Rn 6

Der allg Gerichtsstand der passiv parteifähigen Personen wird durch deren Sitz bestimmt. Der Sitz iSd § 17 entspricht dem Wohnsitz der natürlichen Personen in § 13, folgt aber anderen Grundsätzen (vgl Karlsr JurBüro 15, 206). Wo sich der Sitz einer Person befindet, ist vorrangig dem materiellen Recht zu entnehmen (§ 17 I 1; Rn 7). Enthält dieses keine Regelung, fingiert § 17 I 2 den Sitz am Ort der Verwaltung (Rn 9). Der Sitz iSd § 17 gilt zugleich als gewöhnlicher Aufenthalt (vgl BGH NJW-RR 05, 148; WM 17, 1944; KG ZInsO 14, 742; § 110 ZPO Rn 4). Betrifft die Frage des Sitzes eine für die Zulässigkeit wie für die Begründetheit gleichermaßen bedeutsame (doppelrelevante) Tatsache, genügt entspr den allgemeinen Grundsätzen, dass sich die örtliche Zuständigkeit nach § 17 I aus dem schlüssigen Vorbringen des Kl/ASt ergibt (BayObLG 27.1.20 – 1 AR 127/19).

I. Sitz (§ 17 I 1).

1. Juristische Personen.

 

Rn 7

Der Sitz der juristischen Personen des Öffentlichen Rechts ist grds im Errichtungsakt genannt (zur Bestimmung durch Satzung vgl BGH JZ 60, 444 [BGH 22.10.1959 - II ZR 83/58]; BSGE 52, 203 [BSG 08.10.1981 - 2 RU 20/81]; MüKoZPO/Patzina Rz 12). Bei den juristischen Personen des Privatrechts wird der Sitz durch die Satzung bestimmt (zB § 5 AktG, § 4a GmbHG, §§ 24, 57 BGB, § 80 BGB). Kapitalgesellschaften können dabei ihren Sitz frei bestimmen (§ 4a GmbHG; § 5 AktG). Auch die Wahl eines rein fiktiven Satzungssatzes im Inland ist danach zulässig (KG DGVZ 22, 195; Frankf NJW-RR 21, 1125; jew für die GmbH). Unerheblich ist, ob die Gesellschaft am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes noch einen Geschäftsbetrieb unterhält (KG DGVZ 22, 195; Hamm NZG 19, 785 [OLG Hamm 24.04.2019 - 32 SA 19/19]; Frankf NJW-RR 21, 1125; jew für die GmbH) oder ob sich der Verwaltungssitz dort befindet (vgl KG DGVZ 22, 195; Frankf NJW-RR 21, 1125; jew für die GmbH). Der Satzungssitz muss nicht in einem örtlichen Zusammenhang mit der Betriebsstätte oder der Hauptverwaltung stehen (KG DGVZ 22, 195; Frankf NJW-RR 21, 1125; jew für die GmbH). Die Deutsche Post AG, die Deutsche Postbank AG und die Deutsche Telekom AG haben ihren satzungsmäßigen Sitz in Bonn (s die Satzungen im Anh zu § 11 II PostUmwG), die Deutsche Bahn AG jetzt in Berlin. Doppelsitze bei juristischen Personen des Privatrechts ähnl den Doppelwohnsitzen bei natürlichen Personen (§ 13 Rn 6) sind grds unzulässig (hM; vgl für die Aktiengesellschaft: BayObLG NJW-RR 86, 31 f [BayObLG 24.05.1985 - BReg. 2 Z 61/84]; MüKoAktG/Heider § 5 Rz 47; Hüffer, § 5 Rz 10; für die GmbH: Baumbach/Hueck/Fastrich § 4a Rz 6; Roth/Altmeppen/Roth § 4a Rz 10; für den Verein: MüKoBGB/Reuter § 24 Rz 6 f; Grüneberg/Ellenberger § 24 Rz 2). Für eine Anstalt des Öffentlichen Rechts soll anderes gelten (BayObLG NJW-RR 01, 28f [BayObLG 19.07.2000 - 3Z BR 162/00]). Ist ein Doppelsitz ausnahmsweise zulässig, kann die Person an jedem Sitz verklagt werden; für die Fiktion des § 17 I 2 ist kein Raum (vgl LG Berlin WM 94, 1246 [LG Berlin 26.05.1994 - 104 O 19/94]; Zö/Schultzky Rz 9; aA ArbG Berlin 24.3.03, 96 Ca 4277/03; Musielak/Voit/Heinrich Rz 10; Bork ZIP 95, 609). Zum Doppelsitz der Bundesministerien s § 18 Rn 4. Eine spätere satzungsmäßige Sitzverlegung hat keine Auswirkungen auf die einmal begründete örtl Zuständigkeit (§ 261 III Nr 2; vgl Hamm ZInsO 19, 2537).

2. Sonstige passiv parteifähige Personen.

 

Rn 8

Bei den Personenhandelsgesellschaften ist der Sitz dem Handelsregister zu entnehmen, da für diese Personen eine Pflicht zur Anmeldung besteht (für die OHG: § 106 II Nr 2 HGB; für die KG: § 161 II iVm § 106 II Nr 2 HGB; vgl Schlesw 12.12.22 – 2 AR 27/22). Die Begründung von Doppelsitzen bei den Personenhandelsgesellschaften ist unzulässig (s näher Baumbach/Hopt/Hopt § 106 Rz 9; zu Doppelsitzen bei juristischen Personen s.o. Rn 7). Auch können Personenhandelsgesellschaften – anders als Kapitalgesellschaften (vgl Rn 7) – ihren Sitz nicht frei bestimmen. Der Sitz dieser Gesellschaften muss also zwangsläufig am Ort der Verwaltung (Rn 9) liegen (vgl KG ZIP 12, 1668 mwN). Da der nicht rechtsfähige Verein keinen Sitz im Rechtssinne hat, ist auf ihn § 17 I 1 nicht anwendbar (Zö/Schultzky Rz 9; MüKoZPO/Patzina Rz 10; aA Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO Rz 10; vgl aber Rn 9). Anderes dürfte aber für die BGB-Außengesellschaft gelten. Soweit man dieser die Rechtsfähigkeit zubilligt, wird man folgerichtig auch die gesellschaftsvertragliche Festlegung des Sitzes anerkennen müssen (vgl BGH 21.1.09 – Xa ARZ 273/08; Köln NJW 04, 862; Ddorf WuM 05, 655 f; Zö/Schultzky Rz 10; aA BayObLG ZInsO 21, 255; bei fehlender Feststellbarkeit s Rn 9). Für künftige Fälle ergibt sich dies unmittelbar aus § 706 BGB nF (ab 1.1.24). Auch bei der Vor-GmbH und der Vor-AG kann bereits vor Eintragung auf den Sitz abgestellt werden, wie er sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt (St/J/Roth Rz 4; aA für die Vor-GmbH Brandenburg DB 03, 2542, das eine Analogie befürwortet; Zö/Schultzky Rz 10, der auf § 17 I 2 abstellt). Für die WEG ist nunmehr § 43 WEG zu beachten, der aufgrund seiner Ausschließlichkeit in seinem Anwendungsbereich § 17 verdrängt. Bei

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