Leitsatz (amtlich)

Bei der Frage, ob nahe persönliche Beziehungen zu einem Beteiligten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen vermögen, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehungen zu einem Beteiligten der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Danach kann in einer Kindschaftssache Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters gerechtfertigt sein, wenn dieser der Vermieter der vom Vater bewohnten Wohnung ist und der Vater angegeben hat, der Richter kenne die Probleme, die er, der Vater, seit Jahren mit der Mutter habe, so deren Verweigerungshaltung hinsichtlich des Umgangs mit den gemeinsamen Kindern.

 

Normenkette

FamFG § 6; ZPO §§ 42, 48

 

Verfahrensgang

AG Eisenhüttenstadt (Beschluss vom 01.04.2016; Aktenzeichen 7 F 8/16)

 

Tenor

Die Besorgnis der Befangenheit des Richters am AG. wird für begründet erklärt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 6 Abs. 2 FamFG, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der vom AG im angefochtenen Beschluss gemäß §§ 6 Abs. 1 FamFG, 48 Variante 1, 45 Abs. 1 ZPO geäußerten Auffassung ist die vom Richter selbst und von der Antragstellerin geäußerte Besorgnis der Befangenheit begründet, was durch Beschluss auszusprechen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 48 Rn. 10).

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn aus der Sicht eines Beteiligten bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Nicht erforderlich ist dagegen, dass tatsächlich eine Befangenheit vorliegt. Vielmehr genügt es, dass die aufgezeigten Umstände geeignet sind, dem betroffenen Beteiligten Anlass zu begründeten Zweifeln zu geben; denn die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (BGH, NJW-RR 2015, 445 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 30.10.2014 - V ZB 196/13, BeckRS 2014, 22136; BGH, NJW 2012, 1890 Rn. 10). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier davon auszugehen, dass eine Besorgnis der Befangenheit des Richters besteht.

Dabei kann offen bleiben, ob schon der Umstand, dass zwischen dem Richter und dem Antragsgegner ein Mietverhältnis besteht, die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen kann (vgl. dazu OLG Frankfurt, NJW 2008, 1325; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rn. 12). Denn vorliegend kommt ein über das bloße Bestehen eines Mietverhältnisses hinausgehendes persönliches Bekanntschaftsverhältnis zwischen dem Richter und dem Antragsgegner hinzu.

Bei der Frage, ob nahe persönliche Beziehungen zu einem Beteiligten Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen vermögen, kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. Musielak/Voit/Heinrich, ZPO, 13. Aufl., § 42 Rn. 15; Gehrlein in: MünchKomm zur ZPO, 4. Aufl., § 42 Rn. 10; Vorwerk/Wolf/Vossler, BeckOK ZPO, Edition 20, § 42 Rn. 9). Maßgebend ist, ob nach Art und Gegenstand des Verfahrens und der sich daraus ergebenden Interessenlage vernünftigerweise befürchtet werden muss, der Richter stehe aufgrund seiner persönlichen Beziehungen zu einem Beteiligten der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (BayObLG, NJW-RR 1987, 127; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4.6.2010 - 12 W 18/10, BeckRS 2010, 17387). Danach ist vorliegend Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters gerechtfertigt. So hat der Richter in seiner Anzeige gemäß § 48 ZPO nicht nur darauf hingewiesen, der Vermieter der vom Antragsgegner bewohnten Wohnung zu sein, sondern mit dem Antragsgegner auch darüber hinaus näher bekannt zu sein. So helfe der Antragsgegner der Schwiegermutter des Richters, die in der gegenüberliegenden Wohnung lebe, bei Bedarf und leiste ihr Gesellschaft. In diesem Zusammenhang komme es auch zu Zusammentreffen zwischen Antragsgegner und Richter sowie zu gemeinsamen Gesprächen, die über das bestehende Mietverhältnis hinausgingen. Schon diese Umstände begründen die Besorgnis der Befangenheit. Hinzu kommt hier aber, dass der Antragsgegner, zur Anzeige des Richters nach § 48 ZPO angehört, mit Schreiben vom 29.3.2016 darauf hingewiesen hat, seit dem Ableben des Schwiegervaters des Richters habe sich sein, des Antragsgegners, Verhältnis zum Richter in den privaten Bereich ausgedehnt. Auch kenne der Richter die Probleme, die er, der Antragsgegner, seit Jahren mit der Antragstellerin habe, so deren Verweigerungshaltung hinsichtlich des Umgangs mit den gemeinsamen Kindern. Diese Mitteilung macht deutlich, dass dem Richter aufgrund der persönlichen Beziehung zum Antrag...

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