Rn 19
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist in jeder Lage des Verfahrens, mithin auch im Revisionsverfahren, vAw zu prüfen (stRspr; BGHZ 217, 350 – Internetforum; NJW 19, 76; BAG NZA 21, 1469 mwN). Dabei ist in der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit im Zweifel auch die Rüge der internationalen Unzuständigkeit enthalten, was allerdings durch Auslegung der Rüge zu ermitteln ist (BGH WM 05, 1892, 1894). Die Rüge der internationalen Zuständigkeit ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Bekl die Begründetheit der Kl nicht bestreitet (Frankf MDR 80, 318; Karlsr IPrax 20, 465). Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte reicht es aus, dass der Kl schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich die Zuständigkeit des angerufenen inländischen Gerichts ergibt (vgl nur BGHZ 217, 350 – Internetforum), auch wenn diese erst im Laufe des Rechtsstreits eingetreten ist (BGHZ 188, 373 mwN; s.a. Rn 10). Auch der im deutschen Prozessrecht gem § 261 Abs 3 Nr 2 geltende Grundsatz, dass eine einmal begründete Zuständigkeit des Gerichts auch dann erhalten bleibt, wenn die sie begründenden Umstände im Laufe des Rechtsstreites wegfallen (perpetuatio fori), ist auf die internationale Zuständigkeit anwendbar (BGHZ 188, 373 mwN). Zum Prüfungsumfang des Gerichts s ferner Rn 11. Ist eine Klage gegen mehrere Streitgenossen erhoben worden und fehlt es bezüglich eines von ihnen an der internationalen Zuständigkeit, kann er durch Teilurteil nach § 301 aus dem Prozess entlassen werden (BGH WM 15, 1287 mwN; s näher § 301 Rn 5). Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte (dazu näher § 328 Rn 9 ff) ist vorrangig auf die internationalen Verträge, die für Deutschland Geltung beanspruchen, abzustellen. Nur subsidiär kann auf das autonome Recht der ZPO zurückgegriffen werden (BGHZ 134, 127, 133 VersR 19, 243; Zö/Geimer IZPR Rz 36f). Im Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO (vgl Art. 1 Brüssel Ia-VO Rn 6 ff) können die §§ 12 ff somit für die Begründung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte von vorneherein nicht herangezogen werden (BGH NJW-RR 05, 1593 f; BAG RIW 13, 803; ZIP 22, 1883; Zö/Geimer Art 4 EuGVO Rz 7; Art 4 Brüssel Ia-VO Rn 1), was wegen des weiten Anwendungsbereichs der Brüssel Ia-VO auch im Verhältnis zu sog Drittstaaten beachtet werden muss (vgl Stuttg ZIP 22, 1047, 1048 mwN). Für das Verhältnis zu Großbritannien ist Art 67 des Brexitabkommens zu beachten. Gleiches gilt für die EuEheVO/Brüssel II-VO (ab 1.8.22 Brüssel IIb-VO; vgl Art 100 Brüssel IIb-VO; vgl BGHZ 160, 332, 334 für die frühere EheVO; s iE die Kommentierung in diesem Werk), die EuInsVO (vgl Frankf ZInsO ZIP 13, 277) und für die EuErbVO, aber auch für das Montrealer Übereinkommen (MÜ) über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Karlsr TranspR 08, 471) und die VO über die Gemeinschaftsmarke (GMV; vgl BGH GRUR 18, 516 – form-strip II; GRUR 18, 1059 [BGH 26.07.2018 - I ZR 20/17] – Davidoff Hot Water III). Ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte durch internationale Abkommen begründet, bleiben die §§ 12 ff für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgebend, allerdings nur insoweit, als die für die internationale Zuständigkeit einschlägige Norm nicht zugleich die örtliche Zuständigkeit regelt (BGH NJW 98, 988 [BGH 16.12.1997 - VI ZR 408/96]; wie etwa Art 7 Nr 2 Brüssel Ia-VO; vgl dazu BayObLG 9.2.22 – 101 AR 173/21; München 7.3.22 – 34 AR 132/21; zur Abgrenzung, wann die Brüssel Ia-VO die örtliche Zuständigkeit mitregelt, vgl Thode jurisPR-BGHZivilR 25/21 Anm 5). Ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht durch internationale Abkommen begründet, gilt es zu beachten, dass bestimmte verfahrensrechtliche Normen vorrangige Zuständigkeitsbestimmungen über die internationale Zuständigkeit enthalten können. So enthält etwa das FamFG in den §§ 98 ff FamFG Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit (zur Frage der ausschl Zuständigkeit s § 106 FamFG). Auch § 893 II stellt eine solche vorrangige Regelung dar (BGH NJW 97, 2245). Sind dagegen weder völkerrechtliche noch nationale Zuständigkeitsregelungen vorrangig anzuwenden, kann auf die Gerichtsstandsregelungen der §§ 12 ff abgestellt werden. Denn die §§ 12 ff bestimmen durch die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit zugleich mittelbar die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (Doppelfunktionalität; allgM; GrSZ BGHZ 44, 46, 47; 115, 90, 91 f; 217, 350 – Internetforum; Zö/Geimer IZPR Rz 37). Soweit nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist auch – vorbehaltlich anderer, insb zwischenstaatlicher Regelungen – die internationale Zuständigkeit begründet (BGHZ 119, 392, 393; NJW 97, 2245; BAG AP Nr 13 zu § 38 ZPO Internationale Zuständigkeit; AP Nr 8 zu Art 27 EGBGB nF). Diese Doppelfunktionalität weisen nicht nur die §§ 12 ff, sondern alle Gerichtsstandsregelungen der ZPO auf (BGHZ 119, 392, 393; NJW 97, 2245; 11, 2059; Zö/Geimer IZPR Rz 37). K...