Entscheidungsstichwort (Thema)

Software, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Zustellung, Fahrzeug, Frist, Zustimmung, Zahlung, Pflichtverletzung, Berechnung, Pkw, Anwaltskosten, Teilnahme, Klage, Zug um Zug, Zustellung der Klage, vorgerichtlicher Anwaltskosten

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 16.04.2021; Aktenzeichen 13 O 4214/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 16.04.2021, Az. 13 O 4214/20, aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 26.648,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2020 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs VW Eos (1968 ccm/103 kW/140 PS) mit der Fahrgestellnummer ...94 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 25.08.2020 mit der Rücknahme des in Ziff. 2 dieses Urteils bezeichneten PKWs in Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.324,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2020 an die Klagepartei zu zahlen.

5. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.

6. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klagepartei nicht Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

8. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages im sogenannten "VW-Diesel-Skandal".

Der Kläger erwarb am 04.03.2013 von der A. E. GmbH & Co.KG einen VW Eos als Neuwagen (km-Stand: 0 km) mit der Fahrzeug-Identifikationsnummer ...94, der mit einem 2,0-Liter Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet ist, zum Preis von 39.770 EUR (Anlage K1). Die Beklagtenpartei ist die Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Motors.

Die im Zusammenhang mit dem Motor EA 189 verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und erließ 2015 - dem Jahr des Bekanntwerdens des Diesel-Skandals - Nebenbestimmungen zur EG-Typgenehmigung. Die Beklagtenpartei bot daraufhin die Durchführung von Software-Updates an, mit denen diese Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 mit 2,0-Liter-Hubraum entfernt werden sollte. Das Update wurde 2018 aufgespielt. Für VW Eos liegt ein erneuter KBA überwachter Rückruf nach Software-Update vor (vgl. Replik vom 01.03.2021, S 83f.).

Der Kläger hat seine Ansprüche noch 2018 zur Eintragung in das Klageregister der am 01.11.2018 eingereichten und am 12.11.2018 zugestellten Musterfeststellungsklage angemeldet (Replik vom 01.03.2021, S. 65). Die Musterfeststellungsklage wurde mit beim Gericht am 30.04.2020 eingegangenen Schriftsatz der klageführenden qualifizierten Einrichtung zurückgenommen. Die Zustimmung der Gegenseite ging am 04.05.2021 bei Gericht ein (vgl. Anlage BB7). Eine Abmeldung des Klägers war nicht erfolgt (vgl. auch Anlage K16).

Mit Schreiben der Klägervertreter vom 17.08.2020 forderte die Klägerin, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, die Beklagtenpartei zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung (Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs) sowie zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten mit Frist bis zum 24.08.2020 auf.

Am 29.10.2020 betrug der Kilometerstand 81.470 km, am 16.03.2021 82.251 km (Bl. 205 d.A.) und am 28.09.2021 82.481 km (Bl. 428 d.A.).

Die Klagepartei führt aus, die Beklagtenpartei habe durch die Verwendung einer Manipulations-Software die Klagepartei vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Wenn sie Kenntnis von dieser Software gehabt hätte, hätte sie den Pkw nicht gekauft. Der Vorstand der Beklagtenpartei habe von der Software gewusst. Dies müsse sich die Beklagtenpartei nach § 31 BGB zurechnen lassen. Durch das angebotene Software-Update lasse sich die Gesetzwidrigkeit nicht beheben. Sie enthalte erneute vorsätzlich sittenwidrige Schädigungen.

Der Kläger beantragte in erster Instanz:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 39.770,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 P...

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