Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelsregistersache

 

Leitsatz (amtlich)

Für Sparkassen, die als öffentlich-rechtliche Anstalten verfaßt sind, ist die Eintragung eines Mehrfachsitzes zulässig (Abgrenzung zu BayObLGZ 1985, 111).

 

Normenkette

HGB §§ 29, 33

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Urteil vom 10.04.2000; Aktenzeichen 2HK T 492/00)

AG Landshut (Urteil vom 16.12.1999; Aktenzeichen 2 AR 481/99)

 

Tenor

I. Der Beschluß des Landgerichts Landshut vom 10. April 2000 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Landshut vom 16. Dezember 1999 werden aufgehoben.

II. Die Akten werden an das Amtsgericht Landshut zurückgegeben.

 

Gründe

I.

Mit der am 27.10.1999 beim Registergericht eingegangenen Anmeldung beantragte der Vorstand, die betroffene Sparkasse, eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, im Handelsregister einzutragen.

Gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung hat die Betroffene ihren Sitz in vier Gemeinden. Mit Zwischenverfügung vom 16.12.1999 wies das Registergericht darauf hin, daß der Mehrfachsitz der Betroffenen nicht eintragungsfähig sei und empfahl die Änderung der Satzungsbestimmung über den Sitz. Die Beschwerde der Betroffenen wies das Landgericht mit Beschluß vom 10.4.2000 zurück. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der weiteren Beschwerde. Sie ist der Auffassung, daß der Mehrfachsitz eintragungsfähig sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel ist begründet.

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es teile die vom Erstgericht vertretene Auffassung, wonach die Eintragung des Mehrfachsitzes der Betroffenen nicht eintragungsfähig sei. Für die registergerichtliche Eintragung der Betroffenen sei § 33 HGB unmittelbar anwendbar. Weder dieser noch sonstige Sitzvorschriften würden die Frage der Zulässigkeit eines Mehrfachsitzes regeln. Die heute herrschende Meinung gehe davon aus, daß dieser nur in außergewöhnlichen Fällen anerkannt werden könne. Die Kammer sehe keine Veranlassung, die Betroffene als Anstalt des öffentlichen Rechts anders zu behandeln, als sonstige juristische Personen. Ein Ausnahmefall liege nicht vor.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand. Der satzungsmäßige Mehrfachsitz einer Sparkasse als rechtsfähiger Anstalt des öffentlichen Rechts kann im Handelsregister eingetragen werden, wenn das für die Sparkasse geltende öffentliche Recht die Bildung eines Mehrfachsitzes gestattet. Darauf, ob die für den Sitz privatrechtlicher juristischer Personen geltenden Vorschriften die Bildung eines Doppel- oder Mehrfachsitzes zulassen, kommt es, entgegen der Auffassung des Landgerichts, nicht an.

a) Infolge der Aufhebung des früheren § 36 HGB durch Art. 3 des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.6.1998 (BGBl I S. 1474) sind nunmehr auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, deren Eintragung in das Handelsregister mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebes zu erfolgen hat, zur Eintragung anzumelden (§ 33 Abs. 1 Satz 1 HGB; vgl. auch Art. 38 Abs. 3 EGHGB). Diese Voraussetzungen treffen insbesondere auch auf die öffentlichen Sparkassen zu, da sie in Bayern rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts darstellen (Art. 3 Sparkassengesetz – SpkG –, BayRS 2025-1-I) und ein Handelsgewerbe betreiben (vgl. Koller/Roth/Morck HGB 2. Aufl. § 33 Rn. 2; Baumbach/Hopt HGB 30. Aufl. § 33 Rn. 1).

b) Welche Angaben in das Handelsregister aufzunehmen sind, richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften des Handelsgesetzbuchs und der diese ergänzenden Handelsregisterverfügung. Danach ist bei der Eintragung unter anderem der Sitz der juristischen Person anzugeben (§ 33 Abs. 2 Satz 2 HGB, § 40 Abs. 4 HRV). Welche materiellrechtlichen Anforderungen an die einzutragenden Rechtsverhältnisse, hier den Sitz der juristischen Person zu stellen sind, bestimmt sich hingegen, sofern wie bei der Frage des Sitzes §§ 1 ff. HGB keine Regelungen enthalten, nach den speziellen für die jeweilige juristische Person geltenden Vorschriften. Die Organisation der öffentlichen Sparkassen ist öffentlich-rechtlich geregelt. Es gelten die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften, in Bayern das Sparkassengesetz und die auf seiner Grundlage erlassene Sparkassenordnung (BayRS 2025-1-1-I). Zur Organisation der Sparkasse gehört auch die Frage, wo diese ihren Sitz hat.

c) Das öffentliche Recht verbietet in Bayern die Bildung von Mehrfachsitzen für Sparkassen nicht. Gemäß Art. 1 Abs. 1 SpkG können u. a. Gemeinden mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde Sparkassen nach der Maßgabe dieses Gesetzes errichten. Bezüglich des Sitzes enthalten weder das Sparkassengesetz noch die Sparkassenordnung nähere Regelungen. Auch das Kreditwesengesetz enthält hierzu, unbeschadet der Frage der Gesetzgebungskompetenz, keine Vorgaben. Daher bestimmt die jeweilige Sparkasse den Sitz in ihrer autonomen Satzung, die ein Gesetz im materiellen Sinn ist (vgl. BAG Urteil vom 21.1.1999 – 2 AZR 132/98 –; Krebs/Dülp Bayerisches Sparkassenrecht Art. 5 Anm. VII 4 c bb und Art. 21 Anm. 1). § 1 ...

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