Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinsregisterverfahren: Eintragungsfähigkeit eines Vereins zum Betrieb einer Waldorf-Kindertageseinrichtung

 

Normenkette

BGB §§ 21-22

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Urteil vom 15.08.2014; Aktenzeichen 47 AR 7482/13)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des AG Stuttgart - Registergericht - vom 15.8.2014 - 47 AR 7482/13, aufgehoben.

2. Das AG Stuttgart - Registergericht - wird angewiesen, über die Anmeldung vom 17.6.2013 zur Neueintragung des "Vereins zur Förderung der Waldorfpädagogik ..." unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Der Beteiligte, vertreten durch seine Vorstandsmitglieder, hat am 17./19.6.2013 seine Anmeldung zur Eintragung in das Vereinsregister beim AG Stuttgart - Registergericht - beantragt.

Mit Beschluss vom 15.8.2014 hat dieses die Anmeldung zurückgewiesen, weil davon auszugehen sei, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliege.

Gegen die am 16./18.8.2014 zugestellte Entscheidung wenden sich die Vorstandsmitglieder in Vertretung des Vorvereins mit der am 15./17.9.2014 von ihrem Verfahrensbevollmächtigten eingelegten Beschwerde.

Die Rechtspflegerin hat dieser, nachdem die angekündigte Beschwerdebegründung trotz Fristsetzung bis zum 10.11.2014 nicht nachgereicht wurde, mit Beschluss vom 21.11.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Im Registerverfahren hatte das AG am 25.7.2013 eine Stellungnahme der IHK Region Stuttgart erhalten, die der Eintragung als nichtwirtschaftlicher Verein entgegengetreten war. Mit dieser hat sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers in dem Schriftsatz vom 13.8.2013 ausführlich auseinandergesetzt. Im Übrigen erfolgte eine Änderung von §§ 1 und 2 der Vereinssatzung am 21.2.2014. Die IHK Region Stuttgart blieb jedoch auch in den weiteren Stellungnahmen vom 25.9.2013 und vom 16.6.2014 bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung.

Zur weiteren Sachverhaltsdarstellung wird Bezug genommen auf die angefochtene Entscheidung, den Nichtabhilfe-/Vorlagebeschluss sowie auf den übrigen Akteninhalt.

II. Die befristete Beschwerde des Beteiligten ist gem. §§ 374 Nr. 4, 382 Abs. 3, 58 ff. FamFG statthaft, wurde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG) und der Beschwerdewert des § 61 Abs. 1 FamFG (über 600 EUR) ist erreicht.

Der Vorverein ist beschwerdeberechtigt (§ 59 FamFG; Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 21 BGB Rz. 11 u. 12 und § 60 BGB Rz. 1, je m.w.N.), so dass insgesamt die Zulässigkeit der Beschwerde gegeben ist.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg:

1. Für die Unterscheidung zwischen nichtwirtschaftlichem und wirtschaftlichem Verein kommt es darauf an, ob der Verein auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist (Ellenberger in Palandt, a.a.O., § 21 BGB Rz. 2; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Aufl. 2010, Rz. 141 ff.; OLG Schleswig NJW-RR 2001, 1478; OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 1698; BGHZ 175. 12; OLG Frankfurt SpuRt 2011, 125; KG DNotZ 2011, 632; OLG Schleswig FGPrax 2012, 212, und ZStV 2013, 142; je m.w.N.). Hierüber entscheidet nicht nur der Wortlaut der Satzung, sondern der tatsächlich verfolgte Zweck, der sich auch aus einer bereits ausgeübten oder beabsichtigten Tätigkeit ergeben kann (Ellenberger in Palandt, a.a.O., § 21 BGB Rz. 8, m.w.N.).

Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Registergericht den vom anmeldenden Verein als Rechts- und Wirtschaftsträger geplanten Betrieb einer Waldorfkindertageseinrichtung als unternehmerische Betätigung eingestuft. Denn der Verein möchte planmäßig und auf Dauer angelegt eine entgeltliche Betreuung für Kinder der Mitglieder und aus der Umgebung - insgesamt beschränkt auf 15 Plätze - und damit Leistungen am Markt und nicht nur am (auf die Vereinsmitglieder beschränkten) "Binnenmarkt" anbieten, wodurch er am Wirtschafts- und Rechtsverkehr wie ein Unternehmer teilnimmt (Ellenberger in Palandt, a.a.O., § 21 BGB Rz. 4 u. 5, m.w.N.).

Das Registergericht hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich ist.

2. Kein wirtschaftlicher, sondern ein nichtwirtschaftlicher Verein liegt jedoch vor, wenn der Geschäftsbetrieb im Rahmen einer ideellen Zielsetzung lediglich Nebenzweck ist (BGHZ 85, 84; OLG Hamm NJW-RR 2008, 350; Reichert, a.a.O., Rz. 160 ff.; je m.w.N.). Die unternehmerischen Tätigkeiten müssen dem idealen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung sein (BGH, a.a.O.).

Dieses sog. Nebenzweckprivileg kann nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall angesichts des Vereinszwecks und der konkreten Ausgestaltung des geplanten Tätigwerdens des Vereins zu seinen Gunsten herangezogen werden.

Nach § 2 der Vereinssatzung in deren geänderter Fassung vom 21.2.2014 dient der Verein der Förderung und Pflege moderner Erziehungsmethoden auf der Grundlag...

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