Gesetzestext

 

(1) 1Die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen rechtzeitig genügend entschuldigt wird. 2Erfolgt die Entschuldigung nach Satz 1 nicht rechtzeitig, so unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Festsetzung eines Ordnungsmittels nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. 3Erfolgt die genügende Entschuldigung oder die Glaubhaftmachung nachträglich, so werden die getroffenen Anordnungen unter den Voraussetzungen des Satzes 2 aufgehoben.

(2) Die Anzeigen und Gesuche des Zeugen können schriftlich oder zum Protokoll der Geschäftsstelle oder mündlich in dem zur Vernehmung bestimmten neuen Termin angebracht werden.

A. Zweck der Norm.

 

Rn 1

Die in § 380 eröffneten Ordnungsmittel sind kein Selbstzweck (§ 380 Rn 8), sondern dienen der Sicherstellung der (zügigen) Beweisaufnahme. Die gerechtfertigten Belange des Zeugen zu wahren ist Zweck des § 381: bei rechtzeitiger genügender Entschuldigung (S 1) und womöglich auch bei einer nicht rechtzeitigen Entschuldigung (S 2) scheidet die Verhängung von Ordnungsmitteln aus. Auch ohne Einlegung der sofortigen Beschwerde (§ 380 III) sind bereits verhängte Ordnungsmittel schließlich wieder aufzuheben, wenn nachträglich die Voraussetzungen für ihre Verhängung entfallen (S 3). Das Verfahren wird überdies zugunsten des Zeugen durch die Vorschriften des § 381 II weiter vereinfacht.

B. Unterbleiben der Ordnungsmittel.

I. § 381 I.

 

Rn 2

Ist das Ausbleiben rechtzeitig und genügend entschuldigt, so scheiden Zwangsmittel von vornherein aus. Nach dem Wortlaut meint die Vorschrift also den Fall, dass sich der Zeuge, schon bevor die Entscheidung über die Zwangsmittel aktuell wird, an das Gericht gewendet hat (Musielak/Voit/Huber § 381 Rz 2).

1. Rechtzeitige Entschuldigung.

 

Rn 3

Die Entschuldigung ist rechtzeitig, wenn auf das zu erwartende Ausbleiben des Zeugen noch sachgerecht reagiert werden kann. In der Regel wird das Gericht den Termin absetzen und – um Kosten, va bei allen anderen Beteiligten zu sparen – die übrigen Verfahrensbeteiligten hiervon verständigen. Nur wenn hierfür im üblichen Geschäftsbetrieb noch genügend Zeit bleibt, wird von Rechtzeitigkeit auszugehen sein (Musielak/Voit/Huber § 381 Rz 4). Zu Eilmaßnahmen – um verspätete Entschuldigungen aufzufangen – ist das Gericht nicht verpflichtet. Eine Entschuldigung, die erst einen Tag vor der Verhandlung eingeht, ist daher nicht rechtzeitig, wenn der Entschuldigungsgrund schon früher vorgelegen hat (Brandbg 7.2.22 – 12 W 7/22, Rz 8).

2. Genügende Entschuldigung.

 

Rn 4

Von einer genügenden Entschuldigung ist auszugehen, wenn bei objektiver Betrachtungsweise ein hinreichend schwerwiegender Grund durch den Zeugen vorgetragen wird, der sein Fernbleiben als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt (BFH 16.12.05, VIII B 204/05, Rz 11; BFH/NV 07, 468 [BFH 08.11.2006 - VI B 62/06]), oder wenn – umgekehrt formuliert – der vorgetragene Grund so schwer wiegt, dass dem Zeugen bei Würdigung aller Umstände ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann (LSG Stuttgart 7.2.07 – L 13 R 293/07 B, Rz 6). Maßgeblich ist bei der Abwägung stets ein etwaiges eigenes Verschulden des Zeugen; die Anwendung des § 85 II oder die Zurechnung des Verschuldens Dritter kommt nicht in Betracht (BGH NJW-RR 11, 1363 [BGH 22.06.2011 - I ZB 77/10], Rz 20; aA BayLSG 3.2.11 – L 2 R 859/10 B, Rz 9; s aber zum Organisationsverschulden unten Rn 8).

a)

 

Rn 5

Der Standardfall der – freilich erst nachträglich möglichen – ausreichenden Entschuldigung ist derjenige der ganz fehlenden oder der zu spät beim Zeugen eingegangenen Ladung (s.a. § 377 Rn 6). Wird die Ladung – wie üblich – nicht zugestellt, sondern nur formlos, also durch einfachen Brief übersandt, so hat das Gericht die üblichen Postlaufzeiten zu schätzen und hierbei entsprechend § 357 II 2 von zwei Tagen Zustelldauer auszugehen. Ausgehend hiervon hat das Gericht zu beurteilen, ob die Ladung bei dem Zeugen so rechtzeitig eingegangen ist, dass ihm das pünktliche Erscheinen vor Gericht auch zugemutet werden konnte (Musielak/Voit/Huber § 381 Rz 5; s.o. § 377 Rn 6), was letztlich der Beurteilung im Einzelfall obliegt. Bestreitet der Zeuge freilich gänzlich, dass ihm die Ladung zugegangen sei, wird ihm dies nicht zu widerlegen sein (Musielak/Voit/Huber § 381 Rz 5). Zwangsmaßnahmen können daher in der Praxis nur bei förmlicher Zustellung der Ladung verhängt werden. Ist allerdings eine förmliche Ladung erfolgt, hat der Zeuge den Gegenbeweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zu führen (BFH 16.12.10 – IX B 146/10, Rz 5); dies setzt freilich eine ordnungsgemäße Zustellung (§§ 176 ff) voraus (s zu einer unwirksamen Ersatzzustellung an einen Angestellten in den Räumen seines Arbeitgebers LSG Sachsen-Anhalt 26.2.13 – L 7 SB 49/10 B).

b)

 

Rn 6

Andere Gründe entschuldigen den Zeugen dann, wenn ihm angesichts der Umstände eine Teilnahme am Termin nicht zugemutet werden konnte, zB wegen einer Erkrankung (LSG München 15.4.09 – L 2 B 400/08 AS, Rz 13), die auch durch eine kurzfristige medikamentöse Einstellu...

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