Leitsatz (amtlich)

Die behördliche Namensänderung eines auch deutschen Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist nicht unmittelbar vom Standesamt zu beachten; es ist zunächst ein Verfahren nach dem Namensänderungsgesetz durchzuführen.

 

Normenkette

PStG § 16; EGBGB Art. 10; AEUV Art. 21

 

Verfahrensgang

AG München (Beschluss vom 02.11.2011; Aktenzeichen 721 UR III 156/11)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des AG München vom 2.11.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben 2002 in München die Ehe geschlossen. Der Beteiligte zu 2 war zum Zeitpunkt der Eheschließung deutscher und ungarischer Staatsangehöriger, die Beteiligte zu 1 slowakische Staatsangehörige. Seit 2005 besitzt die Beteiligte zu 1 auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehegatten haben deutsches Recht für die Namensführung gewählt und den Geburtsnamen des Ehemannes "H." als Ehenamen bestimmt. Auf Antrag des Beteiligten zu 2 wurde sein Familienname mit Urkunde des Ministers für Verwaltung und Justiz der Republik Ungarn vom 19.7.2010 geändert auf "R.", den Familiennamen seiner Großmutter väterlicherseits. Ausweislich der Urkunde erstreckt sich die Namensänderung auch auf die Ehefrau. Auf Antrag der Beteiligten zu 1 bewilligte das Bezirksamt D. (Slowakische Republik) am 8.12.2010 die Änderung ihres Familiennamens von "H." in "R.".

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben beantragt, in das als Heiratseintrag fortgeführte Familienbuch einzutragen, dass beide mit Wirkung vom 19.7.2010 den gemeinsamen Familiennamen "R." führen. Das Standesamt hat gerichtliche Entscheidung nach § 49 Abs. 2 PStG beantragt. Es sei fraglich, ob im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 14.10.2008 (Grunkin-Paul) auch eine behördliche Namensänderung in einem anderen Mitgliedstaat vom Standesamt unmittelbar zu beachten sei. Das AG hat es abgelehnt, das Standesamt zur Eintragung der Namensänderung anzuweisen; es sei zunächst ein Verfahren nach dem Namensänderungsgesetz durchzuführen. Die Standesamtsaufsicht hat Beschwerde eingelegt, um eine obergerichtliche Entscheidung herbeizuführen.

II. Die zulässige Beschwerde führt zur Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung. Eine nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 PStG einzutragende Änderung der Namen der Ehegatten liegt nicht vor.

1. Die Namensführung der Beteiligten zu 1 und 2 richtet sich nach deutschem Recht, da beide auch deutsche Staatsangehörige sind (Art. 10 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Auch für die Voraussetzungen einer behördlichen Namensänderung ist deshalb deutsches Recht maßgeblich (vgl. Palandt/Thorn, 71. Aufl. 2012, Art. 10 EGBGB Rz. 8; Staudinger/Hepting, BGB [2007], Art. 10 EGBGB Rz. 72). Der Name eines deutschen Staatsangehörigen kann mit Wirkung für den deutschen Rechtskreis nur durch die Entscheidung einer inländischen Behörde geändert werden (§ 1 NamÄndG). Dieser Grundsatz ist auch für deutsch-ausländische Doppelstaater anwendbar, und zwar auch dann, wenn der deutsche Staatsangehörige zugleich die Staatsangehörigkeit des Staates führt, der die Namensänderung vorgenommen hat (BayObLGZ 2000, 18 [24] m.w.N.).

Etwas anderes gilt nur im Geltungsbereich des CIEC-Übereinkommens vom 4.9.1958 über die Änderung von Namen und Vornamen. Nach Art. 3 des Übereinkommens ist die unanfechtbare Entscheidung eines Vertragsstaates über die Änderung des Namens oder des Vornamens eines eigenen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet jedes der anderen Vertragsstaaten ohne weiteres rechtswirksam, soweit seine öffentliche Ordnung hierdurch nicht beeinträchtigt wird; die Entscheidung wird als Randvermerk in die Personenstandsbücher der von ihnen betroffenen Personen ohne weitere Förmlichkeit eingetragen. Zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens gehören jedoch weder die Republik Ungarn noch die Slowakische Republik. Die von den ungarischen bzw. slowakischen Behörden ausgesprochenen Entscheidungen über die Namensänderung der Beteiligten zu 1 und 2 sind deshalb für das Standesamt grundsätzlich unbeachtlich.

2. Aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 21 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, früher 18 EG), ergibt sich nichts anderes.

a) Zwar kann die Verpflichtung, in einem Mitgliedstaat einen anderen Namen als den zu führen, der bereits im Geburtsmitgliedstaat erteilt und eingetragen wurde, die Ausübung des Rechts behindern, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (EuGH, Urt. v. 14.10.2008 - Rs. C-353/06 "Grunkin und Paul" Rz. 22 ff.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 22.12.2010 - Rs. C-208/09 "Sayn-Wittgenstein" Rz. 54 ff.; Urt. v. 12.5.2011 - Rs. C-391/09 "Malgozata, Wardyn" Rz. 66 ff.). Das in Art. 21 AEUV garantierte Recht auf Freizügigkeit kann im Einzelfall dazu führen, dass das entgegenstehende nationale Recht unangewendet bleibt, sofern sich die Konkordanz zwischen den Rechtsordnungen nicht durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des...

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