Gesetzestext

 

(1) 1Für Klagen aus außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b des Bürgerlichen Gesetzbuchs) ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Verbraucher zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2Für Klagen gegen den Verbraucher ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) Verbraucher ist jede natürliche Person, die bei dem Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(3) § 33 Absatz 2 findet auf Widerklagen der anderen Vertragspartei keine Anwendung.

(4) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Verbraucher nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

A. Normgegenstand.

 

Rn 1

§ 29c erweitert für das Prozessrecht den durch § 312b BGB (§ 312 BGB aF) bezweckten Schutz von Verbrauchern (§ 13 BGB) bei Haustürgeschäften, die in Umsetzung europarechtlicher Vorgaben und in Erweiterung des bisherigen Begriffs mit Wirkung vom 13.6.14 (BGBl I, 3642) als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge bezeichnet werden (vgl Grüneberg/Grüneberg § 312b Rz 1). Der Verbraucher darf vorbehaltlich § 29c III nur an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Anspruch genommen werden (§ 29c I 2), kann aber selbst seinen Vertragspartner auch in einem anderen Gerichtsstand verklagen (§ 29c I 1; anders noch unter der Geltung der Vorgängerbestimmung des § 7 HausTWG). Diese Regelung soll den Verbraucher im Prozessfall davor bewahren, seine Rechte bei einem möglicherweise weit entfernten Gericht geltend machen zu müssen, obwohl es der andere Vertragspartner gewesen ist, der am Wohnsitz des Verbrauchers die Initiative zum Vertragsschluss ergriffen hat (BGH NJW 03, 1190 [BGH 07.01.2003 - X ARZ 362/02] mit Verweis auf BRDrs 384/75, 26). § 29c II enthält die Legaldefinition eines prozessrechtlichen Verbraucherbegriffs, der ggü dem materiell-rechtlichen Verbraucherbegriff des § 13 BGB weiter gefasst ist, um auch eine Einbeziehung (konkurrierender) gesetzlicher Ansprüche eines Verbrauchers zu ermöglichen (BTDrs 19/2439, 21; 19/2507, 18; BGH WM 22, 2398). Ein allg Gerichtsstand in Verbrauchersachen lässt sich daraus aber nicht ableiten (vgl Zö/Schultzky Rz 2; Musielak/Voit/Heinrich Rz 7; Heidehoff IPrax 06, 612). Deshalb ist die Heranziehung des § 29c für Fernabsatzverträge iSd § 312c BGB abzulehnen (aA Woitkewitsch CR 06, 284 für § 312b aF; vgl auch § 29 Rn 14 ›Fernabsatzvertrag‹). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 29c I es bei einer Bezugnahme auf § 312b – und nicht § 312c (Fernabsatzverträge) – belassen hat. Für Versicherungsverträge vgl die Regelung in § 215 VVG.

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Von seinem sachlichen Anwendungsbereich setzt § 29c voraus, dass ein Anspruch geltend gemacht wird, der einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag iSd § 312b I BGB oder ein Umgehungsgeschäft iSd § 312m I S 2 BGB nF (§ 312 k II S 2 BGB aF) betrifft. Da es sich insoweit um eine doppelrelevante Tatsache handelt, genügt die Schlüssigkeit des klägerischen Vortrags (vgl dazu § 12 Rn 10). Die Prüfung, ob ein entsprechender Vertrag vorliegt, richtet sich nach dem materiellen Recht des BGB (vgl Zö/Schultzky Rz 4; Musielak/Voit/Heinrich Rz 6f). Zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen vgl Grüneberg/Grüneberg § 312b Rz 3 ff; § 312k Rz 3). Die Frage, ob Versicherungsverträge unter § 29c fallen, hat der Gesetzgeber durch die Einführung der Gerichtsstandsbestimmung des § 215 VVG gelöst (zum früheren Recht vgl Köln OLGR 05, 553, 554f). Wegen des unter Rn 1 beschriebenen Schutzzwecks ist der Anwendungsbereich der Vorschrift weit auszulegen (BGH NJW 03, 1190). Unter § 29c fallen alle Rechtsstreitigkeiten wegen Ansprüchen, die den Vertrag oder das Umgehungsgeschäft betreffen (vgl BGH NJW-RR 11, 1137, 1138; Celle NJW 04, 2602; Naumbg NJW-RR 14, 957). Das sind nicht nur die unmittelbar aus dem Vertrag oder dem Umgehungsgeschäft begründeten, sondern auch alle Folgeansprüche gg den Vertragspartner oder gg Dritte, die in die Vertragsanbahnung einschaltet waren (BGH NJW-RR 11, 1137, 1138; WM 17, 231, 232), zB Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Pflichten aus einem Haustürgeschäft, wegen vorvertraglichen Verschuldens (culpa in contrahendo, BGH WM 17, 231, 232) oder wegen einer mit dem Haustürgeschäft begangenen unerlaubten Handlung ggü der Vertragspartei, aber auch ggü ihrem Vertreter (vgl BGH NJW 03, 1190 [BGH 07.01.2003 - X ARZ 362/02]; Celle NJW 04, 2602 f; Naumbg NJW-RR 14, 957 [BGH 03.04.2014 - V ZB 41/13]; Zö/Schultzky Rz 5), Bereicherungsansprüche und Herausgabeansprüche aus § 985 BGB (Zö/Schultzky Rz 4; Musielak/Voit/Heinrich Rz 7) sowie Scheck- und Wechselklagen, wenn das Kausalgeschäft ein...

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