Gesetzestext

 

(1) Die deutschen Gerichte sind für Ehesachen zuständig, wenn

1. ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war;
2. beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben;
3. ein Ehegatte Staatenloser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ist;
4. ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, es sei denn, dass die zu fällende Entscheidung offensichtlich nach dem Recht keines der Staaten anerkannt würde, denen einer der Ehegatten angehört.

(2) Für Verfahren auf Aufhebung der Ehe nach Artikel 13 Absatz 3 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche sind die deutschen Gerichte auch zuständig, wenn der Ehegatte, der im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte, seinen Aufenthalt im Inland hat.

(3) Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Absatz 1 erstreckt sich im Fall des Verbunds von Scheidungs- und Folgesachen auf die Folgesachen.

A. Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 98 regelt die internationale Zuständigkeit in Ehe- u Verbundsachen.

I. Vorrangige Rechtsakte.

 

Rn 2

Vorrang (§ 97 I 2) beansprucht die Brüssel IIb-VO/Brüssel IIa-VO für auf den ehelichen Status bezogene Verfahren (Art 1 I lit a Brüssel IIb-VO/Brüssel IIa-VO): Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes u Ungültigerklärung der Ehe. Umstr ist ihre Anwendung auf Feststellungsanträge bzgl des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe u auf gleichgeschlechtliche Ehen (Art 1 Brüssel IIa Rn 4, 7 mwN). Die Brüssel IIb-VO unterstellt nunmehr auch mitgliedstaatliche Privatscheidungen den europäischen Zuständigkeitsregeln (Art 64 Brüssel IIb-VO); demgegenüber ist die Anwendbarkeit der Brüssel IIa-VO auf außergerichtliche Scheidungen nach wie vor str und unklar (vgl § 107 Rn 2). Als Scheidungsfolgesache kann nur die elterliche Verantwortung der Brüssel IIb/IIa-VO unterfallen (Art 10 Brüssel IIb-VO, enger gefasst Art 12 I Brüssel IIa-VO), alle anderen Folgesachen sind auch bei Geltendmachung im Verbund ausgeschlossen (MüKoFamFG/Gottwald Art 1 Brüssel IIa-VO Rz 10). Hauptanknüpfungsmerkmale der Zuständigkeitsregeln in Art 3 ff Brüssel IIb-VO/Brüssel IIa-VO sind gewöhnl Aufenthalt u Staatsangehörigkeit bzw ›domicile‹. Nur wenn danach kein Brüssel-IIb/IIa-MS international zuständig ist, ist der Rückgriff auf das autonome IZVR im Wege der Restzuständigkeit erlaubt (Art 6 Brüssel IIb-VO/Art 6, 7 Brüssel IIa-VO). Für einstw Maßnahmen gilt der auf Kindesschutzmaßnahmen beschränkte Art 15 Brüssel IIb-VO bzw Art 20 Brüssel IIa-VO.

 

Rn 3

Eine Verbundzuständigkeit für Unterhaltssachen kann sich aus Art 5 Nr 2 lit b, lit c LugÜ bzw Art 3 lit c EuUntVO ergeben.

II. Autonomes Recht.

 

Rn 4

Die autonome Zuständigkeitsregel des § 98 I hat daneben nur einen geringen Anwendungsbereich: Ehesachen iSd § 121 sowie funktional vergleichbare Sachen nach ausl Recht (Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 12). Polygame Ehen werden erfasst (Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 13), die Anwendung auf gleichgeschlechtliche Ehen vielfach abgelehnt u stattdessen § 103 analog angewendet (MüKoFamFG/Rauscher Rz 14a; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 12 – aA Zö/Geimer Rz 10 f; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 13).

B. Zuständigkeitsregeln.

I. Internationale Zuständigkeit in Ehesachen.

1. Allgemeines.

 

Rn 5

I normiert in inhaltlicher Fortführung des § 606a I ZPO aF 4 gleichrangige Alt für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Diese sind abschließend, hinzutreten kann allenfalls in Ausnahmefällen eine Notzuständigkeit (s Zö/Geimer Rz 120, 137). Internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte steht nicht entgegen, dass das Scheidungsstatut religiöse Gerichtsbarkeit vorsieht, da Art 17 III EGBGB zur Rechtsgewährung verpflichtet (BGHZ 160, 332; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 12).

2. Heimatzuständigkeit.

 

Rn 6

Nr 1 verlangt die deutsche Staatsangehörigkeit wenigstens eines Ehegatten. Deren Vorliegen ist vAw zu ermitteln u bestimmt sich nach StAG; bei Mehrstaatern muss sie nicht die effektive Staatsangehörigkeit sein (Art 5 I 2 EGBGB, vgl Stuttg FamRZ 89, 760; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 21). Wohnsitz bzw Aufenthalt im Inland sind unerheblich. EU-Bürger sind nach Art 6 III Brüssel IIb-VO/Art 7 II Brüssel IIa-VO gleichzustellen, ebenso Flüchtlinge, Staatenlose u nach hM anerkannte Asylberechtigte (MüKoFamFG/Rauscher Rz 49 ff). Für Alt 1 genügt der Staatsangehörigkeitserwerb während des Verfahrens (BGH NJW 82, 1940), auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz (BGHZ 53, 128; NJW 77, 498); während laufenden Einbürgerungsverfahrens ist das Verfahren auszusetzen (Zö/Geimer Rz 80; str). Für Alt 2 (›Antrittszuständigkeit‹) genügt eine vor Verfahrensbeginn verlorene frühere deutsche Staatsangehörigkeit im Eheschließungszeitpunkt.

3. Aufenthaltszuständigkeit.

 

Rn 7

Nr 2 knüpft an den gewöhnl Aufenthalt beider Ehegatten im Inland an. Der Begriff ist wie in § 122 auszulegen, maßgeblich sind der tatsächliche Daseinsmittelpunkt u die auf Dauer angelegte soziale Eingliederung (ausf BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 16 f; MüKoFamFG/Rauscher Rz 63 ff). Gewöhnl Aufenthalt jedes Ehegatten genügt, Gemeinsamkeit ist nicht erforderlich.

4. Staatenlose.

 

Rn 8

Nr 3 begründet die internationale Zuständigkeit durch den gewöhnl Aufenthalt (nur) eines staatenlosen Ehegatten ...

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