Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbringung Minderjähriger: Anfechtbarkeit einer einstweiligen Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen eine einstweilige Anordnung auf Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen ist die Beschwerde nach § 58 FamFG statthaft.

 

Normenkette

FamFG §§ 57-58; BGB § 1631b

 

Verfahrensgang

AG Bernburg (Beschluss vom 27.07.2010; Aktenzeichen 4 F 426/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bernburg - 4 F 426/10 EAUB - wird mit der -lediglich klarstellenden- Maßgabe zurückgewiesen, dass die Unterbringung -wie geschehen- in einer schließbaren Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie genehmigt wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das unter der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter stehende 16-jährige Kind befindet sich seit dem 11.5.2010 in dem Fachklinikum B.-Klinik für Kinder - und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, nachdem das AG - Familiengericht - Bernburg durch Beschl. v. 5.5.2010 - 4 F 14/10 UB - seine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung - längstens bis zum 27.7.2010 - familiengerichtlich genehmigt hatte.

Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden jugendpsychiatrischen Gutachten der Dr. med. E. D. und des Dipl-Psychologen F. Sch. vom 29.3.2010 liegt bei dem Kind eine psychische Krankheit vor, die in ihrer Ausprägung eine deutliche soziale Beeinträchtigung und seelische Behinderung darstellt. Die ausgeprägte Sozialverhaltensstörung berge die Gefahr, dass er anderen Personen weiteren erheblichen Schaden u.a. durch das Anleiten zu Regelübertritten oder durch fremdaggressive Handlungen zufüge und sich selbst in seiner eigenen Entwicklung gefährde. Durch die bestehende psychische Störung sei prognostisch eine weitere Manifestierung bzw. Choronifizierung des Krankheitsbildes wahrscheinlich mit der Gefahr der Entwicklung einer dissozialen Persönlichkeitsstörung. Es erscheine eine Verhaltensverbesserung mit entsprechender Reduktion der Symptonausprägung unter stationären Bedingungen erreichbar zu sein. Es bestehe jedoch die Gefahr eines Scheiterns der stationären jugendpsychiatrischen Intervention ohne die eine Perspektive einer langfristigen intensiven Jugendhilfemaßnahme und einer pädagogischen Betreuung während der Wochenend-Belastungserprobungen.

Zurzeit wird deshalb der Übergang des Kindes in eine Jugendhilfemaßnahme in der Nähe von C. vorbereitet, die unmittelbar im Anschluss an die stationäre Unterbringung spätestens in 2 Wochen beginnen soll.

Die weitere Unterbringung des betroffenen Kindes ist auf Antrag seiner Mutter durch den angefochtenen Beschluss des AG - Familiengericht - Bernburg vom 27.7.2010 - 4 F 426/10 EAUB - bis zum 9.8.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung familiengerichtlich genehmigt worden. Der Betroffene leide an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, einer dissozialen Persönlichkeitsstörung und einer sonstigen Verhaltens- und emotionalen Störung. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass der Betroffene sich oder Dritte erheblichen Schaden zufüge. Der Betroffene war unmittelbar vor der Entscheidung persönlich angehört worden und hatte erklärt, ihm sei es egal, wie das Gericht entscheide, da es ja nur noch 2 Wochen seien.

Mit der am 30.7.2010 beim AG Bernburg vom Verfahrensbeistand für den Betroffenen eingelegte Beschwerde wendet er sich gegen die ihm am 28.7.2010 zugestellte Entscheidung. Der Betroffene habe erklärt, dass er weder zwei weitere Wochen in der stationären Einrichtung in B. noch danach in die Einrichtung nach C. gehen möchte. Stattdessen möchte er nach Hause zu seiner Mutter. Wenn er wieder zu Hause sei, würde er sich sofort mit dem Arbeitsamt wegen einer Ausbildung in Verbindung setzen. Eine weitere ambulante Therapie sei für ihn ausreichend.

II.1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Der Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjähriger steht insbesondere § 57 Satz 1 FamFG nicht entgegen. Denn gem. § 167 Abs. 1 FamFG wird das allgemein als Kindschaftssache i.S.d. § 151 Nr. 6 FamFG und als solche gem. § 111 Nr. 2 FamFG als Familiensache eingeordnete Verfahren über die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen (gemäß §§ 1631b, 1800 und 1915 BGB) dahingehend geregelt, dass die Vorschriften über das Verfahren betreffend die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Volljährigen anzuwenden sind (§§ 312 Nr. 1 FamFG ff). Die im Rahmen der anzuwendenden Verfahrensvorschriften gem. § 331 FamFG zulässige einstweilige Anordnung ist unbeschränkt anfechtbar, da es sich um keine Familiensache i.S.d. § 111 FamFG handelt und deshalb die Anfechtbarkeit nicht gem. § 57 FamFG ausgeschlossen ist. Neben diesem systematisch...

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