Rn 10

Allgemeine berufliche Kontakte des Richters zu einer Partei ohne besondere Nähe oder Intensität genügen nicht für die Annahme der Befangenheit (BGH NJW-RR 13, 1211 [BGH 10.06.2013 - AnwZ (Brfg) 24/12]). Eine enge Beziehung des Richters zu einer Partei über die in § 41 Nr 2–3 normierten hinaus wie Verlöbnis, Liebesverhältnis, Freundschaft, Feindschaft, Bekanntschaft oder Nachbarschaft, kann hingegen eine Ablehnung rechtfertigen (allgM). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (BGH HFR 16, 417). Als Maßstab sollte gelten, wie nahe die Beziehung im konkreten Fall dem Leitbild der genannten Normen kommt (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 7). Ein bestehendes Liebesverhältnis wird sicher zum Ausschluss führen, eine frühere Bekanntschaft oder Freundschaft nicht zwingend (BGH Beschl v 29.6.09 – I ZR 168/06 – Rz 7, juris; St/J/Bork § 42 Rz 15), wohl aber, wenn zwischen dem Ehegatten des Richters und einer Prozesspartei eine enge und langjährige Freundschaft besteht (BGH NJW-RR 21, 187). Bloße Sympathie oder Antipathie begründen für sich die Besorgnis der Befangenheit noch nicht (BVerfGE 73, 330 = NJW 87, 430 [BVerfG 12.07.1986 - 1 BvR 713/83]). Hinzutreten müssen immer weitere Umstände. Diese können darin bestehen, dass der Richter vor dem Eintritt in den Staatsdienst in einem zweijährigen Anstellungsverhältnis zu einer Partei gestanden hat, auch wenn es schon seit 6 Jahren beendet ist (Frankf MDR 08, 710), oder der Richter Vermieter einer von einer Partei bewohnten Wohnung ist (Brandbg MDR 16, 1045 [OLG Brandenburg 12.05.2016 - 10 WF 61/16]).

 

Rn 11

Ferner vermag auch eine enge Beziehung einer dem Richter nahestehenden Person zu einer Partei die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die Nähe der Person zum Richter folgt einmal aus § 41 Nr 1–3, zum anderen kann sie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergeben. So ist Befangenheit für den Fall angenommen worden, dass die Ehefrau des Richters in einem Dienstverhältnis zu einer Partei stand (LG Hanau NJW-RR 03, 1368 [BGH 25.06.2003 - XII ZB 169/99]). Entscheidend hierfür sind dabei Betriebsgröße und Organisation sowie Stellung und Tätigkeit der Person innerhalb der Organisation (München Beschl v 26.8.09 – 1 W 2051/09 – Rz 4, juris).

 

Rn 12

Die enge persönliche Beziehung zum Prozessbevollmächtigen einer Partei, sei es des Richters selbst oder einer ihm nahestehenden Person (s Rn 11) dürften im Regelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen (allgM; Köln NJW-RR 19, 885 [OLG Köln 12.12.2018 - 17 W 134/18]; Ddorf NJW-RR 18, 448 [OLG Düsseldorf 05.02.2018 - II-8 UF 58/15]), die lockere Freundschaft reicht in der Regel indes nicht (St/J/Bork § 42 Rz 4; Zö/Vollkommer § 42 Rz 13), wohl aber, wenn sie sich über längere Jahre verfestigt hat (Stuttg MDR 11, 66). Es müssen jedenfalls weitere Umstände hinzutreten (Hambg MDR 03, 287). Auch starke persönliche Spannungen zu einem Prozessbevollmächtigten können zur Ablehnung führen, wenn sie sich in dem konkreten Rechtsstreit manifestieren (Köln NJW-RR, 88, 694; Jena BauR 04, 1815). Die eheliche oder verwandtschaftliche Beziehung des Richters zu einem ansonsten nicht beteiligten Mitglied einer Anwaltskanzlei, gleich, ob als Partner oder als angestellter Rechtsanwalt, rechtfertigt dagegen die Besorgnis der Befangenheit (BGH NJW 19, 516; 12, 1890; ZInsO 18, 2554). Nach wie vor nicht ausreichend dürfte die bloße sonstige persönliche Beziehung sein (BGH NJW-RR 11, 648; Köln Beschl v 26.4.17 – 16 W 26/17, juris). Die Mitteilung einer auf den Streitfall bezogenen Einschätzung ggü der Lebensgefährtin des Richters, die zu der Prozessbevollmächtigten des Klägers eine von persönlicher Freundschaft geprägte Bürogemeinschaft unterhält, rechtfertigt die Ablehnung des Richters wg Besorgnis der Befangenheit selbst dann, wenn diese Mitteilung in Unkenntnis der künftigen Verfahrensbeteiligten erfolgt ist (aA Sächsisches LSG Beschl v 27.9.11 – L 7 SF 114/11 ABRz 4 f – juris), ebenso die Mitgliedschaft des Ehegatten des Richters in einer Anwaltssozietät, die im Rechtsstreit ein Rechtsgutachten erstellt hat (Ddorf Beschl v 3.3.16 – 11 W 53/15, 54/15, juris).

Die persönliche Beziehung zu einem Zeugen, auch eine negativ besetzte, kann die Befangenheit nur begründen, wenn der Zeuge ›in dem Lager einer Partei steht‹ (LSG BaWü Beschl v 15.2.11 – L 8 SF 5748/10 ABRz 8 f – juris), oder wenn eine besonders nahe Beziehung vorliegt (BFH Beschl v 1.8.01 – VII S 5/01Rz 7 – juris), die aber nicht durch bloße Kollegialität zu rechtfertigen ist (aaO Rz 8).

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