Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob gegen eine einstweilige Anordnung auf Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines minderjähriges Kindes ein Rechtsmittel statthaft ist.

 

Sachverhalt

Das unter der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter stehende 16-jährige Kind befand sich seit dem 11.5.2010 in dem Fachklinikum B.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, nachdem das Familiengericht durch Beschluss vom 5.5.2010 seine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung - längstens bis zum 27.7.2010 - familiengerichtlich genehmigt hatte.

Der Entscheidung lag ein jugendpsychiatrisches Gutachten zugrunde, wonach bei dem Kind eine psychische Erkrankung vorlag, die in ihrer Ausprägung eine deutliche soziale Beeinträchtigung und seelische Behinderung darstellte. Danach berge die ausgeprägte Sozialverhaltensstörung die Gefahr, dass es anderen Personen erheblichen Schaden u.a. durch das Anleiten zu Regelübertritten oder durch fremdaggressive Handlungen zufüge und sich selbst in seiner eigenen Entwicklung gefährde.

Eine Verhaltensverbesserung sei nur unter stationäre Bedingungen erreichbar, weswegen der Übergang des Kindes in eine Jugendhilfemaßnahme vorbereitet wurde, die unmittelbar im Anschluss an die stationäre Unterbringung beginnen sollte.

Die weitere Unterbringung des betroffenen Kindes war auf Antrag seiner Mutter durch den angefochtenen Beschluss bis zum 9.8.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung familiengerichtlich genehmigt worden. Das betroffene Kind war unmittelbar vor der Entscheidung persönlich angehört worden und hatte erklärt, ihm sei es egal, wie das Gericht entscheide, da es ja nur noch um zwei Wochen gehe.

Mit der am 30.7.2010 vom Verfahrensbeistand für den Betroffenen eingelegten Beschwerde wandte er sich gegen die ihm am 28.7.2010 zugestellte Entscheidung hinsichtlich der Verlängerung seiner Unterbringung. Er wolle weder weitere zwei Wochen in der stationären Einrichtung verbleiben noch im Anschluss daran in eine andere Einrichtung gehen. Stattdessen wolle er nach Hause zu seiner Mutter. Von dort aus werde er sich sofort mit dem Arbeitsamt wegen einer Ausbildung in Verbindung setzen. Eine weitere ambulante Therapie sei für ihn ausreichend.

Das Rechtsmittel erwies sich als unbegründet.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG für statthaft.

Der Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene Genehmigung der vorläufigen Unterbringung stehe insbesondere § 57 S. 1 FamFG nicht entgegen. Gemäß § 167 Abs. 1 FamFG werde das allgemein als Kindschaftssache i.S.d. § 151 Nr. 6 FamFG und als solche gemäß § 111 Nr. 2 FamFG als Familiensache eingeordnete Verfahren über die Genehmigung der freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen dahingehend geregelt, dass die Vorschriften über das Verfahren betreffend die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Volljährigen anzuwenden seien.

Die im Rahmen der anzuwendenden Verfahrensvorschriften gemäß § 331 FamFG zulässige einstweilige Anordnung sei unbeschränkt anfechtbar, da es sich um keine Familiensache i.S.d. § 111 FamFG handele und deshalb die Anfechtbarkeit nicht gemäß § 57 FamFG ausgeschlossen sei.

Im Übrigen sprächen auch die Bedeutung des Rechtsgutes, in welches mit der angefochtenen gerichtlichen Maßnahme eingegriffen werde, und die Eingriffsintensität für die Anfechtbarkeit einer einstweiligen Anordnung in diesem Verfahren.

Der Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auf persönliche Freiheit gebiete eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen freiheitsentziehende Maßnahmen, die im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zu einer Dauer von drei Monaten ergehen könnten.

Nach dem in § 167 Abs. 1 FamFG niedergelegten Willen des Gesetzgebers solle das Verfahren der Unterbringung Minderjähriger und der Unterbringung Volljähriger in jeder Hinsicht identisch ausgestaltet sein. Eine Unterscheidung hinsichtlich der Anfechtungsmöglichkeit zwischen Minderjährigen und Volljährigen sei angesichts der Unverletzlichkeit der persönlichen Freiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sachlich nicht gerechtfertigt und widersinnig (OLG Celle, Beschl. v. 12.3.2010 - 19 UF 49/10, NJW 2010, 1678, 1679). Das OLG hielt die Beschwerde auch im Übrigen für zulässig, in der Sache jedoch für unbegründet.

Das AG habe zu Recht die vorläufige Unterbringung des Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung genehmigt.

Es beständen dringend Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung des Betroffenen gemäß § 1631b S. 1 BGB vorlägen, weil die Unterbringung zum Wohle des Kindes erforderlich sei. Nach dem Kindeswohlprinzip komme es darauf an, dass der Minderjährige wegen seiner geistigen, körperlichen oder seelischen Konstitution der Unterbringung bedürfe. Dies sei nach den fachärztlichen und psychologischen Stellungnahmen hier der Fall.

Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei gewahrt, da die Gefahr nicht durch andere...

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