Gesetzestext

 

Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenverteilung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Es hat hierbei insbesondere zu berücksichtigen:

1. das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten, einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung,
2. den Umstand, dass ein Beteiligter vor Beginn des Verfahrens einer Aufforderung des Gegners zur Erteilung der Auskunft und Vorlage von Belegen über das Einkommen nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, es sei denn, dass eine Verpflichtung hierzu nicht bestand,
3. den Umstand, dass ein Beteiligter einer Aufforderung des Gerichts nach § 235 Abs. 1 innerhalb der gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, sowie
4. ein sofortiges Anerkenntnis nach § 93 der Zivilprozessordnung.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält – abweichend von den Vorschriften der ZPO – Sonderregelungen über die Kostenverteilung in den Unterhaltssachen iSv § 231 I, die Familienstreitsachen sind: Das Gericht entscheidet in Unterhaltssachen über die Kosten nach billigem Ermessen. In den fG-Unterhaltssachen des § 231 II sind die §§ 80 ff anzuwenden, die nicht von § 243 verdrängt werden. Die Kostenregelung ist sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Beschwerdeverfahren anzuwenden (Köln FamRZ 17, 1598; KG FamRZ 11, 497; zB Zö/Lorenz § 243 Rz 11); wird die Beschwerde zurückgenommen, folgt die Kostenentscheidung aus §§ 117 II iVm § 516 III ZPO. Sie gilt sowohl im einstweiligen Anordnungsverfahren als auch im vereinfachten Unterhaltsfestsetzungsverfahren gem §§ 249 ff (BGH FamRZ 17, 816; KG FamRZ 14, 1474; Köln FamRZ 12, 1164). Die Anwendung im Arrestverfahren zur Sicherung eines Unterhaltsanspruchs wird uneinheitlich beurteilt (für eine Anwendung Prütting/Helms/Bömelburg § 243 Rz 6a; Sternal/Weber § 119 Rz 20; Wendl/Dose/Schmitz § 10 Rz 492; KG FamRZ 14, 148; aA [§ 113 I 2 iVm §§ 91 ff ZPO]: Dutta/Jacoby/Schwab/Langheim § 243 Rz 2; Zö/Lorenz § 243 Rz 1; ThoPu/Hüßtege § 243 Rz 4; Stuttg FamRZ 12, 324). Im Scheidungsverbundverfahren wird § 243 von der Sondervorschrift des § 150 verdrängt, wobei insb gem § 150 IV 1 eine Berücksichtigung des Ergebnisses der als Folgesache geführten Unterhaltssache (idR nachehelicher Unterhalt) iRd auch nach § 150 IV 1 zu treffenden Billigkeitsentscheidung ermöglicht wird.

B. Entscheidung nach billigem Ermessen.

I. Die gerichtliche Ermessensentscheidung.

 

Rn 2

Nach § 243 entscheidet das Gericht über die Kostenverteilung in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen. Während in den Familienstreitsachen iSv § 112 Nr 2, 3 gem § 113 I 2 iVm §§ 91 ff über die Kosten zu entscheiden ist, ermöglicht § 243 in Unterhaltssachen eine flexibler und weniger formal zu treffende Kostenentscheidung. Hierzu besteht nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch deshalb Anlass, da in Unterhaltssachen dem Dauercharakter der Verpflichtung bei der Festsetzung des Verfahrenswerts nach § 51 FamGKG nur begrenzt Rechnung getragen werden kann (BTDrs 16/6308, 259). Die iRd Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden wesentlichen Gesichtspunkte der ZPO-Kostenvorschriften sind unter den Nr 1–4 aufgezählt. Insb kann nunmehr eine unterlassene oder ungenügende Auskunftserteilung stärker als bisher kostenrechtlich sanktioniert werden. Die in den Nr 1–4 aufgezählten Gesichtspunkte sind nicht abschließend (›insbesondere‹). So kann zB bei Erledigung in der Hauptsache der Rechtsgedanke des § 91a ZPO Berücksichtigung finden (BGH FamRZ 21, 970; München FuR 19, 549; Hamm MDR 18, 1504; FamRZ 13, 1510; Jena FamRZ 11, 491; aA Köln FamRZ 13, 1059: unmittelbare Anwendung von § 91a gem § 113 I 2); bei Rücknahme des Antrags der Rechtsgedanke des § 269 ZPO (Saarbr FamRZ 14, 1731; Köln FamRZ 11, 1246). Werden dem Antragsteller in einer Unterhaltssache wegen Antragsrücknahme gem § 243 die Kosten des Verfahrens auferlegt, unterscheidet sich dies inhaltlich nicht von einer Kostenentscheidung nach § 269 Abs 3 S 2 ZPO; dem Antragsteller ist deshalb die Gebührenermäßigung nach Nr 1221 KV-FamGKG zu gewähren (Bambg JurBüro 20, 262). Schließen die Beteiligten in einer Unterhaltssache einen Vergleich ohne Kostenregelung, ist die gesetzliche Wertung des § 98 ZPO (Kostenaufhebung) neben den weiteren, in § 243 S 2 als Regelbeispiele aufgeführten Gesichtspunkten zu berücksichtigen (BGH MDR 11, 1439 mwN; Frankf FamRZ 21, 543; 10.11.20 – 4 WF 112/20, juris; Brandbg 19.9.16 – 13 WF 167/16, juris; Karlsr FamRZ 13, 1508; Stuttg FamRZ 13, 2007; Saarbr FamRZ 13, 1419). In der Rechtsmittelinstanz kann der Rechtsgedanke des § 97 II ZPO in die Kostenentscheidung einfließen. In Unterhaltssachen mit mehr als zwei Verfahrensbeteiligten richtet sich die Kostenentscheidung nach der Baumbachschen Formel, wobei das Ergebnis im Hinblick auf die Kriterien der Ermessensausübung nach § 243 FamFG ggf wertend zu korrigieren ist (Frankf NZFam 19, 627; AG Hambg 28.2.20 – 277 f 255/16, juris).

 

Rn 3

Auch wenn das Gericht grds in der Bewertung frei ist, welche Gewichtung den einzelnen Kriterien ver...

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