Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss bei unwirksamer Ersatzzustellung. Ordnungsmittel. Ladung eines Zeugen zum Termin. Geschäftsräume. Heilung einer unwirksamen Zustellung. Kostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 178 Abs 1 Nr 2 ZPO kann das Schriftstück einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person zugestellt werden. Dabei muss es sich aber um einen Geschäftsraum des Zustellungsadressaten handeln. Für einen Arzt, der in einem Schmerzzentrum als Angestellter tätig ist, kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort einer Ersatzzustellung sein. Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung nach § 189 ZPO setzt den tatsächlichen Zugang voraus.

2. Sofern ein unwirksamer Ordnungsgeldbeschluss gegen einen Zeugen aufgehoben wird, beruht die Kostenentscheidung auf einer analogen Anwendung des § 197a SGG. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Bei einer erfolgreichen Beschwerde ist § 467 Abs 1 StPO entsprechend anzuwenden. Von der Erhebung von Gerichtskosten ist gemäß § 21 GKG abzusehen.

 

Normenkette

ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2, §§ 189, 380 Abs. 1; SGG §§ 63, 118 Abs. 1, § 197a; GKG § 21; StPO § 467 Abs. 1

 

Tenor

Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. August 2010 wird aufgehoben.

Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn als Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum Termin.

Das Sozialgericht Magdeburg (SG) hat den Beschwerdeführer in einem Rechtshilfeersuchen des Landesversorgungsamtes zur Erstattung eines Befundberichts am 1. Juli 2010 zum Termin am 24. August 2010 geladen. Die Ladung wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Mit der Ladung ist der Beschwerdeführer auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Termin (Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Wochen) hingewiesen worden. Zur Verhandlung am 24. August 2010 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.

Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24. August 2010 aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft für die Dauer von zwei Tagen festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei aufgrund des zu vermutenden Einkommens und nach den hier vorliegenden Umständen (unentschuldigtes Nichterscheinen trotz zeitlich weiträumiger Ladung) die Festlegung der Höhe von 250,00 EUR angemessen.

Gegen den ihm am 30. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 6. September 2010 Beschwerde beim SG erhoben und diese wie folgt begründet: Eine Vorladung sei nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Er sei nicht das Schmerzzentrum B. selbst, sondern ein Angestellter dieser relativ großen Einrichtung. Die gerichtlichen Schreiben seien von irgendjemandem entgegengenommen worden, nur niemals von ihm selbst, wie eine Unterschriftenprobe zeigen würde. Er sei durchaus in der Lage zu erkennen, dass er einer gerichtlichen Vorladung Folge leisten müsse, da dies strafbewehrt sei. Dies gelte umso mehr, da er dies in seiner bisherigen Tätigkeit bereits schon mehrfach erlebt habe. Insofern erscheine es nicht einleuchtend, warum er jetzt auf einmal wissentlich eine Ordnungsgeldstrafe riskieren solle. Er habe die Ladung nicht persönlich erhalten. Derartige Post müsse an ihn "persönlich/vertraulich" über das Schmerzzentrum B. zugestellt werden.

Das SG hat die Sache dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats, wer Inhaber des Schmerzzentrums und in welcher Rechtsform der Beschwerdeführer tätig sei, hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des ärztlichen Leiters des MVZ Schmerzzentrum B. vom 15. November 2010, Dr. J., vorgelegt. Dr. J. hat mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei im Angestelltenverhältnis tätig. Er sei nicht mit leiteten oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfüge nicht über die arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung.

II.

Die nach §§ 172, 173 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.

Die Ladung des Beschwerdeführers zum Termin am 24. August 2010 wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. ...

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