Gesetzestext

 

Familiensachen sind

1. Ehesachen,
2. Kindschaftssachen,
3. Abstammungssachen,
4. Adoptionssachen,
5. Ehewohnungs- und Haushaltssachen,
6. Gewaltschutzsachen,
7. Versorgungsausgleichssachen,
8. Unterhaltssachen,
9. Güterrechtssachen,
10. sonstige Familiensachen,
11. Lebenspartnerschaftssachen.

A. Normzweck.

 

Rn 1

Die Vorschrift konkretisiert die in § 23a I 1 Nr 1 GVG enthaltende sachliche Zuständigkeitszuweisung der Familiensachen an die Amtsgerichte, indem sie den Begriff der Familiensache definiert. Gem § 13 GVG gehören Familiensachen zu den Zivilsachen.

B. Norminhalt.

I. Familiensachen kraft expliziter Aufzählung und kraft Sachzusammenhangs.

 

Rn 2

Familiensachen sind die in der abschließenden Aufzählung der Nr 1–11 enthaltenden Verfahren. Wg der näheren Definition dieser s die Kommentierung zu dem jeweiligen Verfahren. Familiensachen sind auch solche Verfahren, die m den in Nr 1–11 aufgeführten Verfahrensgegenständen in einem Sachzusammenhang stehen (zB abgetretene oder übergeleitete familienrechtliche Ansprüche, Vollstreckungsverfahren), Neben- u Zwischenverfahren betreffend eines der in Nr 1–11 genannten gerichtlichen Verfahren (zB VKH-Verfahren, Befangenheitsgesuch, nicht jedoch – mangels dazugehörigen gerichtlichen Verfahrens – die Vergütungsfestsetzung für Beratungshilfe [BGH FamRZ 84, 774; Kobl FamRZ 12, 652]), Ansprüche, die in Nr 1–11 angeführte Verfahren vorbereiten (zB Auskunft) sowie Schadensersatzverfahren wg Pflicht-/Rechtsgutverletzungen betr eines der in Nr 1–11 genannten Verfahrensgegenstände (zB wg Nichterfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht einschl das Feststellungsbegehren einer vorsätzlich pflichtwidrigen Unterhaltsnichtgewährung gem §§ 302 Nr 1 InsO, 823 II 2 BGB iVm § 170 StGB [BGH FamRZ 16, 972], Anwaltskosten zwecks Durchsetzung eines Unterhaltsanspruchs als Verzugsschaden [Dresd FamRZ 06, 1128]). Schadensersatzverfahren sind dabei aufgrund des weiten Verständnisses des § 266 (BGH FamRZ 17, 1602; Kobl FamRZ 16, 322) sonstige Familiensachen gem Nr 10; ebf Ehewohnungsherausgabeverfahren aufgrund vertraglicher Ansprüche (Celle FamRZ 23, 37). Keine Familiensachen ist der Anwaltsregress wg Schlechterfüllung eines familienrechtlichen gerichtlichen oder außergerichtlichen Mandats.

II. Abgrenzungskriterien.

 

Rn 3

Ob eine Familiensache – im Gegensatz zu einer ebf zu den Zivilsachen gehörigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeit (§§ 13, 23 GVG) – vorliegt, bestimmt sich nach dem Streit- bzw Verfahrensgegenstand. Maßgeblich sind also der Klage-/Verfahrensantrag u der Klage-/Antragsgrund, also der Lebenssachverhalt, der dem Gerichtsverfahren zugrunde liegt bzw zu diesem geführt hat (s § 253 ZPO Rn 24 f). Demgemäß bestimmt grds der Sachvortrag des Kl/ASt, ob eine Familiensache vorliegt. Nicht ausreichend ist, dass die Einwendungen des Bekl/Ag (zB Aufrechnungsforderung) familienrechtlicher Natur sind.

C. Anwendbares Verfahrensrecht.

I. Zwei Verfahrensarten.

 

Rn 4

§ 1 unterstellt die Familiensachen zunächst dem FamFG (Buch 1 §§ 1110 u Buch 2 §§ 111270) u nicht etwa der ZPO. Zugleich erlaubt § 1 jedoch eine Zuweisung zu anderen Verfahrensordnungen. Hiervon hat der Gesetzgeber in Ehe- u Familienstreitsachen gem § 113 I umfänglich Gebrauch gemacht u in diesen weitgehend anstelle des FamFG die ZPO für anwendbar erklärt. Bei den sog fG-Familiensachen bleibt es hingegen bis auf einzelne Verweisungen auf die ZPO (zB in §§ 6, 76, 87 IV, 95 I) bei der Geltung des FamFG. Bei einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die im Miteigentum beider Ehegatten stehende vormalige Ehewohnung hat diese Differenzierung zur Folge, dass es sich bis zur rechtskräftigen Scheidung infolge der dem § 745 II BGB als speziellere Regelung vorgehenden Anspruchsgrundlage des § 1361b III 2 BGB (BGH FamRZ 17, 693) um eine fG-Familiensache (Ehewohnungsverfahren nach §§ 200 ff FamFG) handelt. Demggü findet sich nach Rechtskraft der Scheidung mangels einer Regelung für einen Anspruch auf Nutzungsvergütung in § 1568a BGB die Anspruchsgrundlage in der allg Vorschrift des § 745 II BGB, wodurch der Anspruch in einem Familienstreitverfahren durchzusetzen ist (BGH FamRZ 17, 693).

II. Antragshäufung, Widerantrag, Aufrechnung.

 

Rn 5

Die unterschiedlichen Verfahrensordnungen in Familiensachen schränken die Zulässigkeit v Antragshäufung, Widerantrag u Aufrechnung ein. Eine zulässige Antragshäufung nach § 113 I iVm § 260 ZPO setzt ua die Gleichheit der Verfahrensart voraus (Kobl FamRZ 20, 239; Zö/Greger § 260 ZPO Rz 3). Dies ist bei einer Familienstreitsache (ZPO) einerseits u einer fG-Familiensache (FamFG) andererseits nicht der Fall. Es ist gem § 145 ZPO bzw § 20 eine Abtrennung vorzunehmen. Gleiches gilt für einen Widerantrag (Kobl FamRZ 20, 239). Wird der in die andere Verfahrensart fallende Antrag nur hilfsweise gestellt, ist der Hilfsantrag im Falle der Abweisung des Hauptantrags auf Antrag an das für die andere Verfahrensart zuständige Gericht zu verweisen; wird keine Verweisung beantragt, ist der Hilfsantrag als unzulässig abzuweisen (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 8). Ebenso ist eine Aufrechnung m einer verfahrensartfremden bestrittenen Gegenforderung nicht zulässig, u zwar auch dann nicht, wenn die Aufrechnung bereits vorgerichtlich erklärt wurde (Kobl FamRZ 20, 239; Bran...

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