Rn 9

Ob die sofortige Beschwerde eröffnet ist, wird durch das Enumerationsprinzip (Abs 1 Nr 1) einerseits, eine beschränkte Generalklausel (Abs 1 Nr 2) andererseits bestimmt. Die sofortige Beschwerde findet zum einen dann statt, wenn dies in der ZPO sowie in anderen Gesetzen, die auf die ZPO verweisen (vgl etwa §§ 4, 6 InsO, § 17a IV 3 GVG für Entscheidungen der Amts- und Landgerichte, §§ 95, 96 ZVG), ausdrücklich angeordnet ist. Auf den Gegenstand der Entscheidung kommt es hier nicht an, wohl aber gelegentlich auf ihren Inhalt (zB §§ 46 II, 127 II, III). Zum anderen ist sie statthaft, wenn ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist, ohne dass eine mündliche Verhandlung erforderlich war. Nach § 128 IV ist dies bei Entscheidungen, die nicht in Urteilsform ergehen, stets der Fall, soweit nichts anderes bestimmt ist. Darf eine Entscheidung nur aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ist die sofortige Beschwerde statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich angeordnet ist (also Nr 1 eingreift); fehlt eine solche Bestimmung, kann eine Überprüfung allenfalls iRd Rechtsmittels gegen die Hauptsacheentscheidung erfolgen. Ob tatsächlich eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, ist ohne Belang. Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift sind sowohl Beschlüsse des Gerichts (des Kollegiums oder des Einzelrichters) als auch Verfügungen des Vorsitzenden (nach BTDrs 14/4722, 110 auch Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters; vgl dazu aber § 573). Durch die Entscheidung muss ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden sein. ›Verfahren‹ ist der jeweils anhängige Rechtsstreit. Die Partei muss einen Antrag gestellt haben (vgl BGH NJW 15, 1308 Rz 21; BGHZ 227, 1 = WM 20, 1880 Rz 12). VAw zu treffende Entscheidungen sind auch dann nicht anfechtbar, wenn die Partei eine bestimmte Maßnahme angeregt hatte, das Gericht der Anregung aber nicht gefolgt war (BGH MDR 04, 698, 699; NJW 05, 143, 144; MDR 09, 159, 160 Rz 12; WRP 14, 590 Rz 8 f; FamRZ 16, 1679 Rz 14 ff; VersR 17, 908 Rz 9; NJW 20, 1074 Rz 11; WM 21, 705 Rz 12). Der Antrag muss schließlich zurückgewiesen worden sein. Nur der Antragsteller ist durch eine ihn belastende Entscheidung beschwert. Dass die Partei einem Antrag des Gegners entgegengetreten ist, reicht nicht aus. Es fehlt dann an einem zurückgewiesenen Verfahrensgesuch (BGH MDR 16, 1286 [BGH 22.06.2016 - XII ZB 142/15] Rz 16; 20, 878 Rz 23; RGZ 46, 366, 367; Karlsr MDR 07, 236). Nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind instanzielle Anordnungen zur Beweiserhebung, etwa der Beweisbeschluss (BGHZ 233, 258 = NJW 22, 2622 Rz 10), die Anforderung eines Auslagenvorschusses (BGH MDR 09, 763), die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens gem § 412 (BGH BauR 10, 832 Rz 5 ff; BauR 11, 1366 Rz 5), die Ablehnung der Anordnung einer Urkundenvorlegung nach § 142 I (BGH VersR 17, 908), der Beschluss über die Durch- oder Fortführung eines selbstständigen Beweisverfahrens (BGH NJW-RR 22, 1533 [BGH 15.09.2022 - V ZB 71/21] Rz 6), die Ablehnung einer Weisung an den Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren (BGH NJW 20, 1074 [BGH 01.10.2019 - VI ZR 164/18] Rz 9), die Bestimmung einer Klagefrist nach § 494a (BGH NJW-RR 10, 1144 Rz 9). Überprüft werden derartige Anordnungen iRd Anfechtung der Endentscheidung. Nur in Fällen einer drohenden irreversiblen Verletzung von Grundrechten einer Partei durch die Beweisaufnahme kommt die isolierte Anfechtung eines Beweisbeschlusses in Betracht (BGHZ 233, 258 = NJW 22, 262 Rz 15). Die Ablehnung eines Antrags auf Protokollberichtigung kann dann mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden, wenn sich die Unrichtigkeit aus den Akten ergeben soll (Frankf NJW-RR 13, 574, 575 [OLG Bremen 19.11.2012 - 1 U 35/12]).

 

Rn 10

Die sofortige Beschwerde findet nur gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der Amts- und Landgerichte statt. Gegen Entscheidungen des OLG ist sie auch dann ausgeschlossen, wenn eine andere Vorschrift der ZPO – etwa § 71 II – sie ausdrücklich eröffnet (BGH MDR 13, 485 [BGH 05.12.2012 - I ZB 7/12] Rz 12; zur Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde su § 574 Rn 4). Entscheidet das OLG oder das LG als Berufungsgericht vor Erlass des Berufungsurteils selbstständig über eine Besetzungsrüge, ist die sofortige Beschwerde nicht eröffnet (BGH MDR 09, 159 f Rz 7). Gleiches gilt für einen Beschl über eine Richterablehnung in 2. Instanz (BGH MDR 09, 338 [BGH 24.11.2008 - II ZB 4/08] Rz 6; Celle OLG-Rp 02, 228; Naumburg OLG-Rp 08, 312f), eine vom Berufungsgericht gesetzte Räumungsfrist nach § 721 (KG 19.1.12, 12 W 2/12), die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung des Nebenintervenienten (BGH NJW 15, 2425 [BGH 27.02.2015 - V ZR 128/14] Rz 5) oder die Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch das Berufungsgericht (BGH NJW 12, 2449 Rz 4); hier findet stattdessen die Rechtsbeschwerde statt, wenn sie zugelassen wurde (§ 574 I S 1 Nr 2). Die Festsetzung des Wertes der Beschwer durch die Berufungszivilk...

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