift des Verbrauchers,
2. Bezeichnung des Gerichts und Aktenzeichen der Musterfeststellungsklage,
3. Bezeichnung des Beklagten der Musterfeststellungsklage,
4. Gegenstand und Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses des Verbrauchers,
5. Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.

2Die Anmeldung soll ferner Angaben zum Betrag der Forderung enthalten. 3Die Angaben der Anmeldung werden ohne inhaltliche Prüfung in das Klageregister eingetragen.

(3) Die Anmeldung kann bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zurückgenommen werden.

(4) Anmeldung und Rücknahme sind in Textform gegenüber dem Bundesamt für Justiz zu erklären.

A. Anmeldung.

I. Funktion und Wirkung der Anmeldung.

1. Hemmung der Verjährung.

 

Rn 1

Die Anmeldung hemmt die Verjährung des angemeldeten Anspruchs, wobei die Hemmung rückwirkend im Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage eintritt (§ 204 I Nr 1a BGB, vgl aber zur Wirkung bei Ansprüchen, die einem ausländischen Recht unterliegen Stadler NJW 20, 265, 268; Klicka/Leupold VbR 18, 208, 213). Für den Zeitpunkt der Erhebung gilt § 167 (München 29.9.21 – 7 U 2983/21). Auch ein bereits verjährter Anspruch kann durch Anmeldung wieder unverjährt und damit durchsetzbar werden, wenn die Musterfeststellungsklage in noch unverjährter Zeit erhoben wurde (BGH NJW 21, 3250, 3251). Diese Rückwirkung entspricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers (Röthemeyer § 204 BGB Rz 2 mit zutreffendem Verweis auf BTDrs 19/2741, 23, aA MüKoZPO/Menges Rz 52 mwN) und ist auch verfassungskonform (Rüsing NJW 20, 2588; Piekenbrock JZ 20, 122 gegen Grzeszick NJW 19, 3269). Auch wenn die Anmeldung nur vorgenommen wird, um später (nach Rücknahme der Anmeldung) Individualklage zu erheben, so ist dies nicht rechtsmissbräuchlich, denn der Gesetzgeber hat gerade diese Möglichkeit vorgesehen (BGH NJW 21, 3250, 3254). Die Verjährungshemmung wirkt nur für Verbraucher iSd § 29c II (BGH VersR 23, 121).

2. Bindung an das Ergebnis des Musterfeststellungsverfahrens.

 

Rn 2

Die Anmeldung zum Musterverfahren ist zugleich das freiwillige Opt-in in das Musterfeststellungsverfahren. Sofern die Anmeldung nicht gem Abs 3 rechtzeitig zurückgenommen wird, führt sie daher zur Bindung an das Ergebnis des Musterfeststellungsverfahrens, also an ein etwaiges Urteil (§ 613 I) oder an einen Vergleich (dann jedoch erneute Austrittsmöglichkeit, § 611 IV).

3. Sperrwirkung.

 

Rn 3

Weiterhin führt die Anmeldung zu einer zeitweiligen Sperre der individuellen Rechtsverfolgung: Eine Klage des Anmelders in derselben Sache wird für die Dauer des Musterfeststellungsverfahrens unzulässig (§ 610 III), eine bereits erhobene Klage wird ausgesetzt (§ 613 II).

4. Keine Parteistellung oder Beteiligung.

 

Rn 4

Die Anmeldung führt jedoch nicht zu einer Beteiligung am Musterfeststellungsverfahren iSe Parteistellung. Die angemeldeten Verbraucher sind weder Partei noch sonstige Beteiligte des Verfahrens und sind – anders als die Beigeladenen im KapMuG – auch nicht zur Vornahme von Prozesshandlungen befugt. Sie können jedoch als Zeugen gehört werden (BTDrs 19/2507, 16).

II. Berechtigung zur Anmeldung.

 

Rn 5

Hat der Verbraucher seinen Anspruch bereits an einen Unternehmer oder an eine sonstige juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft (zB ein Klagevehikel) abgetreten, so ist fraglich, ob eine Anmeldung dieses Anspruchs noch möglich ist. Dagegen spricht der Wortlaut des Abs 1 iVm § 29c II (›natürliche Person‹). Andererseits stellt § 29c II auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ab. Außerdem kann eine Bündelung von Ansprüchen in einer Hand auch im Hinblick auf die Musterfeststellungsklage durchaus effizient sein, zB könnten Verbraucherzentralen oder andere klagebefugte Einrichtungen Ansprüche durch Abtretung sammeln, anmelden und dann das ordentliche Verfahren nach Durchführung des Musterfeststellungsverfahrens übernehmen. Zur Ermöglichung solcher effizienten Lösungen sollte es daher für die Anmeldung eines Anspruchs ausreichen, dass dieser bei seiner Entstehung einem Verbraucher iSv § 29c II zustand. Auch ein Zessionar, der selbst kein Verbraucher ist, kann daher die Anmeldung durchführen, ohne dass eine umständliche Hin- und Her-Abtretung notwendig wäre (ebenso Röß NJW 20, 953 für die Abtretung an Rechtsanwälte oder Verbraucherverbände). Die Gegenansicht stellt darauf ab, ob der Anspruch sich bei Erhebung der Musterfeststellungslage noch in Verbraucherhand befand, weil nur dann noch das Problem des rationalen Desinteresses bestehe, welches mit der Musterfeststellungsklage gelöst werden solle (Röthemeyer § 29c ZPO Rz 10).

 

Rn 6

Auf die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz des Verbrauchers kommt es nicht an. Anmeldungen gem § 608 sind daher auch durch Verbraucher aus dem Ausland möglich.

 

Rn 7

Die Anmeldung ist kein höchstpersönliches Rechtsgeschäft, sondern kann durch Vertreter vorgenommen w...

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