Verfahrensgang

LG Deggendorf (Aktenzeichen 2 O 444/21)

LG Würzburg (Aktenzeichen 11 O 1800/21)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht Würzburg.

 

Gründe

I. Mit seiner zum Landgericht Deggendorf erhobenen Klage begehrt der in diesem Bezirk wohnhafte Kläger von der in den Niederlanden ansässigen Beklagten zu 1) und der in Italien ansässigen Beklagten zu 2) Ersatz des Schadens, der ihm wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung aus dem Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs, Wohnmobil, der Marke Sun Living, Modell Lido A 49 DP, Fiat Ducato 2,3 Multijet 2130, gekauft im Bezirk des Landgerichts Würzburg, entstanden sein soll. Er behauptet, der im Fahrzeug verbaute, von der Beklagten zu 2) programmierte und sodann in Verkehr gebrachte Motor werde durch eine Software gesteuert, die aufgrund ihrer Wirkung als unzulässige Abschalteinrichtung zu werten sei. Den Inhabern von Fahrzeugen mit diesem Motorentyp drohe eine Betriebsuntersagung, auch wenn es bislang noch keinen offiziellen Rückruf beziehungsweise kein "freiwilliges" Software-Update gebe. Die Beklagte zu 1) sei aus der Fusion der X N.V. mit der Y S.A. hervorgegangen und Rechtsnachfolgerin der Fahrzeugherstellerin. Diese habe die rechtswidrige Bedatung vorgenommen und das Verhalten der Beklagten zu 2) in der Folge geduldet. Indem die Beklagten das Fahrzeug auf den Markt gebracht hätten, hätten sie vorgetäuscht, dass es den gesetzlichen Vorgaben entspreche und im Straßenverkehr eingesetzt werden dürfe. Mit dieser Begründung verlangt der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner Zahlung eines Betrags in Höhe von 42.840,38 EUR, der die Differenz zwischen dem Kaufpreis zuzüglich den für das Fahrzeug erbrachten Aufwendungen und dem berechneten Wertverlust aufgrund Fahrzeugnutzung darstellt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Weiter beantragt er die Feststellung, dass sich die Beklagten mit der Entgegennahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befänden, und die Erstattung von Kosten für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung in Höhe von 1.877,11 EUR.

Das Landgericht hat mit seiner Eingangsverfügung auf Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hingewiesen. Nach dem klägerischen Vortrag liege der Schaden im Abschluss des Kaufvertrags. Wo und wie der Kaufpreis gezahlt worden sei, sei nicht entscheidend, da der Schaden bereits in der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit liege. Die Begleichung der Entgeltforderung perpetuiere lediglich den bereits mit Vertragsabschluss verwirklichten Schaden. Das schädigende Ereignis gemäß Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) 1215/2012 des Europäischen Parlaments und Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 12. Dezember 2012 (ABl. 2012 L 351, S. 1, ber. 2016 L 264 S. 43 - im Folgenden: Brüssel-Ia-VO) sei daher am Ort des Abschlusses des Kaufvertrags im Bezirk des Landgerichts Würzburg eingetreten.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 29. September 2021 darauf hingewiesen, dass bei Kaufvertragsschluss lediglich eine Anzahlung i. H. v. 4.500,00 EUR in bar geleistet worden sei, den restlichen Kaufpreis i. H. v. 38.500,00 EUR habe er von zu Hause aus über ein im Bezirk des Landgerichts Deggendorf ansässiges Kreditinstitut angewiesen. Somit sei dieses Landgericht gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Der Geschädigte habe ein Wahlrecht, da bei einem Begehungsdelikt sowohl der Ort, an dem der Täter gehandelt habe (Handlungsort), als auch der Ort, in dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden sei (Erfolgsort), gewählt werden könne. Hilfsweise werde die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Würzburg beantragt.

Die Beklagte zu 1) hat mit ihrer Klageerwiderung vom 12. Oktober 2021, die Beklagte zu 2) bereits vor einer Klageerwiderung mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2021 die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Erstere hat einer Verweisung an das Landgericht Würzburg zugestimmt, falls die Klagepartei Verweisung beantragen sollte.

Mit den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 15. Oktober 2021 hat sich das Landgericht Deggendorf für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Würzburg verwiesen. Gemäß Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO sei das Gericht des Ortes international und örtlich zuständig, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei oder einzutreten drohe. Als Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, gelte sowohl der Ort des dem Schaden zugrunde liegenden ursächlichen Geschehens ("Handlungsort") als auch der Ort, an dem der Schaden eingetreten sei ("Erfolgsort" oder "Schadenseintrittsort"). Der Handlungsort befände sich dort, wo das schadensbegründende Geschehen seinen Ausgang genommen habe, der Verletzer gehandelt habe oder hätte handeln müssen. Der Schadenseintrittsort liege dort, wo das haftungsauslösende Ereignis den unmittelbar Betroffenen direkt geschädigt habe. Ein derartiger Erst- oder Primärschaden trete nicht unbedingt am Wohnsitz des geschädigt...

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